Kapitel 6: Erster Schultag
LUCA
Die nächsten Tage hörte ich nichts von meinen Freunden. Außer von Damien. Der erzählte mir dass Lucas krank geworden war und Angelina war ja bereits vor Beginn der Party krank. Wahrscheinlich hatte er sich angesteckt. Ich zog nur die Augenbrauen hoch und Damien zuckte mit den Schultern. Mehr wüsste er auch nicht. Aber da heute die Schule beginnen würde, würde ich die Beiden bestimmt sogar wiedersehen.
"Luca, kommst du runter etwas essen?", schrie meine Schwester von unten herauf.
"Ja, Sekunde."
Ich stand vor meinem Spiegel und betrachtete mich. Unglücklicherweise musste ich zugeben, dass ich mehr als nur nervös war. Mir blieb beinahe das Herz stehen. Immerhin konnte ich aber froh sein, dass ich dort schon jemanden kannte. Damien wollte mich gleich direkt mitnehmen. Seine Mum fuhr ihn, weil sie Direktorin an der Schule war und hatte angeboten mich zumindest morgens immer mitzunehmen. Die Schule war ein wenig außerhalb von Purple River. Gehörte noch zu dem Ort dazu, lag aber eher am Rande.
"LUCA, beweg jetzt deinen Arsch hier runter!"
Ich verdrehte nur die Augen und ging dann aber, bevor meine Schwester noch einen Tobsuchtsanfall bekommen würde.
"Und was macht die gnädige Dame heute?", fragte ich sie.
Ich setzte mich derweil zu den Beiden an den Tisch.
"Probearbeiten."
"Nicht dein Ernst. Du?"
"Was klingt daran so witzig?"
"Das du arbeitest, das ist der Witz."
"Jetzt sei nicht so gemein Luca. Ich finde es gut, dass Emi endlich was tut. Auch wenn es eher unter komischen Umständen passiert ist."
Ich sah zu meiner Mum.
"Komische Umstände?"
"Ach, Corey hat ihr die Probewoche in dem Laden verschafft, wo er arbeitet. Ich finde es ja gut, aber hätte mir gewünscht, dass du das mehr von dir aus gemacht hättest. Und nicht, dass wieder irgendjemand für dich deine Arbeit tut.", feixte meine Mum im Endeffekt meine Schwester an.
"Ach, Mum. Arbeit ist Arbeit. Und wenn es passt, dann freu dich doch."
Mum seufzte nur, beließ es aber dann dabei.
"Und was machst du?", fragte ich Emi.
"Er arbeitet in der Mall in einem Café als Kellner und die suchen noch eine Köchin. Ist erst mal nur auf Minijob, aber besser als nichts."
Soweit ich wusste gab es dort nur ein Café und das war jenes, welches ich mit Angelina besucht hatte.
"Ist das im zweiten Stock neben den Toiletten?", fragte ich nach.
Mir fiel nicht ein, ob das Café überhaupt einen Namen hatte.
"Ja, genau! Das El Sueno. Bedeutet irgendwie der Traum oder so. Naja, ich muss los. Corey müsste gleich rüber kommen und mich holen. Bis später."
"Viel Erfolg!", ermutigte meine Mum sie.
Ich gab ihr nur einen Daumen nach oben und verabschiedete mich dann auch.
"Ich geh dann auch."
"Viel Spaß mein Schatz. Und lass dich nicht ärgern."
"Ich doch nicht.", brummte ich.
"Bist du aufgeregt?", fragte mich Damien‘s Mum, als wir dann im Auto saßen.
Wir fuhren über die lange Brücke, die zu Purple River führte und im übrigen auch über den Fluss. Das war mir bei unserer Ankunft gar nicht so sehr aufgefallen.
"Nicht wirklich."
Sie lächelte mich nur im Spiegel an. Wir fuhren nicht weit. Die Brücke war nur ein paar Meilen lang und kurz nachdem Ende bog sie rechts ab und wir waren quasi da.
