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Kapitel 4:Erste Erkenntnisse

LUCA

Hilfe, was passierte hier? Er wollte mich doch jetzt nicht küssen, oder? Hier vor allen anderen und Angelina die uns von draußen grinsend beobachtete? Moment, WAS?

Doch ich täuschte mich. Lucas zog mich zwar an sich heran und seine Lippen kamen meinen wirklich nahe, aber er wollte mich nicht küssen. Er griff nur hinter mich, weil ich ihm im Weg stand und an ein Spiel wollte. Dass ich feuerrot war, konnte ich allerdings nicht verbergen. Lucas sah mich an.

"Was ist denn?"

"Oh... ehm gar nichts... Ich eh....", stotterte ich wie so ein Idiot vor mich hin.

Was hatte ich denn gedacht? Dass er mich vor allen hier abknutschen würde? Und vor seiner Freundin? Aber warum hatte Angelina dann so gegrinst?

"Ich verstehe. Du dachtest wohl, ich will dich küssen."

Lucas Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, dass ich nicht definieren konnte. Dann lachte er, denn mein Blick sprach wohl Bände. Was war denn nur los? Ich kannte diesen Kerl doch nicht einmal. Ich stand nicht einmal auf Jungs. Zumindest war mir das bisher nicht bewusst. Aber Lucas löste in mir etwas aus, was ich so noch nie gefühlt hatte.

"Ich muss... auf Toilette!"

Eigentlich wollte ich wieder abhauen, aber dann hätte ich es mir vielleicht endgültig mit Lucas und seinen Leuten versaut, also beschloss ich kurzerhand das Klo als Ausrede zu benutzen.

"Luci?", rief mir Angelina noch nach.

Doch ich ignorierte das, sauste um drei Ecken und verschwand dann in der Toilette. Ich schloss mich ein und fasste mir an mein Herz. Keine Ahnung, ob es vor Aufregung raste oder wegen der Aktion eben. Wie konnte ich denn nur denken, dass er mich küssen wollte?!

Irgendwann kam ich mir dumm auf dem Klo vor und ging zum Waschbecken. Ich nahm meine Cap ab unter der ich schon ziemlich verschwitzt war. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und wischte mir durch die Haare. Es wurde besser. Dennoch musste ich ja wieder raus und ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.

Als ich vor die Türe kam, wartete dort zu meinem Erstaunen dieses Mal Angelina. Na, toll. Offensichtlich hatte ich Lucas mit meinen Abhauaktionen schon angenervt.

"Komm mal mit.", sagte sie.

Sie zog mich am Ärmel zu einem kleinen Café, direkt um die Ecke. Widerstandslos folgte ich ihr. Wir setzten uns in eine etwas versteckte Nische und Angelina bestellte uns einfach zwei Cola. War mir Recht. Ich war sowieso zu aufgewühlt, um daran zu denken, was ich trinken könnte.

"Nun, ich denke wir sollten mal reden.", sagte sie ruhig.

"Was du nicht sagst.", erwiderte ich ein wenig angepisst.

Doch die schöne Blonde ließ sich nicht davon verwirren. Stattdessen lächelte sie mich nur charmant an. Die Bedienung kam mit unseren Getränken, stelle sie mit einem Lächeln vor uns ab und musterte mich dann aufmerksam. Ich musste aussehen wie ein bepisster Pudel. Ich setzte die Cap wieder auf. Die Dame lächelte nun doch und ging dann wieder weg.

"Du siehst auch ohne das Ding gut aus."

"Ich fühl mich mit dem Ding aber wohler.", betonte ich dieses Wort extra.

"Warum? Wegen deiner Haarfarbe? Du spinnst, Luca. Du bist ein wunderschön anzusehender Mensch."

"Was?!"

Ich nahm einen Schluck von meiner Cola.

"Deswegen schaut Lucas auch so nach dir. Ich dachte vorhin auch er würde dich küssen. Das wäre das erste Mal seit langem, dass er wieder Interesse an Jungs hat."

