Kapitel 4
Als er meinen Namen sagte, bekam ich prompt eine Gänsehaut.
Man hatte mich schon lange nicht mehr beim Namen genannt.
Der Alpha sah mich immer noch wartend an. Er wollte eine Antwort haben.
„Natürlich haben sie das Recht dazu, immerhin bin ich eine Omega. Vollkommen nutzlos und unterwürfig.“
Verstehend nickte er.
„Sehr interessant, gut dass mir das auch einmal jemand sagt.“
Er erhob sich langsam und sah mit ernsten Augen auf mich herab.
„Ein paar Dinge sollte ich dennoch lieber klarstellen. Eine Omega ist nicht immer unterwürfig, obwohl dies durchaus mal vorkommt. Nutzlos sind sie aber auf keinen Fall. Ich werde nicht dulden, dass du hier so behandelt wirst. Sobald ich die Stadt wieder verlasse, wirst du mich begleiten.“
Es war eindeutig ein Befehl und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. So einfach sollte ich alles hier aufgeben und von hier verschwinden.
„Habe keine Angst, du bist bei mir gut aufgehoben. Ich möchte nicht das du alleine bist, solange ich noch Dinge zu erledigen haben, also packe bitte ein paar Sachen zusammen und komm mit mir in ein Hotel.“
Ich wollte nicht einfach so gehen. Das hier war mein Zuhause, egal wie klein und fürchterlich es hier auch war. Genau deshalb schüttelte ich den Kopf.
„Nein, bitte. Ich möchte hier bleiben so lange es mir möglich ist.“
„Ich kann dich nicht dazu überreden mich jetzt schon zu begleiten?“, fragte er mich schon beinahe hoffnungsvoll, aber ich konnte ihm diesem Gefallen nicht tun.
Also drängte ich meinen Instinkt zurück, der mich praktisch dazu zwingen wollte, ihm zu geben was er verlangte, aber ich schüttelte den Kopf.
„Nein, tut mir leid.“
Seufzend sah er mich an.
„Nun gut, wie du willst. Aber wie ich dir schon sagte, will ich dich nicht alleine lassen. Also werde ich wohl oder übel hier bleiben müssen.“
Sein Blick war mehr als entschlossen und ich wagte es nicht noch einmal zu widersprechen. Er wirkte so dominant auf mich, wie kein anderer vor ihm.
„Ich werde meine Sachen herbringen lassen. Geht es dir gut genug um etwas zu essen?“
Ich hatte wirklich langsam Hunger. Wahrscheinlich würden meine Vorräte für uns beide reichen, aber ich wusste nicht, ob er das Essen von mir wirklich essen wollte.
Also müssten wir einkaufen, obwohl ich gerne darauf verzichtet hätte. Meine Wunden begannen langsam zu heilen und es fühlte sich nicht unbedingt angenehm an.
„Ja, wir können gerne etwas essen, nur müsste ich vorher etwas einkaufen gehen. Ich kann jetzt sofort losgehen, wenn Ihr es wünscht.“
Mein Kopf sowie mein Blick senkten sich wieder unterwürfig.
„Gut.“, kam es schnaubend von ihm. „Zieh dir was wärmeres an, dann können wir los gehen.“
Er wollte mich begleiten? Beschämt über die Situation spürte ich wie ich rot wurde.
„Elisabeth, was ist?“
Seine Stimme klang so dunkel, dass ich wieder eine Gänsehaut bekam.
„Ich habe nichts wärmeres.“, flüsterte ich und hoffte, dass er mich nicht gehört hatte. Aber mal wieder hatte ich Pech.
„Großartig.“, sagte er und klang alles andere als begeistert.
„D-Das geht schon in Ordnung. Ich laufe ja immer mit diesen Sachen rum.“
Diese ganze Situation war einfach nur skurril. Woher wusste er, dass mir kalt werden würde? War das bei allen Omegas so?
Mit ausdrucksloser Miene sah er mich an.
„Das ist mir egal. Wir werden zuerst etwas Essen gehen und dann holen wir dir eine neue Jacke, bis dahin trägst du meine.“
Ich wollte protestieren, aber sein Blick zeigte mir deutlich, dass er jetzt genug hatte. Ich hatte mich ihm heute schon mehr als einmal widersetzt und langsam schien er die Geduld zu verlieren.
