Kapitel 3: Single trotz Ehe
Theres Staudingers Wangen brannten. "Wovon redest du da? Ich red von Muskeln!"
Georg Teschner sagte mit einem zweideutigen Lächeln: "Ich auch. Oder du magst wohl beides."
Theres Staudinger war sprachlos.
Bevor sie etwas sagen konnte, küsste er sie.
Anfangs war sein Kuss sanft und zögernd, doch als er merkte, dass sie sich nicht wehrte und sogar zugab, vertiefte er den Kuss.
Beide waren im besten Alter und begnügten sich nicht mit Lippenbekenntnissen.
Im Nu lag ein Hauch von Frühling über dem Wohnzimmer...
Erst als ein plötzlicher Handyklingelton erklang, kam Theres wieder zu sich.
Sie wollte eigentlich auflegen, doch als sie auf dem Display "Mein Schatz" sah, war sie schlagartig nüchtern.
Aayden Muntz rief sie so gut wie nie an. Wenn er es jetzt tat, musste es wichtig sein.
Georg Teschner sah den Namen auf ihrem Handy, und seine Laune kippte. "Du bist verheiratet?"
Theres Staudinger trat ihn leicht und sagte: "Darum kümmern wir uns später. Ich muss jetzt ran."
Am Telefon erklang Aayden Muntz' missmutige Stimme: "Wo steckst du? Warum bist du nicht zu Hause?"
Theres Staudinger antwortete: "Du wolltest doch immer Abstand. Du solltest froh sein, dass ich weg bin."
Aayden Muntz lachte kalt. "Denkst du, ich vermiss dich? Vergiss es. Wenn Opa nicht wäre, wäre mir egal, wo du bist. Hast du vergessen, dass wir heute zu meinen Eltern fahren?"
Jetzt erst fiel Theres Staudinger ein, dass heute Familientag war.
Unter der Woche wohnten sie und Aayden Muntz in ihrer eigenen Wohnung. Jeden Freitagabend fuhren sie ins Elternhaus und blieben bis Sonntagnachmittag.
Theres Staudinger sagte: "Ich bin grad beschäftigt. Fahr schon mal los, ich komm später mit dem Auto nach und erklär's Opa selbst..."
Während sie sprach, wurde ihre Stimme gegen Ende etwas merkwürdig.
Am Telefon erklang Aayden Muntz' misstrauische Stimme: "Was machst du da? Warum klingst du so komisch?"
Theres Staudinger sagte mit neutraler Miene: "Ich arbeite grad an der Fortpflanzung der Menschheit."
Aayden Muntz lachte kalt. "Denkst du, ich werde eifersüchtig, wenn du so was sagst? Hör auf mit diesen blöden Spielchen, um Aufmerksamkeit zu kriegen. Interessiert mich nicht, und ich fall nicht drauf rein."
"Glaubst du, ich kenn keine dieser Japanischen Streiche? Du stehst grad auf so 'ner Vibrationsplatte und telefonierst mit mir, oder?"
Theres Staudinger erwiderte: "Kennst du den berühmten japanischen Film 'Der schlafende Ehemann'? Du wärst perfekt für die Hauptrolle - der Typ, der von Anfang bis Ende nur pennt."
"Du..."
Theres Staudinger wollte nicht weiterhören und legte einfach auf.
Sie wollte Georg Teschner gerade zur Rede stellen, doch er packte zuerst ihr Kinn und fragte: "Erklär mir das. Was soll das heißen, du hast 'nen Ehemann?"
"Wenn du verheiratet bist, müssen wir das hier nicht weitermachen. Ich will nicht zum Spielball zwischen Eheleuten werden."
Theres Staudinger sagte: "Ich bin zwar verheiratet, aber in der Ehe bin ich Single."
Georg Teschners Mundwinkel zuckte. "Die Sprache ist echt kreativ. Wieder was Neues gelernt."
