K3 "Private"
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Ich glaube, dass ich Noah an diesem Tag kennengelernt habe, ist das Beste was mir je passiert ist.
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Ich bin das gefühlte achtzigste Mal zu Lou nach Hause gegangen. Dieses Mal hatte sie mich jedoch unerwartet eingeladen, denn eigentlich gibt es nichts mehr was wir besprechen müssten. Meine Eltern und ihre Eltern haben in den letzten Wochen immer wieder Papiere hin und her geschickt und auch mit der Winterschool ist schon alles in trockenen Tüchern. Solange ich gute Noten schreibe und keine Probleme mache, sollte alles gut sein und da ich in der Schule noch nie besonders schlechte Noten hatte und auch sonst selten bis nie irgendwie negativ auffalle, bin ich nicht sonderlich besorgt, dass noch etwas schiefgehen könnte.
Lou und ich waren in der Küche als es an der Haustür geklingelt hatte. Da heute Samstag ist, ist kein Personal im Haus. Ich bevorzuge es auch so, weil ich bei letzten Mal das Gefühl hatte alle diese fremden Menschen würden mich beobachten. Erst wollte ich es einfach ignorieren, aber dann hatte es mich doch zu sehr eingeschüchtert und so habe ich Lou darauf angesprochen. Sie hat nur geantwortet, dass sie nicht oft besuch haben und das Personal schon immer neugierig war. Ganz egal ob neugierig oder einfach nur gruselig, ich bin froh, dass sie heute nicht da sind. Lou meinte Samstags und Sonntags seien sie meistens alleine, damit sie auch ein bisschen Privatsphäre haben können und die Angestellten ein erholsames Wochenende haben.
Eben weil das Personal nicht anwesend war, standen wir in der Küche, anders an den anderen Tagen der Woche, muss Lou am Wochenende immer selbst kochen. Ich frage mich stumm ob sie immer für alle oder nur für sich selbst kocht und ob ihre Brüder auch mal was für sie machen. Wahrscheinlich nicht, so wie ich sie letzte Woche kennengelernt habe. Es hat dann geschellt.
Auf dem Weg zur Haustür hat jedenfalls das Haustelefon geklingelt. Das Haus der Harris ist so groß, dass sie auf jeder Etage ein Telefon haben mit welchem man die anderen Telefone im Haus anrufen kann um über die Etagen zu kommunizieren ohne direkt durch den ganzen Palast laufen zu müssen. Ich finde das ganze etwas übertrieben, aber auf die Dauer ist es bestimmt praktisch. Lou ist dann jedenfalls ans Telefon gegangen. Es sind ihre Eltern, soviel habe ich noch mitbekommen als sie sie begrüßt hat. Dann bin ich zur Haustür gegangen.
Lou's Eltern rufen nur ein einziges Mal in der Woche an um sich zu erkundigen wie es ihren Kindern geht und selbst dann, ist der Anruf nur kurz angebunden. Lou hat das ganze etwas beschönigt als sie mir davon erzählt hat, aber gerade habe ich die traurige Realität mitbekommen. Ihre Eltern sind aber nicht so dreist wie ihre Brüder. Wie ich darauf komme?
Ich habe die Haustür aufgemacht und mir kam direkt eine Welle Gucci entgegen. Noah Harris und das einzige was er zu sagen hatte als er mich erkannt hatte war: „Oh siehe da, sie übt also schon mal für die Zukunft." Und dann ging er sich selbst feiernd mit erhobenem Kopf an mir vorbei und zog seine Schöselfahne hinter sich her. Der denkt ersthaft ich werde nach der Schule für ihn arbeiten? Seine scheiß Haustür öffnen? Ihm am besten noch die Schuhe ablecken. Pff, vorher vergrabe ich mich lieber.
Mit schlechter Stimmung bin ich dann in die Küche gegangen und da stehe ich jetzt. Beobachte Noah wie er Lou beim telefonieren zusieht. Sie steht an der Tür zum Garten und guckt raus, währen ihre Mutter ihr wahrscheinlich das Ohr abkaut mit all den Dingen, die Lou wieder tun oder lassen soll. Ob Noah wusste das seine Eltern genau jetzt anrufen würden? Ist er deswegen nach Hause gegangen und dann direkt in die Küche? Lou hat mir nicht erzählt ob ihre Eltern immer zur gleichen Zeit anrufen, aber bei so einer strukturierten Familie kann ich es mir sehr gut vorstellen. Weil ich hier eh dumm rumstehe, gucke ich mir also Noah an. Lou habe ich auch schon viel zu oft angestarrt.
Noah riecht zwar reich, aber so schlimm verwöhnt sieht er gar nicht aus. Er sieht sogar eigentlich ganz gut aus. Er hat braun-blonde Haare und vorne eine etwas hellere Strähne. Es sieht nicht gefärbt aus. Er trägt ne dunkle Jacke. Angesichts des stürmischen Windes heute ist das ja auch kein Wunder. Er hat eine Hand in der Hosentasche sodass ich ein Stück seines braunen Gürtels sehen kann. So lässig wie bei unserer letzten Begegnung. Blaue Jeans und ein paar Markensneaker. Es könnte um einiges schlimmer sein.
Obwohl ich ihn doch erst so oberflächlich und kurzweilig betrachtet habe, muss er meinen Blick auf sich gespürt haben. Langsam dreht er sich um und wie bei unserer ersten Begegnung treffe unsere Blicke aufeinander. Im nicht geschnappt werden bin ich wohl echt schlecht. „Wartest du auf Trinkgeld oder was?" So leicht lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen. „Nein, ich wohne ja eh bald gratis bei euch und die 1500 Euro reichen mir." Genau, beleidige mich so viel wie du willst, ich hab eh schon gewonnen.
Er mustert mich unzufrieden. „Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich Gewalt nicht leiden kann, sonst wärst du schon dabei meine Wäsche zu waschen." Wow, wenn du denkst verwöhnter würde es nicht mehr gehen, musst du einfach Noah kennenlernen, der zeigt dir wie falsch du doch liegst. „Gib mir ruhig deine Wäsche. Ich geh sie in der Toilette waschen." Ich grinse falsch und lehne mich zufrieden zurück. Was du kannst, dass kann ich schon lange. „Ihr habt ne Toilette wo du wohnst? Dachte du lebst auf der Straße." Er mustert mich abfällig. „Ja ich würde deine Kleidung auch lieber auf die Scheiße im Dixi Klo schmeißen, aber unsere Wohnung hat ein großes Bad. Außerdem stinkt dein Parfüm schon so krass nach scheiße, ein Dixi Klo riecht dagegen wahrscheinlich wie ne Blumenwiese."