Er war es als Alpha schließlich nicht gewöhnt, dass man ihm widersprach, aber es ging doch nicht, dass ich seine Kleidung trug. Dazu hatte ich kein Recht. Ich war nicht seine Gefährtin. Aber davon wollte er nichts hören.
Der Alpha zog also seine Jacke aus und legte sie mir um.
Sogleich war ich von seinem, über alles dominanten, Duft umhüllt. Ich musste mich wirklich sehr zusammenreißen, um nicht verzückt daran zu schnuppern.
Er führte mich aus meiner Wohnung und wollte das ich vor ihm ging, aber ich blieb stehen.
„Moment, ich habe noch meinen Geldbeutel in der Wohnung.“
Als ich mich umdrehte, stieß ich gegen seine harte Brust und er hielt meine Schultern fest.
„Den brauchst du nicht.“
Ich runzelte die Stirn und wollte an ihm vorbei, aber er ließ mich nicht durch.
„Doch natürlich, wie soll ich mir denn sonst die Jacke kaufen?“, fragte ich leicht lachend. Was sollte das jetzt?
Der Alpha schloss die Augen und schien um seine Geduld zu ringen.
„Du wirst überhaupt nichts kaufen, sondern ich. Und jetzt will ich nichts mehr hören, verstanden? Lass dir doch auch einmal von anderen helfen.“
Er sah mir tief in die Augen und ich sah ein amüsiertes Funkeln in seinen.
„Zur Not werde ich es dir sogar befehlen.“
Der Alpha half mir beim aussteigen aus seinem luxuriösen Wagen und nahm dann wieder meine Hand. Die Fahrt zu den Läden war sehr still verlaufen, wir hatten uns nicht unterhalten, was mich ehrlich gesagt, nicht unbedingt gestört hatte. Irgendwie war ich sogar froh darüber. In Ruhe hatte ich meinen Gedanken nachgehen können. Damit war jetzt aber Schluss.
Der kalte Wind blies mir ins Gesicht und ich versteckte mich noch mehr unter der warmen Jacke des Alphas.
Der schien überhaupt nicht zu frieren. Er trug zwar einen schwarzen Pullover, der ihn wirklich sexy aussehen ließ, aber er war trotzdem zu kühl für diese Jahreszeit.
Aber er hatte es ja nicht zugelassen, dass ich meine eigene Jacke trug.
Vielleicht sollte ich fragen, ob wir nicht zuerst eine Jacke holen könnten und erst danach essen gehen könnten.
Aber ich traute mich nicht. Er war schon in meiner Wohnung nicht sehr glücklich gewesen und ich wollte jetzt nicht weiter widersprechen.
Also ließ ich mich einfach von ihm in ein kleines Lokal führen. Alles Anwesenden dort erstarrten und senkten ihren Blick. Selbst die Gespräche waren verstummt.
Unangenehm berührt, sah ich zu Boden. Es war merkwürdig, aber es schien beinahe so, als würde er den ganzen Raum einnehmen. Obwohl nein, es war eben nicht merkwürdig, dass er der Alpha war, müssten selbst die normalen Menschen spüren.
Er führte mich weiter zu einem freien Tisch und schob mir doch tatsächlich den Stuhl zurecht.
Nachdem er selbst Platz genommen hatte, reichte er mir die Speisekarte und nahm sich selbst ebenfalls eine.
Ich wusste einfach nicht, wie ich mich verhalten sollte. Was sollte ich bestellen? Es sollte ja nicht zu teuer sein, das wäre mir sehr unangenehm. Vielleicht sollte ich mir einfach ein Glas Wasser und ein Brötchen bestellen.
„Was möchtest du?“, fragte der Alpha mich und ich sagte es ihm leise. Dafür erntete ich einen ziemlich missbilligenden Blick.
„Ich bezweifle, dass dir das reichen wird. Ich kann riechen, dass du hungrig bist und das ist für einen Wolf nie gut.“
Er hatte Recht, aber ich fühlte mich einfach nicht wohl dabei, wenn er mir das Essen bezahlen würde. Aber was sollte ich tun?
Der Alpha seufzte und legte seine Karte weg.
„Daran werden wir wohl noch arbeiten müssen. Gut dann werde ich dir eben etwas bestellen.“
Wie auf Kommando kam auch schon die Kellnerin an unseren Tisch und sah den Alpha etwas unsicher an.
