Kapitel 4
Pov. Luka
Ich schloss schnell die Tür hinter mir und ließ das Handtuch achtlos auf den Boden fallen. Schnappte mir eine Jogginghose und ein lockeres T-Shirt und zog alles schnell über. Als plötzlich eine Nachricht auf Jonas Handy erschien, das ich immer noch bei mir trug. Sie war von einem mir unbekannten Typen. Er hieß Leon - mit Herzchen - und schreib:
Was machst du heute, Lust dich zu treffen.
Dahinter kam dieser pedo Emoji. Irg.
Was auch immer das bedeuten sollte. Also imprinziep konnte ich erahnen was es bedeuten könnte... aber das wäre absurd. Das hätte er mir gesagt. Weil wenn ich so drüber nachdachte fiel mir doch ein Leon ein, ein einziger. Leon Mann und noch nie war ein Name weniger Ironisch gewesen. Leon war klein, blond lief ausschließlich mit pinken, glitzernden Einhorn-T-Shirts rum und war definitiv zu 100% stock schwul.
Und von ihm so eine Nachricht zu bekommen konnte nur eins bedeuten. Aber das hätte er mir gesagt... er war nicht... Nein! Das hätte er auf jeden Fall zu mindestens erwähnt... und wenn auch nur im Nebensatz, aber er hätte es erzählt. Und er stand halt nicht auf so was...
Ich war wie in einer starre Gefangen. Ich konnte mich nicht bewegen und ich konnte es vor allem nicht glauben. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen als es plötzlich an der Tür klopft. "Ey bist du noch am Leben? Bist schon fast ne Stunde oder so weg", fragte Jona. Ich merkte erst jetzt, das der Display schon längst schwarz geworden war und ich einfach nur ins nichts starrte. Ich schüttelte meinen Kopf als wollte ich meine Gedanken wie eine lästige Fliege vertreiben.
Ich griff nach der Türklinke, verfehlte sie knapp und stieß meinen kleinen Finger und rannte zudem gegen die geschlossene Tür, da ich in Erwartung durch eine offene Tür treten zu können schon einmal im voraus nach vorne gegangen war. Aua.
Kinder eine Empfehlung macht das nicht nach, weil - auch wenn es kaum vorstellbar ist - es mehr wehtut sich den kleinen Finger zu stoßen als den kleine Zeh. Ich wiederhole AUA!!!
Jona hörte das Geklapper, dann das stöhnen von mir und fragte als einzig logische Schlussfolgerung drauf: "Holst du dir gerade einen runter?"
Leicht genervt verdrehte ich die Augen - was sehr viel brachte, da er das ja auch sehen konnte, aber wozu konnte er Gedanken lesen. "Ja man, du hast mir gerade den Höhepunkt versaut", gab ich ironisch von mir. Und öffnete die Tür - dieses mal richtig. Yay!
"Ich bitte dich wenn gab ich ihn dir versüßt", neckte er mich mit einem Augenzwinkern, das ich mit einem Schlag auf seinen Oberarm quittierte. "Egal, während du dir im Bad einen auf mich runtergeholt hast, hab ich schon mal die Pizza in den Ofen getan", erklärte er selbstgefällig.
Ich schnüffelte in der Luft rum, erst sah er mich an als sein ich bescheuert, dann schlug er mir auf den Arm. "Hey! Ich hab nichts in Brand gesteckt!", reif er beleidigt aus.
"Hast du die Pizza von der Alufolie befreit?", fragte ich seinen Kommentar ignorierend.
"Ja"
"Hast du die Pizza von der Plastikfolie befreit, die immer darum ist, oder wichtiger, hast du sie aus dem Pappkarton geholt?"
"Ja", sagte er Augen verdrehend.
"Hast du den Ofen auf 180° Umluft gestellt?"
"Ja" Er atmete tief ein und aus.
"Hast du sie vom Holzbrett runtergeholt und auf ein Blech gelegt?"