Theres Staudinger ging auf seine spitze Bemerkung nicht ein. "Keine Sorge, es gibt keine betrogene Ehefrau, die Ärger macht. Mein Mann und ich haben am Hochzeitstag einen Scheidungsvertrag unterschrieben. Er findet es sogar gut, wenn ich mir woanders Männer suche. Wenn ich's nicht tue, hat er mehr Angst als ich, dass ich Ansprüche stelle."
"Du hast das Telefonat mitbekommen. Ich hab keine Angst, dass mein Mann rausfindet, dass ich 'nen anderen hab."
"Er hat auch eine Frau draußen. Wenn er dich zur Rede stellt, nehm ich dich mit und stell seine Geliebte zur Rede. Ich lass dich nicht im Stich."
Georg Teschner zog eine Augenbraue hoch und ließ das Thema fallen. Er beugte sich hinunter und küsste sie.
Theres Staudinger drehte den Kopf weg und drückte ihn sanft zurück. "Nicht jetzt. Beeil dich und bring's zu Ende, ich muss zum Abendessen mit den Schwiegereltern."
Nach einem kurzen, heftigen Finale ging Theres Staudinger ins Bad, duschte flott und fuhr zum Familienanwesen der Muntzes.
Aayden Muntz wartete am Tor auf sie.
Theres Staudinger stieg aus, gab die Schlüssel dem Chauffeur und ging Seite an Seite mit Aayden Muntz auf das Haus zu.
Aayden Muntz warf einen Blick auf die gelassen schreitende Theres Staudinger und schnaubte verächtlich.
Sie hatte behauptet, gestern Nacht und eben mit einem Mann zusammen gewesen zu sein - ihr Lügengebäude war nun offensichtlich eingestürzt.
Theres Staudinger wusste nicht, was er sich einbildete, doch als sie sein hämisches Lachen hörte, fand sie ihn merkwürdig und hielt mehr Abstand.
Im Haus überwachte Alice Nottebohm mit finsterer Miene die Bediensteten beim Tischdecken.
Aayden Muntz wirkte deutlich angespannter und sagte formell: "Mutter, wir sind da."
Theres Staudinger murmelte lustlos "Schwiegermutter" und blieb mit ausdrucksloser Miene stehen.
Alice Nottebohm warf ihr einen stechenden Blick zu. "Wen willst du mit deiner Schmollmiene beeindrucken?"
Theres Staudinger erwiderte ruhig: "Du ziehst doch auch 'ne Schmollmiene. Ich mach's dir nach."
Alice Nottebohm lachte kalt. "Mein Mann ist tot. Ist deiner auch tot?"
Theres Staudinger blieb die Luft weg.
Ihre herrschsüchtige Schwiegermutter fuhr jeden an, als ob ihr die Welt was schuldig wäre - selbst ihren eigenen Sohn verschonte sie nicht.
"Achte auf deine Worte. Theres' Mann ist Aayden. Verfluchst du etwa deinen eigenen Sohn?" Eine greise Stimme ertönte plötzlich.
Der alte Herr Fabi Muntz kam mit Unterstützung des Butlers Piet Ohly die Treppe herunter.
Alice Nottebohm warf dem alten Herrn Muntz einen Blick zu und sagte sarkastisch: "Du hast nicht nur einen Enkel. Kann ich nicht mal einen von ihnen anfahren?"
"Ach, ich vergaß. Dein anderer Enkel ist schon tot - zusammen mit deinem Sohn und seiner Geliebten."
"Du hast wirklich Glück: Im Leben hast du Enkel, und wenn du stirbst und in die Hölle kommst, warten dort auch Enkel auf dich."
"Wenn man es so betrachtet - ist das Leben nicht schön, und der Tod auch nicht schlecht? Egal wohin du gehst, du hast Enkel."
Dem alten Herrn Muntz zitterten die Lippen heftig, er brachte kein Wort heraus.
Theres Staudinger sah zu ihm und fand ihn bemitleidenswert - in seinem Alter musste er sich so was anhören.
Aber sie konnte Alice Nottebohms Groll verstehen. Das war alles, was die Familie Muntz ihr schuldete...
