Kapitel 4: Aussprache
CALEB
Ziemlich gereizt war ich am Nachmittag auf dem Weg zu Wade wegen seiner Nachhilfe. Dad war nicht sehr begeistert wegen der Suspendierung die ich mir wegen dem diesem Vollidioten eingehandelt hatte, aber irgendwie war ich auch selber daran Schuld. An sich hatte er mich nur angerempelt und ich habe ihm dann einen dummen Spruch gedrückt. Dabei wollte ich das gar nicht. Aber ich hatte immer noch Gefühle für Kevin, auch wenn unsere Zeit schon zwei Jahre her war. Immer wenn ich ihn sah, gingen meine Gefühle mit mir durch.
Die Ampel wurde rot und ich versuchte mich zu beruhigen. Natürlich hätte ich nie einem was erzählt, was zwischen uns lief. Ich wollte ihn an sich nur reizen. Mehr nicht. Als ich heim kam und erzählt hatte was passiert war, hatte Dad einen Ausraster bekommen. Er wusste um meinen Status an dieser Schule und wollte dass ich den nicht durch eine dumme Prügelei ruinierte. Mein zwanzigjähriger Bruder Ryder hatte nur den Kopf geschüttelt und meine eine Jahr jünger Schwester Aimee hatte nur gegrinst. Meine Familie kannte die Geschichte um mich und Kevin. Immerhin war er früher beinahe jeden Tag bei mir gewesen und dass ich schwul war, war ihn auch bekannt.
Ich fuhr hinter das Auto von Aileen und stieg aus. Ich war noch nicht ganz an der Türe angekommen als sie mir schön öffnete. Sie lächelte mich liebevoll an, was mich direkt ein wenig ruhiger machte.
"Hallo Caleb. Schön, dass du da bist. Wade ist oben. Geh einfach hin. Wenn ihr fertig seid, kommst du nochmal zu mir wegen der Bezahlung, okay?"
"Hey, alles klar."
Ich ging die Treppe hoch wie gesagt. Ich wusste dass Wade auf unserer Schule in der Neunten war, hatte aber bisher nichts mit ihm zu tun gehabt. Immerhin kamen wir fast nie mit der Neunten zusammen. Aber ich war intelligent und hatte mich im Internet mal als Nachhilfelehrer angeboten, womit ich auch ziemlich gut was verdiente. Ich klopfte an und er öffnete mir die Türe.
"Hey, Caleb."
"Hi."
Er ging zur Seite und ich trat ein. Wade war ein hübscher Kerl. Auch wenn er erst Sechzehn war, fand ich ihn optisch sehr anziehend. Er hatte braune schulterlange Haare und schokobraune Augen, war etwas kleiner als ich, aber hatte einen ordentlichen Körperbau sofern ich dass unter seinem T-Shirt erkennen konnte.
"Setz dich. Aber ich sag dir gleich, ich bin ziemlich dumm in Mathe."
"Das kriegen wir schon hin. Zeig mir mal deine Aufgaben."
Er legte mir das Buch hin. Quadratische Gleichungen und Funktionen. Für mich ein Kinderspiel. Die nächste Stunde versuchte ich Wade so gut es ging die Aufgaben zu erklären und am Ende schaffte er sogar zwei von Fünf Aufgaben alleine und richtig zu lösen.
"Meine Fresse, das kapier ich nie."
"Warte es ab. Bis zu den Abschlussprüfungen im nächsten Jahr habe ich dich fit gemacht."
Wade grinste.
"Danke, aber für heute habe ich genug. Wir sehen uns Mittwoch."
"Klar, bis dann."
Ich ging wieder hinunter und fand Aileen in der Küche.
"Wir sind fertig."
"Oh und wie hat er sich geschlagen?"
"Es war etwas holprig, aber am Ende ging es etwas bergauf."
Aileen lachte und ging in den Flur. Ich blieb in der Küchentüre stehen und sah wie sie ihr Portemonnaie aus der Jacke holte.
"So, hier deine Zwölf Dollar. Bis Mittwoch, also?"
"Sicher, bis dann."
Ich ginge zur Türe und öffnete diese. Draußen hatte es angefangen zu nieseln. Ich mochte Regen. Er gab mir ein gutes Gefühl und irgendwie hatte er was gemütliches. Auf einmal sah ich einen blonden Jungen die Einfahrt hochkommen. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Als er mich sah stockte er und blieb stehen.
"C-Caleb...", stotterte er.
"Hey, kennen wir uns?"
"N-Nicht wirklich... ich bin...
"ALEX!", rief es von der Türe aus.