Er lacht leise. „Das ist Bulgari. Opfer wie du verstehen das nicht." Jetzt habe ich ihn. „Opfer deines Gestanks meinst du wohl. Dass du auch noch Geld für die Gülle ausgegeben hast sorgt fast dafür das ich Mitleid mit dir habe." Noah zieht seine Jacke aus und sieht mich gleichgültig an. „Ich bin so reich, ich könnte mir wirklich Scheiße Kaufen und das würde mein Portemonnaie nicht um einen Gramm leichter machen. Du dagegen müsstest betteln gehen. Jetzt hab Respekt!"
Ich seufze leise. Mit dem kann man nicht reden. „Wie du meinst, Schnöselpeter." Dann sieht er etwas angespannt aus und ich kann spüren wie er mich beobachtet. Seine Augen sind geweitet und sein Blick verfolgt jede noch so kleine Bewegung die ich mache. Jeden Wimpern Schlag. Wusste nicht, dass ihn das so treffen würde. Vielleicht hat ihm schonmal jemand gesagt, dass er wie ein Peter aussieht. Was weiß ich.
Ich weiß nicht was sich von einer Sekunde auf die nächste geändert hat, aber es gefällt mir gar nicht. Es ist sogar ziemlich unangenehm. Erst als Lou wiederkommt schreckt er aus seiner Starre. „Noah." Sie sagt seinen Namen so leise, das man ihn nur ein paar Meter weiter nicht mehr verstanden hätte. Sie sieht verwundert, erleichtert, aber auch traurig aus. So viele Emotionen auf einmal. Was ist denn los? Er sieht sie nur für einen kurzen Moment an, dann sagt er leise „Hi." und geht dann durch die Tür an mir vorbei. Geht die Treppe hoch ohne noch einmal zurück zusehen.
Wollte er nicht mit ihr reden? Wieso hat er dann in der Küche gewartet? Vielleicht falls seine Eltern ihn sprechen wollen?
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Und das ist noch nicht Mal das komischste was an diesem Tag passiert ist. Das ist noch das normalste von allem.
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Als ich mich zu Lou umdrehe sieht sie plötzlich ziemlich aufgewühlt aus, was ich natürlich erstmal nicht verstehe. Alles war eben noch gut. Liegt ihr Stimmungswelchsel an Noah oder haben ihre Eltern etwas falsches gesagt? Ich überlege sie zu fragen, aber entscheide mich dann es lieber zu lassen. Es geht mich eigentlich nichts an und ich will ihr auch nicht zu nahe treten.
Lou läuft dann einfach zurück zum Herd wo immer noch unser Essen steht. Sie hat uns ein paar Nudeln mit Tomatensoße gemacht. Langsam, aber immer noch irgendwie nicht ganz bei sich füllt sie unsere Schalen. Ist etwas zwischen ihrem Bruder und ihr vorgefallen? Sie sag so bedrückt aus, dass mich die ganze Situation nicht loslässt. Irgendwas stimmt doch mit ihrer Familie nicht. Ihre Eltern sind so abweisend, Lou so zurückhaltend, Noah so eingebildet und Finn... Finn ist gar nicht anwesend.
Lou gibt mir immernoch stumm meine Schale und dann folge ich ihr sprachlos hoch in ihr Zimmer. Beim ersten Mal in ihrem Haus habe ich meine Zehen in diesem grünen Teppich vergraben, aber heute lasse ich es. Heute scheint kein Tag für flauschigen Teppich zu sein. In Lous Zimmer schließe die Tür hinter mir und sammle kurz meine Gedanken. Manche Situationen geschehen so schnell, dass ich keine Zeit habe sie zu beschreiben. Ich frag nicht, sondern lächle sie stattdessen an und hoffe das sie sich bald wieder fängt und ihren innerlichen Konflikt auf später verschiebt.
Dann überlege ich aus Neugier doch ihre Gedanken zu lesen, denn den Scheiß kann ich ja schließlich wirklich. Aber wieder entscheide ich mich dagegen. Ich kann schlecht sagen, ich würde ihr nicht zu nahe treten wollen mit meinen Fragen und dann plötzlich ohne ihre Einverständnis einfach in ihren Kopf schauen.
„Ich hoffe die Soße ist noch warm." Ich lächle sie erleichtert an. Endlich redet sie wieder. „Das ist sie bestimmt noch, Lou." Sie lächelt höflich zurück und ich esse endlich. Hunger habe ich nämlich wirklich und die Situation ist unangenehm angespannt. Ich weiß nicht was ich sagen soll und Lou scheint auch noch ein bisschen überfordert mit der Sache von eben zu sein. „Tut mir leid, dass Noah so unfreundlich zu dir war. So ist er eigentlich nicht." So ist er eigentlich nicht? Das kann ich beim besten Willen nicht glauben. „Er war die letzten drei Tage spurlos verschwunden. Sowas macht er eigentlich nicht." Ach, deswegen war sie so erstaunt als er plötzlich vor der Tür stand.
Ich frage sie ob ihre Eltern wissen das er weg war und ob sie ihn nicht suchen, aber Lou meint nur, dass ihre Eltern dadurch das sie diese große Firma leiten, keine Zeit haben jeden Tag nach Hause zu fahren. Sie würden manchmal mehrere Wochen von zu Hause weg verbringen und riefen nur manchmal an um zu fragen ob irgendjemand etwas bräuchte. Genau den wunderbaren Anruf hatten wir ja gerade.
Durch das viele Geld, dass ihre Eltern verdienen, konnten sie sich auch das große Haus, die große Einfahrt und den schönen Garten leisten.... Und die anderen vierzig Häuser mit wunderschönen Gärten. Wenn man sich fragt was wichtiger ist, das Geld oder die Familie, hat man dann nicht schon verloren? Noch schlimmer ist es, wenn man sich für das Falsche entscheidet. Lou's Eltern haben sich definitiv für die Arbeit entschieden. Lou ist 15 Jahre Alt und weil ihre zwei Brüder 17 und 18 sind, sagen ihre Eltern sie seien alt genug um alleine zu wohnen.
