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K2 "Royal manners"

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Wenn ich jetzt im Nachhinein auf diesen Abend zurück Blicke, fühle ich mich beschämt und frustriert. Alle an diesem Tisch schienen mir so fremd zu sein und dabei hätte ich einfach nur ihre Gedanken lesen müssen um zu sehen, dass ich sie alle falsch eingeschätzt habe.

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Das ist der unangenehmste Ort an dem ich seit langem war. Ich fühle mich als würde ich in einem Glashaus sitzen. Nicht im modernen, schönen Style, sondern mehr wie in einem Terrarium.

„Es freut mich wirklich sehr sie kennen zu lernen und ich bin unglaublich dankbar, dass sie mir helfen wollen." Ich denke das habe ich schön gesagt. Lous Mutter lächelt bestätigend. „Das machen wir doch gerne. Bildung ist so wichtig zur heutigen Zeit und wenn man die Ressourcen hat, dann sollte man sie auch für andere nutzen."

Ich komme aus einer kleinen Stadt. Weit weg von jedem Shoppingcenter. Irgendwo in der Pampa. Meine Eltern sind hier hin gezogen als ich klein war. Erinnern kann ich mich daran natürlich nicht. Jetzt sitze ich vor diesen Menschen. Mitten in einer Stadt von der ich noch nie gehört habe, in einem Haus, was als Hotel durchgehen könnte. Neben mir meine Eltern, welche wahrscheinlich zusammen nicht genug Geld bei sich tragen um eine dieser goldenen Gabeln zu bezahlen.

Ich bin Einzelkind. Wir haben keine andere Wahl als hier zu sein. Wir haben nicht genug Geld für ein privat Internat, irgendwo am Arsch der Welt. Wir haben das Geld nicht, aber die Harris schon. Die Eltern meiner Freundin Lou haben sehr viel Geld. Sie sind die reichsten Menschen, die ich je getroffen habe und wahrscheinlich auch je treffen werde. Familie Harris reist hin und her und arbeiten hier und dort und überall wo sie hin reisen haben sie ein Haus. Ein Haus hier und ein Haus tausende Kilometer von hier und ein weiteres Haus so weit weg, dass man Stunden fliegen muss um es zu erreichen.

„Wir sind ihnen unendlich dankbar, für das was sie für unsere Tochter tun. Wenn wir uns irgendwie erkenntlich zeigen können, dann sagen sie das, bitte." Mein Vater hat Recht. Es ist wirklich unglaublich, dass sie bereit sind mich aufzunehmen für die letzten Schuljahre. In meinem Dorf kann ich nicht mehr bleiben. Seit ein paar Jahren ist es immer gefährlicher dort geworden. Immer mehr Jugendkriminalität. Es sind zu viele Menschen weggezogen und jetzt schließen viele Schulen. Darunter auch meine.

Wir hatten zwei Partenschulen. Die kleinste von den drei Schulen war die „Westwood". Seit knapp nem Jahr ist die jetzt schon geschlossen und alle ihre Schüler sind bei uns auf die Schule gekommen. Wir hatten ja genug Platz, weil so viele Familien weggezogen sind. Damals wollten meine Eltern auch wegziehen, aber es ging nicht. Wir hatten gerade erst unsere Wohnung abbezahlt, vom Umzug damals und ein neues Auto gekauft. Es war einfach kein Geld da. Mein Vater hat angefangen Überstunden zu machen, aber es hat alles nichts geholfen.

Eines Tages saß ich Mal wieder weinend auf dem Mädchenklo, als Lou mich gefunden hat. An dem Tag war ich sehr verzweifelt. Sie hatten gerade in der Aula verkündet, dass unsere Schule auch schließen würde. Das so wie damals mit der Westwood jetzt alle Schüler auf die dritte Partnerschule wechseln müssen. Eine Schule viel zu weit weg. Stunden von meinem Zuhause. Mit einem Schulgeld drei Tausend Euro pro Monat. Alles nur weil es wohl ein sehr nobles Internat ist. So viel Geld habe ich nicht. So viel Geld könnte meine Familie niemals aufbringen.

