Das Zittern der Welt
Das Treffen des Kreises
Sylvandor lag im warmen Licht der Morgensonne, doch die Atmosphäre im großen Versammlungssaal des Kreises des Gleichgewichts war angespannt. Eldara stand am Kopf des langen Tisches, ihre scharfen Augen blickten in die Runde der versammelten Wächter. „Etwas hat sich verändert,“ begann sie mit ihrer ruhigen, aber eindringlichen Stimme. „Die Sterne bewegen sich nicht zufällig. Ein Ruf ist erklungen, und die alten Kräfte sind erwacht.“ Kira, die inzwischen eine der Anführerinnen des Kreises war, verschränkte die Arme. „Du hast davon gesprochen, Eldara, aber niemand weiß, was das bedeutet. Sind es die Schatten? Oder eine neue Form des Lichts?“ Eldara schüttelte den Kopf. „Weder noch. Ich spüre, dass es etwas anderes ist. Eine dritte Macht, die sich erhebt.“ Kael’thar, der majestätische Drache, neigte seinen Kopf. „Wenn diese Macht nicht Licht oder Dunkelheit ist, was ist sie dann?“ Eldara öffnete ein Buch, das sie immer bei sich trug – eine Chronik der ältesten Prophezeiungen, geschrieben in einer Sprache, die nur wenige lesen konnten. „Die Texte sprechen von einer Zeit, in der die Welt von einem dritten Element geprüft wird. Einer Kraft, die weder erschaffen noch zerstört werden kann. Es wird der Kern genannt. Und seine Erweckung könnte das Gleichgewicht, das wir so mühsam bewahrt haben, vollständig vernichten.“ Ein Raunen ging durch die Runde. „Wo ist Danny?“ fragte Kira schließlich. Eldara sah sie ernst an. „Wir wissen es nicht. Aber wir müssen ihn finden. Wenn jemand die Kraft des Kerns verstehen kann, dann er.“
Dannys Vision
Währenddessen, fernab von Sylvandor, wanderte Danny durch einen dichten, nebligen Wald. Das Sternenfeuer in seiner Brust pulsierte unruhig, und in seinem Geist hallte immer noch der Ruf wider, den er in jener Nacht gehört hatte. „Die Welt hat geschlafen. Jetzt wirst du sie prüfen.“ Die Worte waren nicht klar, aber sie fühlten sich unendlich alt an, als kämen sie von den Wurzeln der Erde selbst. Plötzlich hielt er inne. Vor ihm öffnete sich der Wald, und ein riesiges, leuchtendes Gebilde ragte in den Himmel. Es war ein Monolith, aus einem Material, das weder Stein noch Metall war. Es schimmerte, als ob Licht und Dunkelheit darin gefangen wären. Danny trat näher, das Sternenfeuer flackerte heftig. Der Monolith begann zu summen, und dann hörte er eine Stimme – eine Mischung aus Hunderten, die in perfekter Harmonie sprachen: „Du hast das Gleichgewicht gewahrt, aber bist du bereit, es zu opfern?“ „Was meinst du?“ fragte Danny laut. „Das Gleichgewicht ist nur ein Zustand. Die Wahrheit liegt im Kern. Komm, Hüter, und finde die Antwort.“ Mit einem lauten, krachenden Geräusch verschwand der Monolith, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Danny stand alleine da, das Echo der Worte in seinem Kopf. „Der Kern…“ flüsterte er. Er griff nach der Sternenlichtklinge an seiner Seite. „Ich muss zurück. Der Kreis muss das wissen.“
Der Ruf der Erweckung
Zur gleichen Zeit kehrte in Sylvandor ein Kundschafter zurück. Er stürzte keuchend in den Versammlungssaal, sein Gesicht vor Angst blass. „Die Erde… sie bebt,“ keuchte er. „Im Norden… etwas erwacht.“ Kira stand auf. „Was genau?“ „Ein Licht, das durch die Dunkelheit schneidet,“ sagte er. „Und ein Lied, das nicht verstummt. Es ist wie ein Ruf. Die Menschen dort können es spüren, aber sie verstehen es nicht.“ Kael’thar schnaubte, Rauch stieg aus seinen Nüstern. „Ein Ruf der alten Kräfte. Es beginnt wirklich.“ Eldara nickte langsam. „Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist.“ „Und was ist mit Danny?“ fragte Kira.
„Wenn er noch lebt,“ sagte Eldara, „wird er uns finden.“
Die Entscheidung
Danny war bereits auf dem Weg zurück nach Sylvandor. Jeder Schritt schien ihn näher an das Geheimnis zu bringen, das ihn verfolgte. Er wusste, dass der Monolith nicht das letzte Zeichen sein würde. Als er die Lichter von Sylvandor am Horizont sah, spürte er eine seltsame Erleichterung. Doch in seinem Inneren wusste er, dass die Welt niemals wieder so sein würde wie zuvor. Der Kreis des Gleichgewichts erwartete ihn bereits. Kira lief ihm entgegen, ihre Augen voller Sorge. „Wo warst du?“ fragte sie. „Ich habe es gesehen,“ sagte Danny knapp. „Etwas hat sich bewegt. Etwas, das älter ist als Licht und Dunkelheit. Und ich glaube, es testet uns.“ Kael’thar trat vor. „Dann haben wir nicht viel Zeit. Der Ruf des Kerns wird stärker. Was auch immer es ist, wir müssen bereit sein.“ Danny nickte. „Dann bereiten wir uns vor. Denn was kommt, wird mehr sein als alles, was wir je gekannt haben.“ Die Sternenlichtklinge in seiner Hand leuchtete kurz auf, und im Herzen der Erde begann die Macht des Kerns zu erwachen.