Ich drehte mich um. Da stand Wade in der Türe und rief nach seinem Kumpel. Dieser lief hochrot an mir vorbei. Ich schmunzelte. Irgendwie war er süß. Da fiel es mir auch wieder ein, er war heute Mittag in mich reingerannt als ich aus der Toilette kam. Immerhin wusste ich jetzt seinen Namen. Als ich im Auto saß schrieb ich meiner Clique in unserer Chatgruppe ob sie noch bei mir vorbei kämen. Die Antworten kamen prompt. Dazu gehörten meine zwei Kumpels Sascha und Marc und zwei Mädels Antonia und Caroline. Die Vier wussten über alles Bescheid, was mich betraf. Dass ich schwul war und auch meine Gefühle für Kevin. Und ich wusste alles von ihnen. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander.
"Was eine Woche suspendiert?", sagte Caro entsetzt, als wir später alle zusammen in unserer überdachten Lobby im Garten saßen.
Der Regen trommelte sanft auf das Dach. Ich liebte es.
"Und das nur wegen Heartly.", feixte Sascha.
"Hey, ich war immerhin auch dran Schuld."
"Du hast aber nur einen Spruch gedrückt. Er ist auf dich los gegangen zuerst!", warf Marc ein.
"Ja dennoch. Schiebt nicht alles auf ihn."
"Du musst endlich von deiner Verknalltheit weg kommen.", sagte Toni und kicherte.
Ich verdrehte die Augen.
"Immerhin ist es zwei Jahre her.", meinte Caro.
"Na und? Er und ich waren jahrelang supergut befreundet. Das ist auch schwer für mich."
"Hast du das Jahrbuch irgendwo?", fragte Sascha.
Wir brachten jedes Jahr etwa Anfang bis Mitte September ein neues Jahrbuch heraus.
"In meinem Schreibtisch, wieso?"
"Warte!"
Sascha stand auf und verschwand, kam aber kurze Zeit später mit dem Jahrbuch wieder.
"Wir suchen dir ein neuen Kerl. Ab welche Klasse? Zehnte?"
"Nimm die Neunte. Die sind auch alle etwa Sechzehn.", quiekte Toni.
Ich verdrehte erneut die Augen und ließ meine Freunde aber machen. Solange sie es nicht übertrieben.
"Da sind einige Süße dabei!", freute sich Toni.
"Uh, Wade Crayton sieht doch süß aus.", meinte Caroline und zeigte auf einen in der 9.2.
"Dem gebe ich seit heute Nachhilfe."
"Deine Chance mein Freund!", sagte Sascha süffisant.
Ich musste dann lachen.
"Ihr spinnt. Ich gebe ihm nur Nachhilfe!"
"In was? Biologie?"
Meine Freunde lachten und ich nahm ein Kissen und warf es Sascha ins Gesicht. Dieser wiederum warf es mir zurück und so begannen wir eine Kissenschlacht, die aber nur kurz anhielt, als mir im Jahrbuch was ins Auge fiel.
"Ey, geb' mir das Ding mal."
Marc reichte es mir herüber. Ich sah mir einen Jungen an Namens Jean Alexander Heartly, der direkt neben Wade abgebildet war. Mir fiel es sofort wie der Groschen von den Augen. Das war der blonde Junge, der mich umgenietet hatte und der mir vorhin über den Weg gelaufen war.
"Was ist denn?"
"Dieser Junge.."
Meine Freunde rutschten ran und sahen ihn sich an.
"Heartly? Wird wohl Kevin's Bruder sein. Wusstest du nicht, dass er Geschwister hat?", fragte Marc mich.
"Nein, nicht wirklich. Ich weiß, dass er eine Schwester hat, weil ich sie einmal gesehen habe. Aber er war ja eigentlich immer bei mir zu Hause und ich war selten bei ihm und habe dort außer seinen Eltern nie jemanden gesehen."
"Und was soll mit ihm sein?"
Ich erzählte ihm von der Begegnung auf der Toilette.
"Wahrscheinlich hat er gefragt, weil er die Prügelei gesehen hat und wegen seinem Bruder."
"Mag sein, ich hatte ihn gefragt ob er was mit Kevin zu tun hat, aber da rief mich schon der Rektor und ich hab keine Antwort mehr bekommen."
"Ist ja an sich auch nicht so wichtig, oder?", fragte Caro.
"Eigentlich nicht, nein. Es fiel mir nur auf, weil ich das Gefühl habe er läuft mir dauernd über den Weg."
"Hübsch sieht er aus. Vielleicht ist der ja was für dich.", kicherte Toni wieder.
Sie liebte Schwule und versuchte an allen Ecken mich mit wem zu verkuppeln.
"Ja, genau. Noch ein Heartly. Dann weiß Caleb demnächst gar nicht mehr wo ihm der Kopf steht, wenn er zwei scharfe Heartly's am Hals hat.", feixte Sascha.
