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Kapitel 3

Nachdem ich meine Hände gewaschen hatte, wusch ich auch mein Gesicht mit kaltem Wasser, um wenigstens ein wenig wach zu werden. Der Spiegel zeigte mir, wie dunkel meine Augenringe heute waren. Ich sah einfach furchtbar aus. Szenen von früher, von meiner Zeit zu Hause, bannten sich den Weg in meinen Kopf. Damals hatte ich schlimmer ausgesehen als jetzt, aber eine kleine Stimme in meinem Kopf sagte mir, dass ich mich mehr bemühen musste. Gesünder aussehen, fröhlicher sein. Sonst würde ich Alexander verlieren. Es war Schwachsinn, ich wusste es, aber die Gedanken waren dennoch da. Seufzend verließ ich das Bad und ging zurück ins Wohnzimmer. Ich konnte Alexanders Blick auf mir spüren. Er zupfte an unserem Band und schien wissen zu wollen, wie es in mir aussah. Ich konnte ihn nicht davon abhalten, auch wenn ein Teil von mir das wollte. Was er durch unsere Band entdecken würde, würde ihm nicht gefallen und ich hatte Recht. Er legte die Stirn in Falten und seine bronzefarbenen Augen verdunkelten sich besorgt. Ich konnte jetzt nicht zulassen, dass er sich um mich sorgte. Wir hatten wichtigere Themen. Wir mussten Hogans Gefährtin wiederfinden, das war das Einzige, was jetzt wichtig war. Für meine Selbstzweifel war jetzt kein Platz. Ich konnte Alexanders Blick weiter auf mir spüren, aber ich konnte jetzt nicht darauf eingehen, also lehnte ich mich vor und nahm einen Keks.

»Das Erste, was wir jetzt tun müssen, ist mit der Hexe zu reden. Weißt du denn ihren Namen?«, fragte ich Hogan und er nickte. »Ja. Ihr Name ist Agatha und ich habe wirklich große Hoffnung, dass sie uns hilft. Maggie hat immer gutes von ihr erzählt, auch wenn ich selbst noch nie mit ihr gesprochen habe.«

Hogan fuhr sich über das Gesicht und lehnte sich zurück. »Ich kann einfach nicht verstehen, warum jemand uns so etwas antun würde. Welchen Sinn kann man hinter solchen Taten finden?« Alexander und ich schwiegen, weil keiner von uns wusste, was wir dazu sagen sollten. Wäre Kate noch da, hätte sie vielleicht mehr Licht ins Dunkle bringen können. Ein Teil von mir nahm es ihr übel, dass sie einfach abgehauen war, aber ich verstand es auch. Nicht wir hatten ihr geholfen, sondern sie uns. Sie war uns nichts schuldig, im Gegenteil. Ich verdankte ihr mein Leben.

»Ich kann dir diese Frage nicht beantworten mein Freund. Ich kann dir nur versichern, dass ich die Verantwortlichen bestrafen werde.«

Alexander griff nach meiner Hand und drückte sie, während ich sie fest umklammert hielt. Hogan nickte und eine drückende Stille legte sich über uns, die durch Hogans Beta unterbrochen wurde. Ethan kam mit sorgenvoller Miene in den Raum und sah seinen Alpha unsicher an.

»Hogan, ich habe hier die Bilder der Opfer.« Er reichte ihm einen beträchtlichen Stapel und ließ uns dann mit gesenktem Kopf wieder alleine. Wieder legte sich die Stille auf uns, bevor Alexander wieder das Wort ergriff.

»Zunächst einmal müssen wir uns auf den Weg zu der Hexe machen. Wie schnell kannst du fertig sein?«

Während Hogan und Alexander alles weitere besprachen, schnappte ich mir die Bilder. Wie konnten es so viele sein? Und das waren nur die, von denen wir wussten. Zahlreiche junge Frauen und Männer. Nur selten war dort jemand der älter aussah als dreißig. Obwohl, so genau konnte ich es ohnehin nicht sagen, schließlich sahen Werwölfe nicht älter aus. Auf jedem Bild standen hinten ein paar Daten der Person. Louise, Werwölfin, 156 Jahre alt, verstorben. Brian, Werwolf, 93 Jahre alt, verstorben. Susan, Hexe, 32 Jahre alt, verstorben. Fassungslos legte ich die Bilder bei Seite und sah Alexander an. Mila hatte sich immer noch an ihn gekuschelt und schien zu schlafen und ich war froh, dass sie das Ganze hier nicht mitbekam. So viele waren verstorben und wir hatten großes Glück gehabt, dass wir noch am Leben waren. Was haben sie diesen Leuten nur angetan? Was hatten sie Mila angetan oder mir? Oder Kate?

»Agatha scheint eine nette Dame zu sein, sie wird uns bestimmt helfen«, versuchte ich Hogan ein wenig aufzumuntern und mich auf andere Gedanken zu bringen. Ich wusste nicht, ob ich mich länger damit auseinandersetzten konnte. So viele verlorene Leben. Wie hatten wir das nicht merken können? Wie hatte Alexander es nicht merken können? Ich konnte es ihm nicht zum Vorwurf machen, denn die betroffenen Alphas hätten es melden müssen. Wieso hatten sie es nicht getan? Alexander und ich mussten uns dringend mit diesem Thema auseinandersetzten. Es war unsere Aufgabe unsere Rudelmitglieder zu schützen. Wenn noch mehr verschwanden, dann wären wir Schuld daran. Ich konnte Alexanders Wut auf diese Situation spüren und ich konnte es verstehen. Ich war selbst furchtbar wütend. Warum war das Leben nur so ungerecht zu manchen Menschen? Keiner dieser Leute hatte es verdient.