Ich verschluckte mich und musste husten.

"W-WAS? Interesse an J-Jungs? Er ist doch mit dir zusammen, man?!"

"Es gibt einiges was du über ihn noch nicht weißt und vielleicht auch nie wissen solltest. Lucas ist nicht einfach. Lucas hat es nicht einfach. Aber egal. Er ist Bisexuell. Und ich weiß das und es stört mich nicht. Wir führen eine Beziehung ja. Aber wir haben keinen Sex. Wir küssen uns und führen diese Beziehung eher zum Schein."

"Zum Schein? Wieso seid ihr zusammen, wenn ihr euch nicht liebt?"

"Wir lieben uns schon, aber eher wie Geschwister. Ich kann dir nicht alles sagen. Das muss Lucas vielleicht irgendwann selber machen. Jedenfalls scheint er Interesse an dir zu haben."

Mir schoss sofort wieder das Blut in die Wangen. Wie bitte? Lucas stand auf mich? Er kannte mich doch gar nicht?! Genau diesen Emotionen ließ ich jetzt freien Lauf.

"Er kennt mich doch gar nicht. Er weiß nichts über mich. Wie kann er da auf mich stehen?"

"Das habe ich nie gesagt. Ich sagte es scheint so, als hätte er Interesse. Aber sei dir gesagt, Luca. Verlieb' dich nicht in ihn."

"W-W-Wie b-bitte?"

Angelina stand auf und legte Geld auf den Tisch. Sie kam zu mir und ich spürte ihren warmen nach Cola und Kaugummi duftenden Atem an meinem Ohr.

"Tu' dir selber den Gefallen und verlieb' dich nicht."

Damit ging sie und ließ mich einfach sitzen. Das Geld gab ich der Bedienung, dennoch blieb ich noch und bestellte mir noch einen Zitroneneistee. Ich musste das erst einmal verdauen. Die warteten sowieso nicht auf mich. Angelina hatte Lucas und seine Freunde wahrscheinlich abgespeist, um mit mir zu reden. Und wenn sie gewartet hätten, hätte sie mich nicht einfach sitzen lassen. Irgendwann klingelte mein Handy und ich zuckte vor Schreck zusammen. Ich kramte es aus meiner Hosentasche und las die Nummer meiner Mum.

"Hey, Mum. Was gibt es?"

"Schatz, wo bist du?"

"Ich sitze in nem Café im Einkaufszentrum, wieso?"

"Wir wurden gerade von unserem Nachbarn eingeladen zu einer Willkommensparty.", quietschte sie aufgeregt.

Mum war immer froh Anschluss zu finden. Egal, ob es um sie ging oder um uns.

"Welcher Nachbar?"

"Der von Gegenüber. Thomas heißt er glaub ich. Du bist schon mit seinem Sohn weg gewesen. David, oder so?"

"Damien?!"

"Jaja, genau. Das war es. Also, komm bitte heim."

"Gut. Bis gleich."

Ich zahlte also erneut und machte mich auf dem Heimweg. Dieses Mal musste ich laufen, weil meine ach so tollen angeblich neuen Freunde mich ja einfach sitzen gelassen hatten.

Ungefähr hatte ich noch im Kopf, wo ich lang musste. Und ansonsten würde ich halt jemanden fragen. Das Städtchen war wirklich sehr ruhig. Gut, wir gingen auf den Abend zu, aber so eine Stille war ich nicht gewohnt. Hier und da saßen noch Leute in ihren Gärtchen oder auf der Terrasse vorm Haus. Aber ansonsten war hier nicht los. Plötzlich knallte ich gegen jemanden und fiel auf meinen Hintern.

"Autsch."

Mein Po hatte den Sturz nicht gerade gelindert.

"Pass doch auf wo du hin läufst du Penner!", schrie mich auf einmal jemand von oben an.