Ich betrachte das ganze ehr skeptisch. Wenn Lou krank ist, sind ihre Eltern nicht da und wenn sie traurig ist, kann sie mit niemandem reden. Ihre Brüder sind da und auch wenn es überhaupt nicht danach aussieht trösten sie Lou vielleicht, aber manchmal gibt es vielleicht Dinge bei denen man seine Eltern braucht. Erwachsene die einen trösten und einem zeigen, das man nicht allein ist. Das da noch jemand ist, der Dinge für dich regelt. Leute die einem zeigen, dass man noch nicht erwachsen ist. Das man noch Kind sein darf und sich nicht um alles kümmern muss. Leute die dir helfen und dir eine Lasst abnehmen ohne eine Gegenleistung zu vordern. Ich komme vielleicht gut ohne meine Eltern klar, aber Lou... Lou ist noch so empfindlich und irgendwie klein. Niemals würde ich ihr zutrauen alleine zu wohnen.
Sie tut mir schon ziemlich leid, aber das sage ich natürlich nicht. Sie sieht auch schon fertig genug aus. Nach dem Essen haben wir dann alles zum Übernachten aufgebaut. Das war nämlich eigentlich der Plan. Das ich heute hier schlafe.
Als dann alles vorbereitet war und ich gemütlich auf meiner unbequemen Isomatte lag, hat Lou wieder angefangen mir von Noah zu erzählen und das war nochmal um einiges spannender. „Das ist bei uns alles nicht so einfach. Ich hab keinen so guten Kontakt zu meinen Brüdern. Noah verschwindet sonst nie. Er bleibt manchmal Stunden lang in seinem Zimmer und kommt nur zum Essen raus. Er ist immer da, falls mal was passiert. Das er jetzt drei Tage weg war und mir nicht sagt wohin ist seltsam." Sie spielt mit ihrem Armband. Ich trinke einen großen Schluck von meinem Tee und höre ihr weiter zu. Irgendetwas sagt mir, dass heute noch was anderes passiert. Irgendwas womit ich nicht rechne.
„Finn, mein anderer Bruder ist fast nie da. Er schläft nur selten hier. Wenn er vorbei kommt gibt es meistens Ärger." Daran wie sie es sagt, kann ich hören wie viel Respekt sie vor ihm hat. Er muss ihr ganz schön viel Angst machen. Es ist ganz still im Raum. Lou denkt über irgendetwas nach und ich lasse meine Gedanken einfach frei. Ob all das, all diese Familienprobleme dadurch ausgelöst wurden, dass ihre Elter nicht da waren? Es immer noch nicht sind? Ist das alles ihren Eltern völlig egal? Wie sich das wohl anfühlen muss, wenn du für die Sorgen deiner Kinder verantwortlich bist? Das muss ein schreckliches Gefühl sein, aber es sieht fast so aus als könnte man sich einfach entscheiden es nicht zu fühlen oder vielleicht ist es auch nicht schrecklich genug, dass man es nicht so leicht ignorieren könnte. Vielleicht wissen Lous Eltern ja wirklich nichts hier von. Ihre Kinder scheinen ihnen jedenfalls nicht genug zu vertrauen um es ihnen zu erzählen. Ich bin froh, dass meine Eltern nicht so sind. Das sie einfach schon immer für mich da waren. Mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin. Ganz ohne besonders viel Geld. Geld braucht man nämlich nicht um eine Familie zu sein. Ob Lous Eltern das wissen? Ob sie es verstehen würden, wenn man es ihnen sagt oder ob sie vielleicht nur lachen würden?
Irgendjemand knallt dann plötzlich die Haustür so laut zu, dass man es sogar hier oben noch hören kann. Irgendwas trifft auf den Boden und dann rummst es direkt zwei mal. „Er ist da."Jap und in dem Moment sehe ihn Lou an und ihr Gesichtsausdruck sagt eigentlich schon alles. Jetzt wird er Tag wohl endgültig den Bach runter gehen. Lou hat nämlich wirklich Angst vor Finn und irgendwie habe ich schon diese Vorahnung, dass ich auch direkt Mal herausfinden werde wieso.
Lou flüstert schon wieder. Es ist beruhigend bei jemandem zu sein der fast die ganze Zeit leise und ruhig ist. Das komplette Gegenteil von mir. Manchmal ist es aber auch nervig, weil es so lange dauert bis man versteht was sie sagen will. „Finn ist wieder zu Hause." Sie sagt es stockend und traurig. Sie ist auf einmal so aufgewühlt, dass ich sofort meine Hand hebe und sie auf ihre Schulter lege.
„Ich muss kurz runter gehen und gucken was er möchte. Er hasste es, wenn ich nicht da bin wenn er nach Hause kommt." Sie versucht mich an zu lächeln, aber ich kann sehen wie unecht ihr Lächeln ist. Sie meint das wohl ernst. Ich nickte kurz so Verständnis voll wie nur möglich und sehe zu wie sie das Zimmer verlässt. Ich lausche um zu hören wann sie unten an der Treppe angekommen ist, aber ich höre nichts, da sie so leicht und leise die Treppenstufen herrunter steigt als wären sie aus Glas und könnten bei leichtem Druck schon zerspringen.
Ich öffne die Tür ein bisschen und lausche. Auf einmal geht die Tür direkt gegenüber von mir auf und Noah steckt seinen Kopf herraus. Hatten wir wohl beide die selbe Idee. Sollte ich Lou vielleicht nachgehen? Sie sah so fertig aus in der Küche eben und jetzt schon wieder. Ist sie zu Hause immer so? In der Schule war sie noch nie so. Zwar war sie schon immer recht still, aber nicht so eingeschüchtert wie gerade.
„Hör auf so leise zu nuscheln. Du weißt ich hasse das." Finn's Stimme ist das genaue Gegenteil zu der von Lou. Er ist genervt und aufgebracht. Das kann ich sogar von hier oben hören.