Lou hat mich dann lieb angelächelt und gesagt „Es wird alles gut. Ich hab da eine Idee." Mir war schon immer klar, dass Lou besonders herzlich und freundlich ist, aber wie weit sie wirklich gehen würde, habe ich nicht gewusst. Sie hat tatsächlich ihre Eltern um Hilfe gebeten und was noch komischer ist, die haben angeboten die Hälfte des Schulgeldes zu bezahlen. Eintausend fünfhundert Euro. Jetzt kommt noch das beste, damit ich nicht noch für das Wochenende bezahlen muss, weil viele Kinder normalerweise dann nach Hause fahren, darf ich bei ihnen wohnen. In einem ihrer vielen Häuser. Es hat mir wirklich die Sprache verschlagen, als ich das gehört habe. Ich darf wirklich einfach bei ihnen einziehen. Und dabei kennen sie mich doch gar nicht. Ihre einzige Priorität war mein Zeugnis. Als sie meine durchschnittlichen Noten gesehen haben, waren sie zufrieden genug und haben tatsächlich meine Eltern für ein Abendessen eingeladen.

Ein ziemlich komisches Abendessen. „Sind sie denn schon aufgeregt?" Ich nicke nervös. „Sehr sogar." Lous Mutter lacht leise. „Das sollten sie auch. Es wird ihnen gefallen." Ich habe mich zwar mit meinem Namen vorgestellt, aber wir sind beim Sie geblieben. Das hat Miss Harris sich so gewünscht.

Familie Harris ist mir ein großes Rätsel. Lou erzählt kaum was von sich und ihrer Familie. Ich weiß nur, dass Lou in England geboren ist, deswegen sage ich auch immer Miss Harris und nicht Frau Harris. Lou hat mir auch Mal in der Cafeteria erzählt, dass sie und ihre Muter vegan leben. Das war's dann auch schon. Mehr hab ich nie erzählt bekommen. „Es tut mir übrigens sehr leid, dass Lous Brüder heute nicht erschienen sind. Sie sind mit wichtigen Schularbeiten beschäftigt und konnten es wie es aussieht leider nicht einrichten vorbei zu schauen."

Miss Harris spricht zwar in einem äußerst freundlichen Ton, aber ihr Blick starrt fast schon ermordend auf die zwei leeren Plätze. Das gold-rote Gedeck liegt unbenutzt da. Sie war also davon ausgegangen, dass sie auftauchen würden. „Sie werden bestimmt noch vorbei kommen." Grummelt Lous Vater. Er ist wie in diesen Serien. Gut aussehend für sein Alter, aber wenig gesprächig. Er hätte wohl lieber kein Abendessen geplant gehabt für heute.

„Es hätte mich gefreut sie kennen zu lernen, aber die Klausuren sind natürlich wichtiger." Miss Harris lächelt nickend. „Sie werden sie ja noch früh genug kennen lernen, wenn sie zusammen wohnen." Ich sehe zu Lou rüber, welche leicht unter den Tisch gerutscht ist, als würde sie versuchen sich zu verstecken. In meinen Augen ist sie immer ein Einzelkind. Das hat für mich immer erklärt wieso ihre Eltern so versessen darauf sind, dass sie perfekt ist. „Haltung, Schatz." Und da ist es schon wieder. Lou setzt sich wieder richtig hin.

Plötzlich klingelt es an der Tür. Mister Harris sieht von seinem Lammfilet auf. „Das werden sie sein." Erst wundere ich mich, wieso niemand die Tür aufmachen geht, aber dann sehe ich eine Dame vom Personal im Flur verschwinden. Ich würde niemanden dafür bezahlen meine Haustür zu öffnen. Entweder stehe ich selbst auf oder ich würde den Jungs einfach einen Schlüssel geben. Das ist doch Geldverschwendung.