„Hallo, schön dass Sie hier sind. Darf ich Ihre Bestellung aufnehmen?“
Ihre Stimme klang zittrig, was ich auch verstehen konnte. Sie war jünger als ich, wahrscheinlich so um die sechzehn oder siebzehn. Ein wenig Mitleid hatte ich eindeutig mit ihr.
„Wir hätten gerne jeweils ein Glas Wasser und ein Steak mit Kartoffeln. Dazu noch einen Teller mit Gemüsen, wenn Sie welches dahaben.“
Die Kellnerin schrieb alles schnell auf und verschwand dann wieder genauso flink wie sie gekommen war.
„War das in Ordnung für dich?“
Kurz streifte ich mit meinen Augen sein Gesicht und nickte dann schnell. Ich konnte ihm einfach nicht ohne Erlaubnis in die Augen sehen.
Der Alpha seufzte.
„Ich will, dass du mir immer in die Augen siehst, wenn wir miteinander sprechen. Sicher wird es Momente unter uns geben, wo ich es dir verbiete, aber soweit sind wir noch nicht.“
Was sollte das jetzt?
Schnell nickte ich.
„Und noch etwas, ich möchte auch, dass du mir immer mit ganzen Sätzen antwortest, verstanden?“
Sein Blick war so eindringlich das meine Antwort mir nur gehaucht über die Lippen kam.
„Ja Alpha.“
Charmant legte er leicht den Kopf schräg und lächelte.
„Bitte, nenn mich einfach Alexander.“
„Okay,… Alexander.“, fügte ich noch etwas zögernd seinen Namen hinzu. Dafür wurde ich von ihm mit einem Zwinkern belohnt.
Kurz war es still zwischen uns, dann kam die Kellnerin schon mit unserem Essen wieder.
Sie stellte alles hin und wollte uns wohl bereits den Preis nennen, aber Alexander, reichte ihr bloß einen Hunderter und winkte sie dann wieder weg. Geldprobleme schien der Mann keine zu haben.
„Bediene dich bitte. Guten Appetit.“
Da er zu warten schien, bis ich anfing, schnitt ich mir ein Stück des Steaks ab und steckte es mir in den Mund.
Verdammt war das Gut!
Als ich mich über mein Essen hermachte, fing auch er an zu essen.
Die Stille zwischen uns war angenehm, aber natürlich musste ich mal wieder alles kaputt machen.
„Wieso wollt Ihr mich eigentlich mitnehmen, Alexander?“
Er hielt inne und sah mich an. Ich wollte meinen Blick schon abwenden, unterdrückte es aber. Wieso hätte ich nicht einfach ruhig sein können? Wieso konnte ich nicht einmal die Klappe halten?“
„Bitte lass das mit dem Anreden. Wieso ich dich mit mir nehmen möchte, werde ich dir an einem anderen Tag und einem anderen Ort sagen. Aber eines musst du wissen, ich werde es nicht dulden, dass dich jemand so behandelt, nie wieder.“
Mein Wangen wurden heiß und schließlich wandte ich doch den Blick ab. Es war einfach ungewohnt für mich, so behandelt zu werden. Ungewohnt, aber nicht negativ.
Wieder nahm er meine Hand und begann zärtlich mit dem Daumen meinen Handrücken zu streicheln.
Meine Hand kribbelte von seiner zarten Berührung und ich verstand nicht, wieso er das gerade getan hate. Was brachte es ihm, mir zu helfen? Ich war doch niemand für ihn.
Wer er mich jetzt mit sich nahm, wie würde dann seine zukünftige Gefährtin darauf reagieren?
Mir war schon klar, dass er der Alpha war und solange er ungebunden war, durfte er tun und lassen was er wollte.
Und danach eigentlich auch, denn schließlich war er der Alpha.
Seine Berührung war überraschend angenehm, auch wenn ich wusste, dass ich wahrscheinlich nur ein Zeitvertreib für ihn war.
Genauso wie Anabell es für ihn sein wollte. Vielleicht sollte ich die Beiden miteinander bekannt machen.
„Elisabeth.“
Die Stimme des Alphas holte mich wieder aus meinen Gedanken. Er sah sehr amüsiert aus.
„Du warst wohl in Gedanken was? Wie wäre es, wenn wir zu Ende essen würden und uns dann auf den Weg machen, dir eine neue Jacke zu besorgen. Obwohl dir, wenn ich ehrlich bin, meine auch ziemlich gut steht.“