Damien's Mum fuhr auf den Parkplatz und stellte sich ziemlich weit nach vorn. Ich konnte erkennen, dass das ihr Parkplatz war, anhand eines Nummernschildes, dass ihrem identisch war. Kaum waren wir ausgestiegen, hörte man Gebrüll und gleichzeitig Gejubel.
"Das kann doch nicht wahr sein. Wenn das wieder Lucas Cavanaugh und Jonah Clarke sind, krieg ich heute schon dezent eine Krise! Jungs, ich muss dahin! Ich weiß ihr hört sowieso nicht, wenn ich sage, geht schon einmal vor."
Damit rannte sie davon. Damien und ich sahen uns kurz an und rannten hinterher. Eine riesige Menge an Schüler stand dort und jubelierte. Die gefühlte eine Hälfte war für Lucas. Die anderen für den anderen Jungen.
Als Damien und ich uns einigermaßen nach vorne gekämpft hatten, konnte ich wirklich Lucas erkennen. Den anderen hatte ich bisher noch nie gesehen. Ein großer Kerl, mit langen schwarzen Haaren, die er zu einem ordentlichen Zopf gebunden hatte, während sein Pony ihm wiederum wild in die Stirn fiel. Unsere Blicke streiften sich ganz kurz. Er hatte kristallklare blaue Augen. Ich bekam eine Gänsehaut. Diesen Moment nutzte Lucas aus und trat dem Kerl volles Rohr gegen das Schienbein. Dieser knickte kurz ein und stand aber sofort wieder auf.
"Was ist dein verficktes Problem, ey?", schrie Lucas ihn an.
Seine Lippe blutete und er hatte eine Schramme im Gesicht.
"Keine Ahnung. Sag du es mir. Ich kann nur deine Fresse nicht mehr sehen, seit du auf Muschis stehst und nicht mehr auf meinen Schwanz!", geierte der Typ.
Ihm floss das Blut aus der Nase. Anderweitige Wunden konnte ich so nicht sehen. Nach dem Spruch sah ich mich sofort nach Angelina um, aber die war nirgends zu sehen. Vielleicht war sie ja noch krank. Die Menge die dort herum stand und sich das ganze amüsiert anschaute, kicherte. Lucas ließ sich jedoch davon nicht beirren. Er wollte gerade den Mund öffnen, aber da kam Sandra angeschossen.
"Jetzt reicht es aber hier!"
"Cavanaugh! Ab in mein Büro. Clarke, sofort ins Badezimmer und waschen Sie sich das Gesicht. Danach tanzen Sie ebenfalls bei mir an!", brüllte sie die Zwei zusammen. "Und ihr anderen, Marsch in eure Klassen!"
Ich staunte nicht schlecht, wie gut Sandra ihre Schüler und Schülerinnen im Griff hatte. Keiner nörgelte irgendwie und alle gingen sofort rein. Allerdings wusste ich auch von Damien, dass mit seiner Mum nicht zu spaßen war, wenn es um die Schule ging. Auf einmal musste ich fürchterlich auf die Toilette pinkeln.
"Äh, Damien ich muss eben auf die Toilette!"
Damien sah zu der großen Uhr hoch, die direkt über dem Eingang über dem Namen der Schule hing. Diese hieß übrigens Purple Wood High School. Die Wälder hier waren zwar nicht Lila. Aber die Schule war von viel, sehr viel Wald umringt. Und der Name sollte wohl nur aussagen, dass das Gebäude zu der kleinen Stadt gehörte.
"Dann geh, beeil dich aber. In Zehn Minuten fängt der Unterricht an und du willst ja nicht an deinem ersten Tag schon zu spät kommen, oder?", grinste er. "Musst den Flur ganz entlang, dann siehst du sie direkt."
"Danke. Ich beeil mich."