„Wie geht es dir?" (F)
„Gut." (L)
„Mmm." (F)
„Ist Noah da?" (F)
„Ja. Er ist oben." L)
Finn scheint sich nicht zu beruhigen. Ich gucke kurz zu Noah der aber weiter gespannt dem Gespräch lauscht. Er sieht kein bisschen beunruhigt aus. Ich verstehe das zwar nicht ganz, aber er kennt Finn. Er wird schon wissen wann es brenzlig wird.
„Ist Irgendwas vorgefallen während ich weg war?" (F)
„Nein. Ich hab nur ne Freundin zu Besuch." (L)
„Ich hab dir gesagt, dass niemand zu uns kommen soll!" (F)
„Ich- Du warst nicht da. Ich dachte, dass es dich nicht stört." (L)
Lou stottert. Ich höre ein paar Schritte und dann ein leises, dumpfes Geräusch. Ein leises Käuchen von unten. Noah sieht meine Verwunderung. „Er hat sie gegen die Wand gedrückt." Er flüstert gerade so laut, dass ich es hören kann. Ich will ihn gerade fragen ob er nichts unternehmen will da höre ich schon wieder Finn's Stimme von unten. Diesmal schreit er.
„Wieso, kannst du nicht einfach auf mich hören? Ich hab dir gesagt du sollst niemanden hier hin einladen. Egal ob es ein Junge ist oder ein Mädchen. Verstanden?" (F)
„Ich will kein beschissenes Nicken! Ich will ein Ja oder ein Nein hören. Verdammt!" (F)
„Ja. Es tut mir leid. Das kommt nicht noch mal vor." (L)
Ich kann hören wie sie weint. Ich sehe nur hilflos zu Noah. Er sieht mich ernst an „Sei nicht dumm und glaub bloß nicht du solltest da jetzt runter gehen."
„Ich hoffe es. Ich hatte nen miesen Tag und das du es nicht schaffst ne einfache Regel zu befolgen, macht es nicht gerade besser." (F)
Finn lässt sie wieder los und ich kann seine sich entfernenden Schritte hören. Noah wartet noch kurz bis er das Schließen der Haustür hört und geht dann nach unten. Ich folge ihm stumm. Das Gewicht meiner Fragen liegt schwer auf meinen Schultern. Lou sitzt auf dem Boden und vergräbt ihr Gesicht hinter ihren Beinen, die sie ganz an sich gezogen hat. Noah und ich knien uns zu ihr und trösten sie. Ich verstehe nicht wieso Noah nicht dazwischen gegangen ist. Er hat keine Angst vor Finn, da bin ich mir sicher. Was mich auch wundert, ist das er gerade gar nicht so hochnäsig war. Er hat zur Abwechslung ganz nochmal mit mir geredet.
Ich weiß es klingt egoistisch, aber ich bin gerade einfach nur froh darüber das ich vor zwei Wochen damals an der Bushaltestelle keine Bekanntschaft mit den fünf Jungs machen musste. Ob das so ausgegangen wäre wie das hier gerade? „Komm Lou. Ich trag dich jetzt in dein Bett und dann schläfst du ne Runde." Noah gibt Lou einen kleinen Kuss auf die Stirn und trägt sie die Treppe hoch in ihr Zimmer. Er legt sie auf's Bett und deckt sie zuh. Das viele Weinen hat sie müde gemacht.
Langsam dreht er sich zu mir um. „Komm mit." Kurz sehe ich zu Lou, nur um sicher zu gehen, dass sie okay ist. Dann folge ich ihrem Bruder heraus aus ihrem Zimmer bis in seins. Dort läuft laut Musik und trotzdem herrscht nach allem was gerade passiert ist eine bedrückende Stille. Noah steht am Ende des Raumes und hat sich an seinen Schreibtisch gelehnt. Ich stehe immer noch an der Tür, was man als sehr sinnvoll bezeichnen kann, da ich jeder Zeit verschwinden kann, wenn mir das ewige Schweigen zu gruselig wird.
Da keiner etwas sagt, fange ich ihn erneut an zu Mustern. Er trägt seine Jacke und seinen Pullover nicht mehr, sodas man seine Muskeln leicht unter seinem blauen Shirt sieht. Ja, es ist ein Wunder, das er ein blaues und kein weißes Shirt trägt, wie das sonst so in jeder Wattpad Story steht. Seine Muskeln sind jedoch nicht zu ausgeprägt, also schätze ich mal, das er nicht ins Fitnessstudio geht. Es sieht natürlich aus. Seine Haare sind etwas verwuschelt und seine helle Strähne ist kaum zu sehen. Er muss sich mehrmals durch die Haare gefahren haben. Zu dem Shirt hat er inzwischen auch eine Jogginghose angezogen. Ist wahrscheinlich gemütlicher.
Als ich mit meinen Augen wieder hoch in sein Gesicht sehe, treffen sie direkt wieder auf seine. „Du scheinst mich echt dauerhaft zu beobachten." So oft können sich Blicke echt nicht treffen, außer einer starrt die ganze Zeit. „Ich bin nur etwas verwirrt." Ich lächle über seinen wirklich verwirrt aussehenden Gesichtsausdruck. „Ich bin es auch. Erst so hochnäsig und jetzt so normal. Willst du dich nicht mal für eins entscheiden? Oder ist das nicht so deine Stärke?"
Noah lächelt leicht. „Sag du mir was ich wählen soll." Irgendwie ist mir dieser Noah schon fast sympathisch. Er scheint das von eben genauso schnell wie ich vergessen zu haben. Vielleicht hatten wir einfach einen schlechten Start. „Da wir bald zusammen wohnen, wäre mir das zweite doch um einiges lieber." Er kommt mir langsam näher und ich beobachte ihn abwartend. Was wird das? Kurz vor mir, mit einem Anstand von einem halben Meter bleibt er stehen. Sieht mich stumm an und ich sehe einfach wartend zurück. Seine Augen scheinen wirklich unglaublich braun zu sein. So wie das nasse Holz in einem Wald oder die dunkle Erde in einer Schlucht. Schön, aber auch irgendwie fremd. Dann plötzlich erkenne ich etwas mir so bekanntes. Ein kleiner lilaner Funke. Noch einer. Bis sein Auge plötzlich lila glänzt. Erschrocken starre ich ihn an. Sechzehn Jahre meines Lebens wollte ich genau das sehen. Wissen wie es aussieht, wenn ich die Gedanken eines anderen lese. 16 Jahre lang wusste ich nur, dass es ein lilaner Glanz ist. Jetzt habe ich ihn endlich gesehen. Direkt vor mir. In den Augen es anderen. Noahs Augen. So fühlt sich das also an wenn dich das Schicksal, wie ein Schlag ins Gesicht trifft.