„Da bist du ja. Und wieso klingelst du? Du hast doch einen Schlüssel." Ich sehe hoch und blicke in zwei orange braune Augen. Schnell sehen wir beide weg. Das war jetzt unangenehm. „Hab meinen Schlüssel vergessen." Der Junge -definitif älter als ich- läuft sichtlich genervt zum Tisch und setzt sich auf den hinteren freien Platz. Damit sitzt er Lou gegenüber, obwohl er zu seiner Mutter hätte aufrutschen können. Jetzt ist zwischen den beiden eine Lücke. Ein freies Gedeck direkt vor mir.

Der Typ scheint mich also jetzt schon nicht leiden zu können. Langsam verstehe ich immer mehr wieso Lou nichts gesagt hat. Mit einem weiteren Blick zu ihm rüber, wird mir so einiges klar. Er sieht nicht aus als hätte er bis gerade noch Schularbeiten gemacht. Mehr als wäre er bis jetzt in einer Bar gewesen. Seine Braunen Haare hängen skeptisch in seine Stirn, während er wütend auf seinen Teller starrt.

„Noah, wo ist dein geliebter Bruder?" Miss Harris wird immer schlechter darinnen ihre Gefühle zu verstecken. Diese Frau hat eindeutig zu viel Temperament. „Was weiß ich. Er sagte, dass er hier sein wird, also ist er bestimmt auf dem Weg." Noah hört sich nicht überzeugt an. Mehr so als würde er sich über die Gutgläubigkeit seiner Mutter lustig machen.

Ich sehe verwirrt zu meiner Mom rüber, aber sie sieht nur streng von meinem Gesicht auf meinen Teller. Das heißt wohl, dass ich einfach essen soll. Nagut, dann sag ich eben nichts. Wir müssen hier schließlich einen guten Eindruck machen und egal was ich sage, es macht entweder Noah oder Miss Harris wütend auf mich. Beides wäre nicht besonders vorteilhaft geschweige denn vorausschauend.

Ein Telefon klingelt und ich sehe wieder auf. Ja, ich soll mich aufs Essen konzentrieren. Ich weiß. Mister Harris entschuldigt sich mit den Worten: „Die Arbeit schläft nie." und geht dann schon mit dem Handy am Ohr aus dem Zimmer. Ich höre nur noch: „Yes, Mister Brown. Yes, yes."

Als ich dann wieder zu Miss Harris gucke, lächelt sie wieder mit ihren perfekten Zähnen, als wäre nichts. Diese Frau hat echt Power. Sie leitet ein ganzes Business, also wieso sollte sie auch nicht. „Auch wenn Noah heute zu spät hier ist, musst du dir keine Sorgen machen. Er ist normalerweise sehr zuverlässig und er ist auch schon achtzehn." Ja, weil er 18 ist kann ja nichts schief gehen. Ha ha.

„Darüber wollte ich mit ihnen noch reden. Ich habe nicht ganz verstanden wie meine Tochter zur Schule kommen wird. Gibt es einen Bus oder fahren sie immer mit dem Zug?" Und dann lacht Miss Harris. „Nein, nein. Das wäre mit dem Koffer doch viel zu anstrengend, Frau Champagn. Noah wird sie fahren. Er hat einen Führerschein und einen Wagen. Er ist ein sehr sicherer Fahrer, sie brauchen sich keine Sorgen machen."

Meine Mutter nickt freundlich. Sie macht sich so oder so Sorgen. Es gefällt ihr gar nicht, dass ich gehen soll. Schon seit Wochen sucht sie nach einem Haken an der Sache um dagegen zu argumentieren. Nur mein Vater erklärt ihr dann immer wie wichtig es ist, dass ich diese Chance nutzen kann. Besonders, weil der Unterricht auf dieser Schule viel besser sein soll, als auf meiner alten.

„Meine beiden Jungs gehen schon seit Jahren auf die „Winterfeld" und sie kennen sich dort schon sehr gut aus. Ihre Tochter wird sich schnell dort einleben." Jetzt darf ich mit Lous Brüdern auf eine Bonzenschuhle gehen, aber Lou ist nicht Mal da. Sie geht nach England, auf ein Mädchen Internat. Die Idee gefällt mir gar nicht. Ich werde sie vermissen. Besonders nachdem wir in den letzten Wochen durch die ganze Planung so viel Zeit zusammen verbracht haben. Ihre Eltern habe ich erst heute kennen gelernt. Sie waren die letzten Wochen unterwegs. Wo genau weiß ich nicht, aber Lou hat Mal was von „drei Tage Dubei" erzählt.