Sascha war bisexuell und Marc Hetero. Toni auch und Caro war lesbisch und hatte eine Freundin. Ich sah Marc an.
"Was denn? Ich muss ihn ja nicht mögen, aber Kevin sieht halt gut aus.", zuckte er mit den Schultern.
Ich schmunzelte. Nach zwei weiteren Stunden verabschiedeten sich meine Freunde und ich überlegte, ob ich nochmal mit Kevin reden sollte. Wir wollten uns zwar weitestgehend in Ruhe lassen, aber ich wollte auch diese Sache heute nicht so stehen lassen. Immerhin war ich mit dran Schuld an der Sache und er hatte sogar zwei Wochen bekommen, weil er schon öfter gegenüber anderen ausfallend geworden ist. Es war erst kurz nach Achtzehn Uhr, also beschloss ich zu ihm zu fahren.
KEVIN
Es fühlte sich irgendwie gut an, dass ich Alex das erzählt hatte, auch wenn er danach sehr merkwürdig reagiert hatte und irgendwann ist er Hals - über Kopf aus dem Haus geflohen. Vermutlich zu Wade. Da verschlägt es ihn immer hin, wenn er aufgewühlt ist oder sonstiges. Meine Eltern waren vor etwa einer Stunde weggefahren und was Susan machte wusste ich nicht. Ich beschloss duschen zu gehen und den Abend dann ruhig ausklingen zu lassen. Zu viel Aufregung heute. Dad war sauer auf mich und ich war sauer auf Caleb. Ich war kaum aus der Dusche raus und angezogen, als es klingelte. Stirnrunzelnd ging ich die Treppe runter zur Türe. Als ich sie öffnete, traf mich fast der Schlag als Caleb da stand. Ich wollte sie gerade wieder zuknallen, als er dies verhinderte.
"Kev, warte!"
"Nenn mich nicht so!", keifte ich.
Das hatte er früher immer getan, bis uns diese Sex Sache auseinander getrieben hatte.
"Ich will doch nur mit dir reden, man."
Ich hielt einen Moment inne und ließ ihn dann widerwillig rein.
"Was ist?"
"Können wir vielleicht in dein Zimmer?"
Ich zog eine Augenbraue nach oben und nickte dann aber. Ich ging voran und er folgte mir schweigend.
"Was willst du denn?", fragte ich erneut, sobald die Türe zu war.
Ich setzte mich auf mein Bett und Caleb blieb vorerst stehen.
"Es tut mir leid wegen heute."
"Das hilft mir auch nicht. Ich habe zwei Wochen bekommen, kein fernsehen, kein Internet und das Handy wurde mir auch weggenommen, als wäre ich Zwölf Jahre alt!", giftete ich.
Caleb schmunzelte, was mich wieder wütend auf ihn werden ließ. Dann setzte er sich auf einmal neben mich und war für meinen Geschmack etwas zu nahe an mir. Irgendwie machte es mich nervös.
"Du riechst gut.", bemerkte er auf einmal, ohne auf meine Aussage einzugehen. "Und ja, manchmal bist du wirklich ein Kind."
"W-W-Wie bitte?"
"Du warst schon früher so. Bist immer direkt bei allem ausgetickt."
"Ich bin halt leicht reizbar.", schmollte ich, was ihn wieder zum schmunzeln brachte.
"Ich wollte eigentlich nur, dass wir das von heute aus der Welt schaffen. Ich wollte dich nicht provozieren und es tut mir leid. Ich lasse dich weiterhin in Ruhe und du mich und wir versuchen nicht wieder in so eine Lage zu geraten, okay?"
"Mh... Bisher haben wir das ja auch geschafft...", brummte ich. "Nun gut."
"Danke."
Er hielt mir die Hand hin und ich schlug ein. Er stand dabei auf und zog mich hoch, bis ich seinen Armen lag.
"W-Was m-machst du denn da?!", feixte ich etwas zu hoch.
Caleb gab mir einen schnellen Kuss auf die Wange und ließ mich dann wieder los. Ich schmiss ihm mein Kissen ins Gesicht und er lachte.
"Du Idiot!"
Er warf es mir zurück und ging dann zur Tür.
"Mach's gut Kev."
Als er meinen Namen wieder so aussprach durchflutete mich dieses Mal wieder ein wohligeres Gefühl. Doch ich sagte dieses Mal nichts. Caleb machte die Türe hinter sich zu und keine zwei Sekunden später hörte ich ein "OH!" auf dem Flur. Ich öffnete die Türe und da lag Caleb auf dem Boden. Und auf ihm drauf lag Alex mit schamroten Gesicht.