Er fing an zu kichern. "Runtergeholt", wiederholte er stupide was ich eben gesagt hatte. Genervt zog ich eine Augenbraue hoch und sein Kichern verstummte. "Jaha", sagte er dann siegessicher. Dieses mal, da war er sich ganz sicher, hatte er alles richtig gemacht.
"Hast du Backpapier aufs Blech gelegt, bevor du sie in den Ofen geschoben hast?", stellte ich meine letzte Frage, bei der seine Augen riesig wurden. "Das muss man?", fragte er kleinlaut.
Jetzt lachte ich ihn aus. Und ich konnte sehen wie er sich immer unsicherer wurde. "Nein man, bei Tiefkühlpizza ist das kein Problem, dann muss man nur das Blech etwas besser putzen. Du hast ausnahmsweise alles richtig gemacht." Kopfschüttelnd setzte ich mich im Schneidersitz auf den Stuhl in der Küche, ich weiß auch nicht warum, aber ich konnte nicht normal auf Stühlen sitzen. Erneut schlug er mir gegen die Schulter. "Verarsch mich nicht, du Arsch!"
"Komm runter Biest, ich hab doch nichts gemacht, ich habe nur eine irrelevante Frage gestellt, um dein Wissen zu testen", ich lächelte bedächtig. Die Tatsache, das mir gerade gar nicht nach Lächeln zumute war ignorierte ich geflissentlich. Er antwortete irgendwas, doch ich hörte nur halb zu und erwiderte nur ein gekünsteltes 'ja haha', denn das Handy, das ich eben einfach in meine Jogginghose gesteckt hatte schien mich mit seinem Gewicht erdrücken zu wollen.
Jona wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht rum und biss sich dabei auf der Unterlippe rum. Ich lächelte beteppert, er sah so Süß aus... also nicht süß, wie süß süß eher wie Hundewelpen süß, ne falscher, sehr falscher Vergleich. Wie kleiner Bruder süß, genau, so ein süß war das.
"Ja?" Ich zog beide Augenbrauen in die Höhe.
"Ich Rede mit dir", stellte er fest.
"Tust du?"
"Ja"
"Sorry hab ich nicht mitbekommen"
"Ja hab ich gemerkt, im Gegensatz zu dir bin ich ein guter Freund" Ich sah ihn vorwurfsvoll an. "Tschuligung, bester Freund", korrigierte er nuschelnd. Ich lächelte. "Ich weiß, ich bin schrecklich", sagte ich theatralisch und hielt meine recht Hand an meine Schläfe.
"Ja das bist du" Ja Jona hält halt immer zu mir. Den Mund zur Schnute ziehend setzte er sich auf meinen Schoß wobei ich meine Beine leider entknoten musste. Dann quetschte er meine Wangen zusammen. Ich streckte ihm die Zunge raus. "Idiot"
"Was hast du gesagt?", gespielt empört stütze er seine Hände in die Hüften.
"Gar nichts Mama" Ich verzog meine Lippen zu einem Schmollmund.
"Ach Lukii"
Ich hasste diesen Spitznamen, es klang viel zu niedlich, vor allem aus seinem Mund... Also weil er es so komisch betonte, er machte dabei immer diese Sache mit .... Ach egal.
"Bevor ich es vergesse", sagte ich völlig unvermittelt aus und drückte ihm sein Handy in die Hand. So ein Blödsinn, als könnte ich das vergessen, das wäre wie eine Nadel zu vergessen, die sich langsam und qualvoll einen weg durch deine Eingeweide bahnt.
"Oh, danke", erwiderte er knapp, warf einen kurzen Blick auf das Handy und steckte es dann ein. Komm, jetzt wäre der Perfekte Augenblick es mir zu sagen. Du musst nichts vor mir verheimlichen, das weißt du, also scheiß los. Erzähl mir was, egal was. Etwas dass das, was auch immer es ist erklärt.