Auch wenn das Haus so groß ist, können wir doch hier im Esszimmer ein paar Geräusche hören. „Und machen sie sie nicht wieder sauber. Ich will sie nicht morgen wieder in der Reinigung haben." Und dann läuft ein weiterer Typ ins Esszimmer. Jünger, genervter und zugegeben noch ein kleines Stückchen heißer. Ja, Noah sieht gut aus. Bis jetzt habe ich mir nicht erlaubt das zu denken, weil er Lous Bruder ist, aber jetzt war ich eben kurz unaufsichtig.

„Finn, setzt dich und lerne Étoile kennen." Der Junge läuft langsam zum Tisch, setzt sich hin und sieht mich kurz an. Ich kriege von ihm jedoch nur ein trockenes „Hi." und dann wittmet er sich sichtlich unbeeindruckt dem Essen. Dieses Personal ist so schnell. Gerade war noch kein Essen da und schon steht da ein Teller voller Klöße, Rotkohl und Lammfleisch vor ihm. Da hätte ich fast vergessen zu erwähnen wie gelähmt ich jetzt hier sitze.

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Jap, da hab ich das zweite Mal seine Augen gesehen. Diese beschissenen blauen Augen.

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„Das Essen ist wirklich unglaublich lecker, Miss Harris." Sie lacht leise. Wahrscheinlich weil ich "Miss" gesagt habe. Miss Harris und Lou haben natürlich auch kein Fleisch auf ihrem Teller, sondern essen irgendwas anderes stattdessen. Schwer zu identifizieren was es eigentlich ist. Ich sollte mich mal zusammenreißen. Gerade ist das bloß nicht so einfach. Er sitzt schließlich direkt vor mir, scheint mich jedoch nicht wiedererkannt zu haben.

„Das gebe ich an die Küche weiter." Tut sie bestimmt eh nicht. Bei so viel Personal, weiß sie wahrscheinlich nicht Mal, wer das Essen eigentlich gekocht hat. Ich nicke aber bloß freundlich. Dann kommt auch endlich Mister Harris zurück. Er entschuldigt sich für seinen Anruf, wirft seinem neu eingetroffenen Sohn einen wütenden Blick zu und setzt sich dann wieder. Ich kann nicht glauben, dass der grimmige vor mir schon vergessen hat wer ich bin und gleichzeitig wäre es auch komisch hätte er es nicht vergessen. Es ist schließlich schon Tage her, dass wir uns an der Bushaltestelle über den Weg gelaufen waren. Ich muss damals recht gehabt haben. Er hatte mich wirklich abwertend angesehen.

„Was habe ich verpasst?" Und dann schnellen Miss Harris Augenbrauen nach oben, wie der schnellste Aufzug der Welt. Lichtgeschwindigkeit ist nichts dagegen. „Nicht viel. Finn wollte uns gerade erzählen, wieso er so unpünktlich ist. Er hat sicher einen guten Grund." Und dann sieht sie abwartend zu ihrem Sohn. Es wäre mir wirklich lieber, wenn sie ihre Familienprobleme wann anders besprechen könnten. So viel wie ich weiß, sind Lous Eltern aber nur bis morgen früh hier. Dann geht es nach Frankreich hat sie gesagt. Das muss echt mies sein, wenn die Eltern nie da sind. Sie sind ja auch heute morgen erst zurück gekommen.

„Ich war lernen." Er gibt sich nicht Mal Mühe. Wow. Ich blicke mich um. Alle sind angespannt, selbst meinen Eltern ist diese Situation unangenehm. Ganz hinten am Tisch sitzt Noah und dem scheint es gut zu gehen. Der schiebt sich gerade ein großes Stück Kloß in den Mund und lächelt dabei schadenfroh vor sich hin. Die beiden scheinen sich nicht besonders leiden zu können. „Und was hast du gelernt?" Finn atmet tief durch und legt dann sein Besteck hin. Er stützt seine Ellenbogen auf den Tisch und legt seine Hände zusammen. „Genmanipulation, ein paar Thesen von Kant und Kurvendiskussion mit dem Taschenrechner." Seine Mutter sieht ihn überrascht an. Das scheint sie wirklich nicht erwartet zu haben und ich auch nicht.

„Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich muss noch Englisch Hausaufgaben machen." Und damit steht er ohne mich oder meine Familie noch Mal anzusehen auf und verschwindet so überraschend wie er vor wenigen Minuten aufgetaucht ist. Hinterlassen tut er nur einen halb leeren Teller. Der muss aber geschlungen haben. Noah isst dabei ganz gelassen weiter vor sich hin, bis er bemerkt, dass ich ihn ansehe. Seine Augen treffen erneut auf meine und dieses Mal sehen wir nicht direkt wieder weg.

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Und jetzt versuchen wir Mal wieder zu erklären was ich kann, ohne komplett wahnsinnig zu wirken.

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Ich kann seit ich denken kann Gedanken lesen. Ich bezeichne es eigentlich nie so, weil es sich immer komisch anhört und es nicht wirklich so funktioniert, wie sie das in irgendwelchen Geschichten immer darstellen. Es ist ganz leicht zu verstehen eigentlich. Die Augen sind wie ein Tunnel und wenn ich mich anstrenge, kann ich durch diesen hindurch zu gehen. Fast so wie wenn man ein Wimmelbild hat und man nur wenn man ganz nah ran geht, plötzlich diese ganzen kleinen Details sieht. So ähnlich ist das bei mir auch. Ich sehe in seine Augen und ehe ich mich versehe, tauschen alle diese kleinen Dinge auf. Das wonach ich gesucht habe, ist dann in meinem Kopf als wären es meine eigenen Gedanken oder meine eigenen Erinnerungen. Ich sehe diese Dinge dann genau so, wie jeder andere seine eigenen Erinnerungen abrufen kann. Es ist wirklich nichts besonderes mehr für mich.

Dieses Mal lasse ich ihn aber in Ruhe. Es gefällt mir nicht, einfach die Privatsphäre eines anderen zu missachten und in dessen Gehirn herum zu kraben als wäre es ein Lexikon. Ich sehe also als erstes wieder weg, weil ich früher oder später immer ausversehen in den Gedanken anderer lande, wenn ich ihnen zu lange in die Augen sehe und weil es mir etwas zu riskant ist entdeckt zu werden. Immer wenn ich meine kleine Fähigkeit einsetze, fangen meine Augen an zu glänzen. Irgendwer meinte Mal es wäre ein lilaner Schimmer, aber das kann ich nicht bestätigen. Wie sollte ich auch? Ich kann meine Augen nicht zum Glänzen bringen, wenn ich mich ansehe, so funktioniert kein Spiegel um es selbst zu sehen. Ich hab auch nicht vor jemals jemanden davon zu erzählen, also kann auch keiner für mich ein Foto machen. Das ganze auf einem Bild zu sehen wäre mir auch zu riskant. Nicht das es irgendwo landet und jemand mit genug Fantasie sich da irgendwas zusammen reimt.

Das restliche Essen verlief dann friedlicher. Noah haute auch irgendwann wieder ab. Meine Eltern stellten noch ein paar Fragen. Dann fuhren wir drei Stunden bis nach Hause und ich legte mich ins Bett. Finn war nicht mehr herunter gekommen. Kurz bevor wir gingen kam sogar eine Bedienstete in den Saal und meinte Finn habe das Gebäude verlassen. Das ganze finde ich immer noch ziemlich rätselhaft schließlich sind seine Eltern nur einen Tag hier und anstatt sie zu sehen, verschwindet er einfach. Fast so als wäre er extra gegangen bevor meine Eltern und ich wieder gefahren sind nur um nach dem Essen nicht mit seiner Familie allein zu sein. Ob Noah auch das Gebäude verlassen hat nachdem wir uns verabschiedet hatten? Erzählt Lou deswegen kaum etwas über ihre Familie? Wohnt sie alleine, weil ihre Brüder so unzuverlässig sind?

