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Kapitel 5

Der fremde Mann blieb vor uns stehen, die Lehrer reihten sich hinter ihm auf und alle musterten uns kritisch, freundlich oder desinteressiert. Auch Frau Grace war neben dem Typ, doch anstelle ihres gelben Sommerkleides trug sie jetzt eine dunkelblaue Stoffhose, darüber eine strahlend weiße Bluse, die ihr helles Haar zur Geltung brachte.

"Ich heiße euch Herzlich Willkommen in unserer Schulgemeinde, unserem Rudel" begrüßte uns der blonde Lehrer und setzte ein strahlendes Lächeln auf. "Ich bin Direktor Collins und gleichzeitig euer Alpha, während eurer Schulzeit hier" verkündete er und wartete, bis das aufkommende Murmeln wieder verstummte. "Einige von euch mögen schon wissen was kommt, aber denen von euch, die vielleicht noch nicht solange von ihrer zweiten Gestalt wissen, will ich es nochmal erklären. Ja, wir sind Wölfe, weshalb unsere Regelungen auch etwas anders sind, aber daran werdet ihr euch mit Sicherheit gewöhnen", um seine Worte zu bekräftigen lächelte er aufmunternd "Ich will das ihr wisst, dass wir hier eine Gemeinschaft, ein Rudel, eine Familie bilden und ich Loyalität und Teamgeist wertschätze, wir sind teils Wölfe und teils Menschen, und unsere Art steht für Zusammenhalt und Ordnung. Darum werdet ihr jetzt offiziell mit einer Zeremonie aufgenommen und gleichzeitig eingeschult. Es gibt drei Rudelgruppen, um euch aufzuteilen. Was nicht heißt, dass wir am Ende Konkurrenten sind, es dient eher dazu um eure individuellen Eigenschaften zu fördern" rief er klar und deutlich, machte mit einem nicken einen Schritt zurück. Daraufhin trat Frau Grace zusammen mit einer kleinen, pummeligen Frau nach vorne. Erstere hielt eine Schriftrolle in der Hand, letztere eine Schüssel mit Pulver. Ich runzelte die Stirn und folgte ihnen mit dem Blick. Ich spürte wie eine heiße Welle der Aufregung durch meine zukünftigen Mitschüler fegte, die mich bildlich schwanken ließ. Was auch immer jetzt passierte, es bedeutete ihnen viel. Also trat ich wieder etwas näher, schob den Gedanken einer Sekte zur Seite und wartete von der Neugier gepackt darauf, was nun kommt. Die farblich aufgeteilten Lykanthropen kamen ebenfalls in Bewegung und einige schienen es nicht abwarten zu können. Frau Grace räusperte sich und stellte sich unter die Weide.

"Ich rufe euch jetzt auf und dann kommt ihr zu uns beiden. Sobald ihr euch unterworfen habt bekommt ihr die Markierung und werdet in eurer Rudelgruppe aufgenommen" erklärte sie ernst, ihre Augen funkelten feierlich.

"Jay Christopher", ein kleiner, schlaksiger Junge löste sich aus der Menge und schlich unsicher auf die Lehrerinnen zu. Die pummelige Frau, mit den wilden, kastanienbraunen Locken, die von einem safrangelben Band zurückgehalten wurden, lächelte warm.

"Komm her. Du musst nur auf ein Knie gehen und dein Kopf senken, damit du dich dem Alpha gegenüber unterordnest, keine Angst" schnurrte sie sorglos. Der Junge nickte, seine braunen Stirnlocken wippten auf und ab und verbargen seine Augen. Vor den beiden angekommen tat er wie geheißen und kniete sich auf einem Bein hin, dann nahm er einen unterwürfigen Ausdruck an und senkte sein Haupt. Irgendwie wirkte das wie in einem schlechten Film, wann ging man heutzutage noch vor jemanden auf die Knie? Auch wenn er sich als Alpha bezeichnete. Trotzdem versuchte ich meine Missbilligung nicht zu zeigen und beobachtete weiter.