»Ich kann nur hoffen Luna. Wenn wir Maggie nicht wiederfinden, dann weiß ich nicht, was ich tun würde. Ich könnte nicht ohne sie Leben. Jeder Tag, an dem sie nicht mehr bei mir ist, fühlt sich an, als würde jemand mein Herz zerquetschen. Alpha, wie hast du das ausgehalten?«

Wieder drückte Alexander meine Hand und durch das Band konnte ich spüren, wie aufwühlend das Ganze tatsächlich für ihn war. Nach außen hin wirkte er wie der kontrollierte Alpha, der er war, doch innerlich war es ganz anders. Zärtlich strich ich mit meinem Finger über seine Hand um zu versuchen ihn irgendwie zu beruhigen. Aber es war logisch, dass Hogan das fragte. Wer sonst als Alexander könnte ihm sagen, wie sich das angefühlt hatte? Er hatte auch nicht mit mir darüber geredet, dafür hatten wir keine Zeit gehabt. Es tat mir leid, denn ich hätte mir die Zeit nehmen müssen.

»Es war die Hölle auf Erden mein Freund. Du weißt, dass wir einander erst vor kurzem gefunden haben und als Elisabeth dann ausgerechnet in unserem Heim, dem Ort, der am Sichersten für sie sein sollte, entführt wurde, dachte ich mein Herz bleibt stehen. Ich wusste, dass sie noch am Leben war, denn ich konnte die Verbindung zwischen uns weiterhin spüren, aber sie war schwach gewesen. Es hat Tage gedauert, bis wir in der Lage gewesen waren sie zu finden und das hätte ich ohne den Hexer nicht geschafft. Du darfst auf keinen Fall die Hoffnung aufgeben, sie wiederzufinden. Ich weiß es ist schwer, aber sie wird dich brauchen. Mach dich fertig, wir sollten uns so schnell wie möglich auf den Weg zu dieser Hexe machen.« Hogan nickte und ich konnte sehen, wie schwer es ihm fiel. Eine Sache war mir aber noch wichtig.

»Alexander«, wandte ich mich an meinen Gefährten, während Hogan aufstand. »Ich glaube es wäre gut, wenn wir die alte Dame nicht einfach nur Hexe nennen, sondern ihren Namen benutzen. Wir wissen wie sie heißt und schließlich wollen wir sie um einen Gefallen bitten.«

Ich versuchte meine Stimme ruhig und verständnisvoll zu halten, denn immer noch sagte ein Teil von mir, dass er der Alpha war. Ich sollte ihn nicht kritisieren, aber es ging hier darum, dass wir es schafften, dass Agatha uns half.

Alexander seufzte kurz auf, führte dann meine Hand an seinen Mund und drückte einen zärtlichen Kuss darauf.

»Du hast Recht, kleine Wölfin. Es fällt mir manchmal einfach nur schwer. Du musst wissen, Werwölfe und Hexen haben kein gutes Verhältnis. Es ist zwar mit den Jahren besser geworden, aber der Zwist zwischen unseren Arten besteht noch bis heute. Es hatte mich ohnehin sehr gewundert, dass David einen Hexer gefunden hat, der uns geholfen hat.«

Das würde auch erklären, warum Kate abgehauen war. Wenn Werwölfe und Hexen sozusagen Feinde waren, dann wäre ich an ihrer Stelle auch verschwunden.

»Es wird sicher gut gehen. Hogan meinte doch, dass Meghan ein gutes Verhältnis mit der Dame hatte. Sie wird uns sicher helfen.« Mein Blick wanderte zurück zu den zahlreichen Bildern, die auf dem Tisch lagen. Es waren so viele Leute.

»Alexander, es sind so viele Opfer, die nie gefunden wurden. Wer weiß, wie viele noch verschwunden sind. Wir müssen etwas unternehmen.«

Ich nahm die anderen Bilder in die Hand.

»Sieh dir das an. Mike, 67 Jahre, verstorben. Paula, 137, verstorben. Das sind alles Werwölfe. Walter, 23, verstorben. Stewart, 4, verstorben. Vier Jahre alt. Das ist Wahnsinn. Und es sind noch mehr. Es ist einfach-«, ich hielt inne und sah mir das Bild, dass ich nun in meiner Hand hielt genauer an. Nein, das konnte nicht sein.

»Elisabeth?« Ich hörte Alexanders Stimme, aber ich konnte nicht darauf reagieren. Zu sehr verstörte mich das, was ich da vor mir hatte. Ich kannte dieses Gesicht. Ich kannte es verdammt gut. Oh Göttin bitte nicht. Aber so sehr ich mir auch wünschte, dass ich mich irrte, bestätigte die Beschreibung meine Sorge. Isabell, 56, verstorben. Das war meine Mutter.

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