Ich bin 16 und meine Mutter hätte mich niemals einfach alleine im Haus von Lous Eltern wohnen gelassen, aber wir gingen immer davon aus, dass dort den ganzen Tag irgendwelche Angestellten wären. Das sie dort vielleicht auch wohnen würden. Schließlich besitzt die Familie viele teure Häuser und die können ja nicht einfach Monate lang unbewohnt sein, dort würde doch sonst direkt jemand einbrechen und es würde erst Wochen später auffallen. Dazu muss dort geputzt werden und geheizt und die Pflanzen müssen gegossen werden. Dann hatte Lou mir ja auch gesagt, dass ihre Brüder auch da wären und dann hat sich meine Mutter ehr weniger Sorgen gemacht. Ganz anders als mein Vater, der bei dem Gedanken daran, dass ich bald mit zwei Jungs alleine wohnen werde angefangen hat mir den warnenden Blick zu geben. Immer und immer wieder. Ich kann den ‚Werd bloß nicht schwanger!'-Blick langsam nicht mehr sehen.

Müde frage ich mich wie mein neues Zuhause wohl aussehen wird. Immer wenn ich an das nächste Schuljahr gedacht habe, stellte ich mir eine kleine Wohnung vor, aber jetzt wo ich schon zwei der Anwesen der Harris Familie gesehen habe, kann ich mir eine kleine Wohnung wohl abschminken. Es wird wahrscheinlich ein ganz clean eingerichteter Kasten sein. Groß, mit weiten Fenstern und hohen Decken. Viel Platz, aber bestimmt minimalistisch eingerichtet. Die Familie sieht nicht so aus als würden sie auf alte Möbel stehen. Keins der beiden Anwesen war besonders dunkel oder bunt eingerichtet. Mehr weiß und kalt.

Im ersten Haus, da wo ich zum ersten Mal Lou besucht habe, haben sie einen mint farbenen Teppich über alle Treppen des Hauses gelegt. Mit allen Treppen meine ich zwei schmale, aber unendlich lang wirkende Treppen and jeder Seite des Hauses. Der Teppich erstreckt sich weiter über die Mamorfliesen in jedem Flur bis zu Lous Zimmer. Es ist anders als alles was ich je gesehen habe.

Heute waren wir in einem größeren Haus. Es hatte runde Torbögen, selbst für die Haustür. Es ist eindeutig ein Altbau gewesen mit wahrscheinlich noch den originalen goldenen Türen drinnen. Wir saßen auf unbequemen schnörkeligen Stühlen, auch in Gold in einem großen Saal. Der ganze Boden war brauner stein, welcher unter den großen Kronleuchtern gold gefunkelt hatte. Dieser Raum hätte ein Teil des Palastes von „Die Schöne und das Biest" sein können, hätten sie nicht alle Wände weiß gestrichen und jede weitere Dekoration entfernt. Da waren nur wir, der Tisch und die zwei Kronleuchter. Keine Bilder an der Wand, keine weiteren Möbel außer die nötige Anzahl von Stühlen und nicht mal ein Teppich wie im anderen Haus. So schön der Saal auch gewesen sein Mag, er hatte keine Geschichte. Es sah so aus als hätten sie den Tisch nur heute dort für uns aufgestellt. Als sei das Haus sonst vollkommen leer.

Das alles macht schon Sinn. Bis wir die Schule verlassen müssen lebt Lou in dem Haus mit dem grünen Teppich. Ob ihre Brüder in den Ferien auch dort sein werden weiß ich nicht. Sie gehen ja auf das Internat und das ist fünf Stunden von meinem Dorf entfernt. Doch es ist eine grausame Vorstellung, dass Lou immer alleine mit den Angestellten wohnt, wenn ihre Eltern nicht da sind und dann kann sie doch nicht auch noch in den Ferien alleine sein, wo ihre Brüder doch frei haben und nicht so weit weg wohnen müssen. Ich hoffe wirklich, dass sie Lou nicht die ganzen Wochen kurz vor ihrem Umzug nach England dort alleine wohnen lassen.

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