"Jay Christopher, hiermit gehörst du der St. Wolfram an, bist ein Mitglied unseres Rudels. Wir heißen dich willkommen" verkündete Frau Grace, alle anderen wiederholten den letzten Teil und eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Das war alles zu unheimlich, auch wenn ich Horrorfilme eigentlich mochte. (Trotz meines Alters schaute ich die heimlich, ich liebte es einfach) Dann tunkte die Frau, deren Namen ich noch nicht kannte, einen Finger in die Schüssel. Als sie ihn herauszog, zog sich weißer Puder darüber, mit dem sie ein Symbol auf seine Stirn zeichnete. Ein ovaler Kreis mit einer senkrechten, kleinen Linie in der Mitte. Es sah aus wie ein Auge. Das Auge eines Wolfs. Was bedeutete das? Kurz darauf fand ich es heraus, denn eine uralte Macht ballte sich über unseren Köpfen zusammen und ließ mich zusammenzucken. Es wurde merklich kühler und jede Zelle meines Körpers schien zu vibrieren, als sich die Farbe auf Jays Stirn veränderte und einen dunkelblauen Farbton annahm. So blieb es fünf Sekunden, verblasste wieder, zusammen mit der fremden Macht, bis nichts mehr übrig war. Nicht einmal ein Hauch des weißen Pulvers. Meine Kinnlade klappte herunter und beide Lehrerinnen lächelten.

"Du gehörst zu den Callidor" verkündeten sie und die blau gekleideten fingen an zu jubeln. Jay blinzelte, stand langsam auf und schaute sich ungläubig um, kniff sich in die Nasenspitze und ging dann kopfschüttelnd zu der jubelnden Seite. Als könnte er selbst noch nicht realisieren was passiert ist. Mir ging es genauso. Ich vergaß meine Angst und verfolgte die Zeremonie immer aufgeregter. Durch sie erfuhr ich, dass der schwarzhaarige Junge aus dem Bus Dylan hieß, er kam zu den Cursor. Seine Freundin hieß Alice landete bei den Callidor. Daneben gab es noch die dunkelgrün gekleideten, die die Princeps bildeten. Die Princeps war eindeutig die kleinste Gruppe, weshalb ich mich fragte ob sie besonders waren oder zu unbeliebt.

"Akemi Anderson" schallte mein Name über den Hof und augenblicklich vergaß ich alle meine Gedanken. Sie schoben sich in den Hintergrund und mein Kopf fühlte sich wie leergefegt an. Schlagartig fing meine Herz an zu rasen und meine Angst vor so vielen Leuten kehrte zurück. Mit wackelnden Beinen stakste ich zu dem Platz unter der Weide und blieb vor den Frauen stehen. Mit Sicherheit könnte jeder meine Angst riechen und mein unkontrollierten Puls hören. Und das erfüllte mich mit Scham, dennoch schluckte ich, kämpfte gegen meine Panikattacke an und kniete wie die anderen nieder, senkte hastig den Kopf und schaute auf einen hellgrauen, verkratzten Pflasterstein, zwischen dessen Ritze vereinzelte Grasbüschel wuchsen.

"Akemi Anderson, hiermit gehörst du der St. Wolfram an, bist ein Mitglied unseres Rudels. Wie heißen dich willkommen" wiederholte Frau Grace die rituellen Worte, während ich mein Kopf gesenkt ließ. Erst als Frau Chapman, wie die Frau neben ihr hieß, ihren Finger in das Pulver drückte, hob ich meinen Kopf leicht und strich mein Haar zur Seite. Das Pulver fühlte sich trocken und seltsam auf meiner Haut an, als man mir das Symbol aufzeichnete. Die Macht schwoll wieder an, drückte schwer auf meine Kopf und ich biss die Zähne zusammen, um meinen Kopf oben zu halten. Dann verschwand es wieder, am liebsten würde ich auf meine Stirn gucken und was dort leuchtet, aber es war nicht möglich. Dementsprechend musste ich auf Frau Chapmans Verkündigung warten. Diese lächelte sanft.

"Cursor", die schwarz gekleidet Gruppe jubelte abermals, ein bisschen schwächer, da ich eine der letzten war und die Zeremonie sich dem Ende zuneigte, doch trotzdem erfreut. Ein zaghaftes Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht auf als ich Aufstand und auf mein Rudel für die nächsten fünf Jahre zuging.

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