"Ich muss mal aufs Klo, kacken"
Nein das meinte ich nicht, aber gut geh kacken, Arsch.
"Ja, hol dir schön einen auf mich runter, Biest", rief ich ihm hinterher, ich weiß, das es viel zu wütend klang um lustig gemeint zu sein, war's auch nicht, aber er lachte trotzdem. Arrg.
Was erlaubt der sich.
°°°
"Wie sieht's eigentlich bei dir in Sachen Liebe aus?", versuchte ich einen lockeres Gespräch über das Thema zu beginnen, das mir jetzt schon seit Stunden Magen Schmerzen bereitete. Die Pizza war inzwischen nicht mehr existent und hatte echt gut geschmeckt, naja so gut wie tiefgekühlte Pizza halt schmecken kann, vielleicht etwas schlechter, weil Jona einfach die billigste gekauft hatte und nicht die gute von Dr. Oetker. Aber das ist irrelevant.
Jetzt saßen wir nebeneinander auf dem Sofa und sahen irgend nen Schrott im Fernseher. Und ich durchbrach die - mir - unangenehme Stille, mit noch unangenehmeren Worten. Jona schien dieses Tema auch nicht zu behagen - oder er erschrak einfach durch meine unerwarteten Worte - denn er zuckte heftig zusammen.
"Ähm... nichts neues, wieso fragst du?"
Okay jetzt war es so weit ich würde ihn drauf ansprechen, ihn fragen ob er Schwul war und ob er etwas was mit - irg - Leon am laufen hatte. Ich atmete einmal tief durch, ich brauchte mehr Mut. Als ich genügend gesammelt hatte sagte ich: "Ach nur so"
OH MEIN GOTT, ICH VOLLIDIOT!!!
Ich verkackter Schisser.
"Nein, nicht nur so... Ich habe diese eine Nachricht von Leon auf deinem Handy gelesen... Und ich wollte wissen... ob... naja...", ich hatte meinen Mut gefunden, nur um ihn dann gleich drauf wieder zu verlieren... yay. "Läuft da was?", fragend zog ich eine Augenbraue im die Höhe.
"Was?! Nein!!!", rief er viel zu schnell und viel zu schrill aus.
Ich besah ihn mit meinem ist-das-dein-Ernst-Blick. Er schluckte.
"Also es ist so... Ich... Ich stehe nicht auf ihn, aber... aber so auf Jungen im allgemeinen schon... irgendwie. Ich... ähm wollte es dir halt auch schon früher sagen aber, naja ich hatte Angst du könntest wütend oder so sein, mich vielleicht sogar hassen und dann habe ich es gelassen. Aber ja, ja ich bin Schwul" Bei ihm war es genau umgekehrt wie bei mir gewesen, erst stammelte er bescheuert vor sich hin und konnte mir nicht ins Gesicht sehen, aber am Ende, da, da strotzte er nur so vor Selbstbewusstsein.
"Bitte was?!", fuhr ich ihn quasi an. "Wie... Wie konntest du nur?" Ich sah die Angst in seinen Augen und mein Herz zerbrach. "Wie konntest du nur annehmen, ich könnte wütend auf dich sein? Deswegen? Ich meine ich liebe dich und könnte dich im Leben nicht hassen, erst recht nicht, 'nur' weil du auf Jungen stehst, da müsstest du schon zum Massenmörder mutieren und meinen Hund umgebracht haben. Du bist mein bester Freund", setzte ich wesentlich freundlich fort und zog ihn in eine Umarmung.
"Ja, ich bin dein bester Freund", wiederholte er, und für einen kurzen Moment glaubte ich Bedauern in seiner Stimme mitschwingen zu hören.
Tränen liefen über sein Gesicht und ich wischte sie weg, ich konnte ihn nicht weinen sehen.
"Du hast gar keinen Hund", nuschelte er in mein T-Shirt.
"Genau"