Ich sah hoch in das Gesicht eines Kerls, den ich bisher noch nicht kennen gelernt hatte. Und es auch nicht wollte. Ich schätzte ihn um die Dreißig oder so. Konnte es aber nicht genau sagen.

"S-Sorry...", brachte ich mühsam hervor.

Der Typ sah mich von oben herab so ekelhaft an, als wäre ich eine Kakerlake oder so etwas.

"Jaja, du mich auch. Penner.", motzte er abermals.

Dann stapfte er einfach an mir vorbei.

"Die Menschen hier sind ja mega freundlich.", sagte ich zu mir selber, als ich der Meinung war, dass er weit genug weg war.

Ich stand wieder auf und klopfte mir den Dreck ein wenig ab. Duschen musste ich sowieso. Hoffentlich hatte ich noch genug Zeit, wenn ich wieder zu Hause war.

"Da bist du ja endlich!", schnauzte Emi mich an, als ich gerade die Tür hinter mir schloss.

"Nerv mich nicht.", maulte ich und ging an ihr vorbei ins Badezimmer.

"Beeil dich dann mal! Wir sollen gleich rüber kommen!", rief sie mir noch dumpf durch die Badezimmertüre nach.

"Geht doch einfach schon mal! Ich werde mich nicht verlaufen, auf dem Weg über die Straße.", bemerkte ich dies sarkastisch.

"Du solltest dich echt mal durchknallen lassen, Luca. Deine Launen sind ja echt abartig manchmal."

"Maul!"

"Emilia, bitte!", hörte ich dann meine Mum. "Setz ihm nicht so Flausen in den Kopf. Er muss nicht in jungen Jahren schon an Sex denken."

"Jung? Er ist Sechzehn, Mum. Da ist das für einen Kerl in seinem Alter normal."

Vielen Dank. Jetzt redeten sie hier in meiner Gegenwart, über mein nicht vorhandenes Sexleben.

"Geht jetzt! Ich komm dann!", brüllte ich noch einmal.

In der Hoffnung, dass sie es endlich gut sein ließen.

"Kommen solltest du echt mal!"

"Emilia...", schnauzte meine Mum wieder.

Doch den Rest verstand ich nicht mehr, da sie endlich gegangen waren. Als ich mir absolut sicher war, dass ich nun alleine war, zog ich mir meine Sachen aus und schmiss sie in den Korb unter dem Waschbecken. Ich drehte die Dusche auf, damit das Wasser warm wurde und schaute in den Spiegel. Angelina hatte mich als wunderschön bezeichnet. Die Menschen hier in Purple River hatten anscheinend eine andere Auffassung von Schön. In meiner alten Heimat war ich eigentlich nur gemobbt worden. Meistens wegen meiner Schüchternheit. Gut, hier und da gab es mal einen der mich hässlich genannt hatte. Aber das war eher selten der Fall.

Der Spiegel beschlug und ich ging in die Dusche. Das heiße Wasser tropfte über meinen Körper und es fühlte sich gut an, diesen merkwürdigen Tag von mir abzuwaschen. Ich nahm mein Duschgel und seifte mich ein. Mir kam auf einmal der Gedanke, wie es wäre, wenn dies Lucas seine Hände wären. Blöder Gedanke. Meine Genitalien reagierten sofort darauf und ich schüttelte mich, um den Gedanken wieder los zu werden. Wo kam das denn her? Wieso dachte ich an Lucas, während ich unter der Dusche stand? Sowas idiotisches!

Ich beruhigte mich wieder und beendete fix meine Dusche, damit ich nicht allzu spät nachkam. Halbwegs trocken ging ich in mein Zimmer und suchte mir einigermaßen gute Klamotten raus. Die Cappy ließ ich ausnahmsweise weg. Noch einmal betrachtete ich mich im Spiegel und war ganz zufrieden mit mir. Vorerst zumindest. Dann machte ich mich auf dem Weg zu unseren neuen Nachbarn.

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