Damien gab mir noch ein Peace Zeichen, dann verlor ich ihn vorerst aus den Augen. Die Toiletten hatte ich schnell gefunden. Ich stürmte hinein und knallte dabei gegen jemanden. Mein Hintern landete mal wieder auf dem Boden.
"Oh, Sorry."
Mir kam eine Hand entgegen, die ich automatisch annahm.
"Danke.", sagte ich und sah meinem Helfer an.
Es war der Kerl, der sich mit Lucas geprügelt hatte. Allerdings blutete seine Nase nicht mehr, was sein Gesicht nur noch schöner werden ließ. Er sah mich ebenfalls kurz an und zog dann eine Augenbraue hoch. Ich zog meine Hand weg.
"Wer bist du denn?"
"Äh, ich? Ich bin Luca..."
"Luca? Und weiter?"
"Nichols."
"Ach, du bist der Neue, von dem seit Ewigkeiten alle reden. Hi. Ich bin Jonah!"
"Eh, ja. Hallo. Ich muss echt dringend auf's Klo!"
Jonah lachte nur und nickte.
"Muss eh zu meinem Strafvollzug. Also wir sehen uns!"
Na, besser hätte das ja nun nicht klappen können. Hoffentlich denkt der jetzt nicht, dass ich ein großes Geschäft vollbringen musste! Au weia!
Gerade noch pünktlich kam ich zum Unterricht wieder. Meine Lehrerin war schon fast im Klassenzimmer als sie mich angerannt kommen sah. Sie nahm mich lächelnd mit rein und ich wurde vorgestellt. Mein Blick schweifte über die Klasse. Vier Plätze waren frei. Ob die Lucas, Angelina und Jonah gehörten? Und der vierte war wahrscheinlich meiner. Innerlich hoffte ich ja, dass ich neben Lucas sitzen würde.
"Ganz hinten am Fenster kannst du sitzen. Dein Sitznachbar ist gerade mit Lucas bei der Direktorin. Und Angelina fehlt heute leider noch."
Ich nickte und ging zu meinem Platz. Die Anderen sahen mich entweder interessiert an oder so, als wüssten sie noch nicht, was sie von mir halten sollten. Als ich mich niedergelassen hatte, realisierte ich erst, was die Lehrerin mir gesagt hatte.
>Dein Sitznachbar ist gerade mit Lucas bei der Direktorin.<
Das hieß ja, dass Jonah mein Sitznachbar war?! Ohje... Ohje... Aber warum eigentlich nicht? Ich kannte ihn ja noch nicht. Abgesehen davon, dass er und Lucas offenbar ein Problem miteinander hatten.
Ungefähr nachdem die erste Hälfte der Stunde herum war, kamen die Beiden wieder zurück. Lucas sah sehr finster drein und als er mich sah, wurde sein Blick noch finsterer. Ob das jetzt an mir lag? Oder weil ich neben seinem Feind sitzen musste?
"So sieht man sich wieder. Wie war dein Geschäft?", fragte er mich dreist, als er sich neben mir niedergelassen hatte.
Ich lief rot an.
"Ich ehm hab nicht, dass was..."
Er winkte ab.
"Das war nur ein Scherz. Mir ist egal was du auf dem Klo machst. Und wenn du da wichsen würdest, wäre mir das auch egal."
Ich wurde noch röter. Gab es echt Leute, die so etwas auf der Schultoilette taten?! Er lachte.
"Du hast es nicht so mit Humor, oder?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Das ist das Erste was die Leute immer sofort an mir bemerken."
"Naja, du wirst rot. Ich nehme an, dass du nicht sicher warst, ob ich das Ernst meinte."
"CLARKE! Sei jetzt endlich still!", brüllte Ms. Smith auf einmal.
Die Klasse lachte, Lucas sah einfach nur finster daher, Jonah grinste und ich war einfach schon jetzt total überfordert mit allem. Wenn das mal gut gehen würde.