„Du wusstest es also nicht." Ich schrecke aus meiner Starre. „Was?" Mir kommt nur ein Flüstern über die Lippen. Was hat das alles zu bedeuten? „Es viel mir eben in der Küche auf. Du hast Lou beobachtet und sie haben geglänzt. Deine Augen. Ganz genauso wie meine." Haben sie das? Ich kann die Gedanken anderer nur lesen, wenn sie mich ansehen. Meine Augen scheinen jedoch trotzdem immer wieder zu versuchen etwas über andere zu erfahren. Besonders dann, wenn ich in Gedanken versunken bin.
Noah kann also wirklich meine Gedanken lesen. Er kann es. Ich bin nicht die einzige Person auf dieser riesigen Welt die es kann und ja verdammt, ich bin darüber ziemlich erleichtert.Wenn man sein Leben lang nur herrum gerannt ist und sich gefragt hat, was mit einem nicht stimmt und man ganz alleine mit einem großen Geheimnis war, dann ist das ein ziemlicher Schock, wenn man auf einmal jemand trifft der genauso ist, wie du. Und was macht man, wenn so etwas passiert und man immer noch still im Raum steht? Klar, man nutz aus was man kann und versucht die Gedanken des anderen zu lesen. Noah sieht wohl, dass ich es versuche. Er sieht unzufrieden aus. Zu meiner Verwunderung, kann ich nichts sehen. Es ist nichts da. Ich kann seine Gedanken nicht sehen.
„Es funktioniert bei mir wohl auch nicht. Du kannst beruhigt sein. Ich kann deine auch nicht hören." Kann er nicht? Wieso nicht? Ich habe noch nie jemanden getroffen bei dem es nicht geklappt hat. Noah fragt mich skeptisch: „Wie lange kannst du es schon?" Ich sehe seufzend herunter. Ich bin verwirrt, aber trotzdem erleichtert, ganz anders als Noah, der mich mustert als sei ich der Feind. „Seitdem ich denken kann." Meine Füße bewegen sich an ihm vorbei zum Fenster. Noahs Zimmer ist groß und ich habe plötzlich den unerträglichen Drang mich bewegen zu müssen. Vielleicht hilft es mir als das hier zu verstehen. Hilft mir vielleicht beim Nachdenken. Als ich jedoch wieder zu Noah sehe verhängt er seine Augen. „Wer bist du und was willst du hier?" War ja klar, dass das hier nicht leicht wird. Ich freue mich, das da endlich jemand ist, der mich versteht und er behandelt mich, als wäre ich ein Spion oder eine gefährliche Krankheit.
„Äm...ich könnte dich also genauso gut fragen was du willst, da du mich ja in dein Zimmer gezogen hast." Ich sehe ihn abwartend an und es scheint ihm nicht zu gefallen. „Du wolltest wissen was hier oben passiert." Er hebt seinen Finger und tippt sich seitlich an seine Stirn. Dabei sieht er mich weiterhin angespannt an. Beobachtet mich genauso wie er es schon den ganzen Tag gemacht hat. „Du hast es doch auch versucht. Gleichberechtigung." Ich zucke mit meinen Schultern und gehe auf seinen Schreibtischstuhl zu. Wenn ich hier noch länger meine Zeit verbringe, will ich mich wenigstens setzten. Ich lehne mich im Stuhl zurück, damit ich nicht so angestrengt nach oben gucken muss, um in sein Gesicht zu sehen.
„Ich will, dass du gehst und niewieder kommst." Ich dachte er sei anders als Finn, der mich beim Essen nicht beachtet hat und jetzt Lou so verschreckte, aber das ist er wohl nicht. Er will mich genauso wenig hier haben. „Stell dich da hinten an. Das wollen sie alle. Kannst ja warten bis dein Bruder mich vergrault hat."
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Damals wusste ich noch nicht wie sehr ich mit meinen Worten doch Recht hatte, aber ich sollte es bald herausfinden.
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„Wieso? Wieso willst du das ich gehe?" Ich versuche mir meine Verwirrung nicht all zu sehr anmerken zu lassen und versuche so gleichgültig wie Noah zu gucken. Er scheint das richtig gut zu können. „Du hast nicht das Recht hier zu sein. Nicht das Recht, die Gedanken meiner Schwester zu lesen." Ich bin etwas verwundert, dass er seinen Bruder nicht erwähnt hat, aber ich sollte mich wohl ehr auf meine Antwort konzentrieren. „Ich verstehe es trotzdem nicht. Du findest jemanden der es auch kann und anstatt so wie ich es tuh, sich darüber zu freuen, schickst du mich weg? Schade das ich nicht sehen kann, was gerade in deinem Kopf vorgeht."
Meine Antwort hat er wohl so nicht erwartet, denn er sieht mich nur erstaunt an. Er dachte wohl, ich würde aufstehen, mich umdrehen und für immer sein Haus verlassen. Tja, so bin ich nicht. „Also willst du das ich mich jetzt freue das du da bist und das ich dich einfach so alles sehen lasse was du willst?" Er hebt seine rechte Augenbraue voller Skepsis und ich sehe ihn etwas genervt an. „Wer hat gesagt, dass ich sehen will was in ihrem Kopf vor sich geht. Ich habe den ganzen Tag nicht nachgesehen." Ich will nicht alleine sein und er sieht so aus als könnte er jemanden gebrauchen der ihm zuhört. Ich werde nicht gehen. Drehe mich stattdessen einmal mit seinem Drehstuhl im Kreis. „Du weißt doch gar nicht was ich will. Du stellst zwar viele Fragen, aber die richtigen sind es nicht."
Er setzt sich etwas entspannter auf sein Bett und sieht mich abwartend an. Noah hat wirklich sein Bett gemacht? Er scheint doch mehr ein Mustersohn zu sein als ich dachte. Kam er wirklich nur für den Anruf seiner Eltern nach Hause? Natürlich denken seine Eltern alles sei in Ordnung, wenn sie sich alle so viel Mühe geben es so aussehen zu lassen. „Was willst du denn?" Ich seufze leise. Was ich wirklich will? „Das was alle wollen. Freundschaft." Er sieht überrascht auf direkt in mein Gesicht.
„Du willst also mit mir befreundet sein?" Er sieht mich total verwirrt an. „Ja. Du siehst so aus, als hast du viel zu erzählen und ich habe vielleicht auch das ein oder andere zu sagen." Noah scheint nicht ganz überzeugt zu sein. Muss alles fremde immer böse sein? „Also soll ich dir vertrauen und dir irgendwas erzählen obwohl ich dich nicht kenne und ich auch in deinem Gedanken nicht sehen kann ob ich dir vertrauen kann?" Ich schmunzle auf seine Frage. „Naja." Ich drehe mich wieder ein Mal im Kreis. Dieses Mal in die andere Richtung, damit mir nicht schwindelig wird. „Andere können keine Gedanken lesen und Vertrauen sich trotzdem."
Meine Antwort scheint ihm nicht zu reichen, denn er nickt zwar, aber er erzählt kein Wort. „Soll ich zuerst was erzählen, damit du dich traust?" Ich muss lächeln. So ein Schisser. „Rede nicht mit mir, als wäre ich fünf. Es war deine Idee und deswegen fängst du an."
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Damals wusste ich gar nicht wie ähnlich die beiden sich doch sind.
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„Anders als du habe ich kaum was zu sagen. Ich bin so geboren. Es war nicht immer leicht, aber ich habe es geschafft so gut wie möglich zu verheimlichen. Ich denke, das was wir können ist eine schöne Gabe, kann manchmal aber auch ein schweres Verhängnis sein. Manchmal sieht man Dinge, die man nicht sehen sollte." Noah nickt langsam. „Ich kann es noch nicht so lange wie du." Neugierig sehe ich ihn an. „Seit wann denn?" Er atmet tief durch. So frei darüber zu reden ist für uns beide neu, aber für ihn scheint es um einiges schwerer zu sein, weil er mir kaum vertraut, ich weiß aber den Versuch zu schätzen. „Seit sechs Wochen. Ich war die letzten drei Tage weg, weil ich es nicht kontrollieren konnte." Ich sehe ihn schockiert an. Es ist mir noch nie passiert, dass ich es nicht kontrollieren konnte. Für mich war es fast immer ein stummer Begleiter. Etwas, was eben immer da ist, aber kaum stört. Nur Nachts, wenn meine Augen anfangen zu leuchten, ist es schwierig zu kontrollieren.
„Das ist mir noch nie passiert, aber ich stelle es mir ziemlich schlimm vor. Was hast du denn dann gemacht?" Und da scheint Noah ein kleines Stückchen aufzutauen. „Ich habe mir ein Hotelzimmer gebucht und bin dort den ganzen Tag und die ganze Nacht geblieben. Habe mir essen aufs Zimmer liefern lassen um so wenig Leute wie möglich zu sehen." Ich rolle mit dem Stuhl zu ihm und lehne mich vor. „Hast du nur ständig die Gedanken aller gesehen und gehört oder habe sie auch geleuchtet?" Er sieht mich ernst an. Hat wohl seine Skepsis mir gegenüber endlich abgelegt. „Meistens habe ich sie nur gehört, aber auf vollen Plätzen hat es mich wahnsinnig gemacht. Nachts ging dann das Leuchten los. Am zweiten Tag war es sogar Mittags um zwölf noch da." Wie kann denn sowas passieren? „Ist es jetzt wieder besser?" Er nickt erleichtert. „Ich habe wieder die volle Kontrolle. Nur nachts leuchten sie noch."
Ich nicke langsam und versuche all diese neuen Informationen zu verarbeiten. Angespannt sehe ich zum Fenster. Es ist schon spät. Bald wird es dunkel. Ich bin froh, dass es erst Ende Sommer ist, denn im Winter fangen sie früher an blau zu strahlen. Es ist nicht besonders hell, nicht wie eine Taschenlampe die den Raum erleuchtet. Es ist bloß ein leuchtendes Blau, was sich über unsere Iris ausbreitet. Man sieht es nur, wenn man unsere Augen sehen kann. Ich kann es sogar manchmal unterdrücken oder etwas hinaus zögern, aber ich habe auch jahrelange Übung und Noah hat diese Möglichkeit nie gehabt. Da es langsam dunkel wird, sollte ich auch mal wieder rüber zu Lou gehen und endlich schlafen. Es ist bestimmt schon spät. „Heute Nacht wird wohl alles gut sein. Ich werde langsam mal rüber zu Lou gehen." Ich will aufstehen, aber Noah hält mich auf. „Lou braucht ein bisschen Ruhe und Zeit für sich. Du kannst die Nacht bei mir schlafen. Schätze du hast eh noch ein paar Fragen die ich dir beantworten soll." Ich sehe ihn mit einem schlechten Gefühl im Magen an.
Seine Rollladen gehen langsam getimed nach unten und ich bin so frei und ziehe sie wieder hoch. „Ich werde sie schon nicht wecken." Hinter mir höre ich ein Rascheln. „Lou hat einen leichten Schlaf." Als ich mich umdrehe liegt Noah bereits in seinem Bett und klopft neben sich. Ich mache ein paar Schritte nach vorne bis ich kurz vor ihm stehe und stemme meine Hände in die Seiten. „Du glaubst jetzt doch nicht ernsthaft, dass ich mich neben dich lege, wo ich dich erst seit ungefähr 2 Stunden kenne." Er lächelt mich nur an und sagt:„Du hast doch selbst gesagt ich soll dir vertrauen. Tja, das beruht auf Gegenseitigkeit." Verdammt. Er hat Recht. Ich bin schon im Schlafanzug und er praktisch auch schon. Schließlich hat er sich umgezogen als er nach Hause gekommen ist. Ich habe wohl keine andere Wahl. Nagut, wird schon nicht so schlimm sein. Lege ich mich halt neben ihn.
Ich bin eigentlich kein großer Freund von Nähe. Ich mag es nicht sonderlich so nah neben jemandem zu stehen oder zu liegen, wie ich das gerade tuh. Ich bin auch kein Freund von Umarmungen. So viel Körperkontakt ist nicht so meins. Ich nehme nicht gerne die Hand von anderen Leuten. Wenn ich sehe, dass Freundinnen von mir Hand in Hand herrum laufen, habe ich kein Problem damit. Wenn ich aber im Gottesdienst die Hand von meinen Nachbarn nehmen muss, dann stört mich das. Wenn Leute mich nur an tippen ist das voll ok. Wenn sie aber ihre Hand auf meinen Rücken legen, verkrampfe ich mich sofort. Ich hab schon versucht was dagegen zu machen, aber selbst wenn ich ganz entspannt bin klappt es nicht.
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„Deine Panik."
„Ja. Sieht wohl ganz so aus."
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Da ich Noah noch ein paar Fragen stellen wollte, drehe ich mich zu ihm und sehe ihn an. Er liegt ganz an der Wand um mir so viel Platz zu geben wie es geht. Ich liege ganz am Rand um so viel Platz zwischen uns zu schaffen wie es geht. Noahs Augen beginnen langsam zu leuchten und ich muss grinsen. Es wird dunkel draußen und das passiert das nunmal. Ich bin einfach froh, dass ich nicht die einzige Person mit diesen Problemen bin. Es ist nicht so leicht, das Leuchten vor anderen zu verstecken. Wenn das Licht an ist, leuchtet die Farbe nicht so intensiv, aber sobald meine Eltern das Licht ausmachen, leuchtet es ganz stark.
„Ok. Ich will verschiedenes wissen, aber als erstes: Wieso bist nicht runter gegangen um die Situation zu verhindern?" Ja ich kann die Sache nicht ruhen lassen. Will wissen was in diesem Haus wirklich vor sich geht. Er sieht mich länger an, aber redet dann endlich. „Ich kann Finn's Gedanken lesen. Immer wenn er da ist macht er das mit Lou. Ich hab dann irgendwann mal -ich weiß nicht mehr genau wann- nachgesehen. Ich bin davor immer dazwischen gegangen und hab ihn von ihr weg gezogen. Hab Lou hoch gebracht und Finn dann angeschrien. Er meinte dann immer, dass ich ihn nicht verstehe und das ich mich nicht einmischen soll. Als ich dann seine Gedanken gelesen habe, fand ich es immer noch nicht in Ordnung, dass er das mit Lou macht, aber ich hab wenigstens verstanden wieso."
„Und wieso?" Man er soll es endlich sagen. Ich bin viel zu neugierig um jetzt zu warten. „Er will sie nur schützen. Er hat Feinde und will nicht, dass sie Lou in die Finger bekommen. Er möchte nicht das Lou etwas passiert. Meiner Meinung nach, hätte er sich das vorher überlegen sollen, aber jetzt ist es zu spät. Er will nicht das Besuch kommt, weil er niemandem außer mir und seinen Freunden traut. Er will Lou nur vor allem schützen. Leider verletzt er sie damit immer. Er schreit sie an oder versucht ihr Angst zu machen. Seid dem er damit angefangen hat, ist Lou so ruhig und spricht so vorsichtig und leise. Ich hab Finn schon versucht zu überreden es zu lassen, aber er geht stur davon aus das es so das beste ist. Das er abgehauen ist, ist auch normal, weil er jedes Mal nach dem er ihr droht und sie anfängt zu weinen, Schuldgefühle hat. Er hasst es sie traurig zu sehen und er hasst es noch mehr, wenn er schuld ist." Ich sehe Noah ganz ungläubig an. So kam Finn gar nicht rüber. Bis jetzt habe ich ihn nur kurz gesehen, aber seine wenigen Taten und die wenigen Worte die ich von ihm mitbekommen habe, gaben mir so ein eindeutiges Bild von ihm, dass ich nie gedacht habe ich müsste es hinterfragen und dabei hinterfrage ich doch immer fast alles. Habe ich ihn so falsch eingeschätzt?
„Krass. Das heißt, er ist garnicht so gefährlich wie er sich verhält?" Man sagt ja immer auch gefährliche Leute haben einen weichen Kern. Ich hab eigentlich gedacht, dass das nicht so ist, sonst könnte man doch jeden Mörder davon abhalten jemanden um zu bringen. „Nein. Du solltest ihm so gut wie möglich aus dem Weg gehen. Lou hat nichts zu befürchten. Sie ist ihm wichtig. Jede andere Person, die er nicht kennt oder nicht leiden kann, sollte ihm wirklich nicht über den Weg laufen." Schade. Ich dachte das ist alles so leicht. „Ist nur schwer wenn ich mit euch wohne." Noah sieht mich erst nur erstaunt an, aber dann lächelt er wieder. Er hat wohl gedacht ich mache jetzt nenn Rückzieher. „Gut. Dann muss ich halt aufpassen, dass er dir nicht zu nah kommt." Ich glaube schon, dass ich Noah vertrauen kann, wenn er meint, dass er auf mich aufpasst. Trotzdem finde ich diese ganze Situation ziemlich komisch. Ich meine ja nur. Da sind zwei Leute, die Gedanken lesen können, aber nicht gegenseitig ihre Gedanken. Da ist ein leises verschlossenes Mädchen, was von ihrem gefährlichen Bruder "beschützt" wird und das alles an einem normalen Samstag, der so nichts ahnend angefangen hat und so eine krasse Wendung genommen hat. Was machst du nur wieder Schicksal?
„Ganz ehrlich Étoile? Ich bin nicht so eingebildet wie du vielleicht denkst und es tut mir leid, dass ich so misstrauisch dir gegenüber war." Ich schmunzle leicht. „Ich denke schon lange nicht mehr, dass du eingebildet bist und misstrauisch bin ich auch oft. Ich glaube umso mehr Gedanken man sieht, desto misstrauischer wird man. Kaum jemand scheint wirklich so zu sein wie er scheint." Noah nickt zustimmend. „Ich bin froh das wir uns gefunden haben. Mir fällt echt ein Riesen Felsbrocken von der Luge." Ich lache leise. Noah scheint wohl wirklich kein schlechter Mensch zu sein. Er ist richtig freundlich. „Haha. Schöne Wortwahl. Ich kann das eigentlich schon seit ich denken kann. Also bin ich so zu sagen dein Yoda und du bist mein junger Padawan. Noch viel lernen du musst junger Padawan. Eine interessante Zeit kommen wird." Wir lachen beide. Es ist krass diese blauen Augen bei jemand anderem zu sehen. Es steht ihm.
„Gut. Obwohl du ja wohl er Leia bist und ich Luke. Schließlich bist du nicht grün. Von der Größe würde es aber passen" Er lacht mich gerade wirklich aus. Super. Es sieht echt süß aus, wie er da liegt, mit seinem Kopf auf dem Arm und mich dabei so an lacht. Wie ein kleiner Junge, der sich freut, weil jemand mit ihm über StarWars redet. „Du bist fieß. Ich bin garnicht klein!" Jetzt muss er noch mehr lachen. Das hast du ja gut hingekrigt. Leider ist sein Lachen anstrengend und so lache ich mit. Mir Noah als Padawan vorzustellen ist aber auch ziemlich lustig.
„Schlaf schön Leia." Er lächelt mich an und dreht sich dann um.
„Du auch Luke." Ich drehe mich auch um und flüstere es ihm nur noch zuh. Ich bin so müde und es war nur so leise und trotzdem bin ich mir sicher das er es gehört hat und vor sich hin grinst. Noah ist ein guter Kerl und obwohl ich echt Angst vor Finn habe, freue ich mich irgendwie mit ihm zusammen zu wohnen. Mit Noah in einem Haus.
....
Ich werde wach von Noah, der auf dem Bett rum turnt. „Hey ich will schlafen." Ich bezweifle das er das gehört hat, weil mindestens 50% meines Satzes im Kissen verschwunden ist. Er geht zum Fenster und öffnet es. Sofort kommt ein kalter Windstoß herrein. „Man Noah. Mach das Fenster wieder zuh. Es ist Ende Sommer. Viel zu kalt draußen." Der letzte Satz wird wieder gierig von meinem Kissen verschlungen. Naja eigentlich ist es ja Noah's Kissen. Es riecht verdammt gut. „Hör auf am Kissen zu schnüffeln." Misst er hat mich erwischt. Ich bin total müde also ist es irgendwie logisch, dass ich ein Glucksen von mir gebe was sonst vielleicht ein Lachen gewesen wäre. „Es riecht aber so gut." Ich lache weiter leise vor mich hin. Wenn man das so nennen kann und sehe Noah zu wie er wieder ins Bett steigt. „Das ist nur das Waschmittel was so gut riecht." Ich drehe mich wieder mit dem Rücken zu Noah. „Tja. Dann sollte es dich nicht stören, wenn ich weiter an deinem Kissen rieche." Ich ziehe mir die Decke etwas höher, weil die Luft von draußen ziemlich kühl ist. „Ist mir egal woran du schnüffelst solang es kein Kleber ist."
„In Ordnung." Ich kuschel mein Gesicht wieder ins Kissen und versuche wieder ein zu schlafen. Ich brauche immer ganz schön lange um ein zu schlafen, deswegen hasse ich es wenn man mich weckt. Außer es ist an Übernachtungspartys und man nur geweckt wird, weil man gleich das Geburtstagskind anmalen darf. Plötzlich legt Noah seinen Arm um meine Taille und zieht mich zu sich. Ich hab ja schon gesagt welche Probleme ich mit zu viel Nähe habe. „Noah. Nich." Ich versuche mich wieder aus deinem Griff zu befreien. Leider funktioniert es nicht, da ich wenn ich müde bin keine Kraft habe. Noah verstärkt einen Griff nur noch mehr.
„Du zitterst die ganze Zeit und ich kann so nicht schlafen. Also bleib liegen." Achso. Dann macht er das damit mir warm wird. „Du könntest auch einfach das Fenster schließen." Ich merke wie sich mein Körper anspannt. Wenn er mich nicht bald los lässt könnte ich etwas in Panik geraten. Noah muss wohl auch bemerkt haben, dass mir das alles hier ganz und garnicht gefällt, denn er lockert seinen Griff wieder etwas. „Étoil. Beruhig dich. Ich mach doch garnichts." Naja außer das du mir viel zu nah bist machst du wirklich rein garnichts. „Ich hab einfach ein Problem mit Nähe. Das hat nichts mit dir zu tun." Noah lockert seinen Griff noch etwas mehr, lässt mich aber nicht los. „Versuch dich zu entspannen." Er bleibt ruhig und glaubt wohl wirklich, dass er mir helfen kann. „Noah, du bist nicht die erste Person die mir das sagt. So leicht ist das nicht."
Da ich aber wohl keine andere Wahl habe mache ich das was er sagt. Ich versuche mich auf meine Atmung und nicht auf seinen Arm zu konzentrieren. Noah streichelt mir mit seiner anderen Hand leicht über den Rücken, was es eigentlich schlimmer machen sollte, aber es beruhigt mich. Irgendwann hab ich mich überraschenderweise wirklich entspannt. Es hat lange gedauert, aber jetzt stört mich sein Arm nicht mehr. Ich genieße sogar etwas seine Berührung und die Wärme die von seinem Arm ausgeht. „Schlaf gut." Er verstärkt kurz seinen Griff und lässt dann schnell wieder locker. Er macht keine Anstalten seinen Arm wieder weg zu ziehen, worüber ich mich sogar etwas freue, weil mir jetzt nicht mehr kalt ist. Verdammt, wie konnte er mich so einfach beruhigen wo ich doch schon so oft versucht hatte mich nicht zu verkrampfen. Manchmal passieren viele komische Dinge auf einmal. Dieser kleine Rest der Nacht wird wohl kaum reichen um das, was heute alles passiert ist zu verarbeiten. Ob ich mich bei ihm besser entspannen kann, weil er so ist wie ich? Es auch kann?
Wenn ich mich wenigstens auf das was heute alles passiert ist konzentrieren könnte, aber leider denke ich nur an Noahs Arm der immer noch um meine Taille liegt und an Noah, der direkt hinter mir liegt und mir nicht erlaubt an Kleber zu schnüffeln. Irgendwann schlafe ich aber ein. Bestimmt mit einem Lächeln wegen dem Kleber Witz.