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Kapitel 6: Das kann kein Zufall sein

Das Drunkard's Retreat war ein erstklassiges Privatrestaurant in Seacrest, das für seinen aufmerksamen Service und seine köstliche Küche bekannt war. Es bediente ausschließlich die gehobene Klientel und verlangte, dass man mindestens einen Monat im Voraus reservieren musste.

Isabelle gelang es erst gestern, durch einige Beziehungen eine Reservierung zu bekommen.

Das Restaurant war elegant eingerichtet, und die Tische waren durch Paravents voneinander getrennt. Die kleine Holztür am Eingang, die nicht von einer Decke verdeckt wurde, ermöglichte es den hängenden Kronleuchtern, das abendliche Ambiente zu verstärken und eine nostalgische Atmosphäre zu schaffen, die an alte mondbeschienene Versammlungen erinnerte.

Die Gruppe trat durch die Tür ein und nahm an einem runden Tisch Platz.

Schon bald näherte sich ein Kellner mit einem Tablett voller köstlicher Speisen.

Olivia, die befürchtete, dass sich das kleine Mädchen neben ihr unwohl fühlen könnte, richtete ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf das Mädchen, half ihr gelegentlich beim Essen und wischte ihr den Mund ab.

Sebastian und Ethan, die auf der anderen Seite saßen, fanden die Pausbäckchen des kleinen Mädchens liebenswert. Aufmerksam schälten sie Krabben für sie, ihre Gesichter waren voller Zuneigung.

Das kleine Mädchen verschlang ihr Essen gierig, ihr Mund war ständig beschäftigt, während sie fleißig den wachsenden Berg von Tellern vor ihr abarbeitete.

"Habt ihr schon gehört? Die kleine Tochter der Familie Leer ist verschwunden. Die Familie Leer hat eine große Anzahl von Leuten losgeschickt und Seacrest auf den Kopf gestellt, aber sie haben sie nicht gefunden!"

In diesem Moment war vom Nachbartisch eine leise Diskussion zu hören.

Eine andere Stimme klang vorsichtig: "Könnte sie entführt worden sein? Der Täter muss Nerven aus Stahl haben. Das kleine Mädchen ist wie der Augapfel von Victor Leer. Wenn es jemand wagt, ihr etwas anzutun, wird er sein Ende finden..."

Als sie Victors Namen hörte, verlangsamte Olivia unbewusst ihre Bewegungen und wurde etwas geistesabwesend.

Die Diskussion am Nachbartisch ging weiter: "Das kleine Mädchen könnte stumm sein. Sie hat nie ein Wort gesprochen, obwohl sie aufgewachsen ist. Aber sie hat wirklich Glück, nicht wahr? Sie wurde in eine so gute Familie hineingeboren!"

Stumm?

Olivias Handlungen kamen zum Stillstand, als sie diese Information aufnahm.

Das kleine Mädchen, das Victor so sehr schätzte, war stumm.

Das kleine Mädchen, das sie aufgelesen hatte, hatte nie ein Wort gesprochen.

Das Verhalten und die Kleidung des kleinen Mädchens waren tatsächlich standesgemäß für die Familie Leer.

Und vorhin, am Telefon, die Stimme dieses Mannes...

Bei dieser Erkenntnis unterdrückte Olivia energisch ihren inneren Schock und blickte zu dem Kind, das links neben ihr saß.

Das kleine Mädchen, das Olivias intensiven Blick bemerkte, hob die Augen und begegnete ihrem Blick, wobei sich Verwirrung in ihren großen Augen zeigte.

Als sich ihre Blicke trafen, fühlte sich Olivia, als ob sie an einem sonnigen Tag vom Blitz getroffen worden wäre.

"Dieses kleine Mädchen... Könnte sie Victors Tochter sein?"

Isabelle, die Olivias plötzlichen Sinneswandel bemerkte, hörte ebenfalls auf, ihre Stäbchen zu benutzen, und fixierte ihren Blick auf das kleine Mädchen. Ihr Herz sank und sie klammerte sich an einen Hoffnungsschimmer, als sie murmelte: "So zufällig kann das nicht sein, oder?"

Als Olivias engste Vertraute wusste Isabelle genau, was vor sechs Jahren geschehen war.

Das kleine Mädchen vor ihnen schien erst fünf oder sechs Jahre alt zu sein, ungefähr so alt wie Sebastian und Ethan.

Wenn sie wirklich Victors Tochter war, konnte das nur bedeuten, dass dieser Mann nach der Scheidung von ihrer besten Freundin ein Kind mit einer anderen hatte.

War er so ungeduldig?

Isabelle konnte nicht anders, als Mitleid mit ihrer besten Freundin zu haben.

Olivia wusste nicht, was sie dachte, aber sie wurde immer überzeugter, dass dies Victors Tochter war, wenn man bedachte, was alles passiert war, seit sie das kleine Mädchen gefunden hatten.

Ihr Gesichtsausdruck wurde für einen Moment säuerlich, als sie antwortete: "Ich glaube, es ist mehr als nur ein Zufall."

Als Isabelle sie so sicher sah, sank auch ihr Herz. Sie warf einen Blick auf das verwirrte kleine Mädchen. Mit gesenkter Stimme fragte sie Olivia um Rat: "Und was sollen wir jetzt tun? Victor ist wahrscheinlich auf dem Weg."

Olivias Gesicht zeigte eine Mischung aus Überraschung und Unsicherheit.

Nach einem Moment zückte sie ihr Handy, schob es Isabelle zu und sagte: "Du nimmst mein Handy und tust so, als hättest du den Anruf getätigt. Ich nehme Sebastian und Ethan mit und warte auf dem Parkplatz auf dich."

Isabelle nickte und verstand den Plan.

Olivias Blick wanderte zu dem verwirrten kleinen Mädchen neben ihr, und ihre Stimme wurde weicher, als sie sich ihr anvertraute und sagte: "Ich überlasse dieses kleine Mädchen deiner Obhut." Dann wandte sie sich an Sebastian und Ethan und forderte sie auf: "Lasst uns gehen."

Sebastian und Ethan folgten ihrer Mutter gehorsam, ohne die Situation weiter zu hinterfragen. Als Olivia an dem kleinen Mädchen vorbeiging, streckte sich eine kleine Hand aus und klammerte sich an ihre Kleidung.

Olivia drehte ihren Kopf und begegnete dem Blick des Kindes mit einer komplexen Mischung aus Gefühlen.

Das kleine Mädchen klammerte sich fest an ihre Kleidung, und in ihren großen Augen war Panik zu erkennen.

Als Olivia ihre Verzweiflung sah, war sie nicht in der Lage, ihr gegenüber hart zu sein.

Ungeachtet der vergangenen Streitigkeiten zwischen ihr und Victor war das Kind unschuldig.

Schließlich beruhigte Olivia sie: "Ich habe noch etwas zu erledigen und muss jetzt gehen. Diese Dame wird sich um dich kümmern. Sei brav und warte hier; dein Vater wird bald kommen."

Nachdem sie das gesagt hatte, drückte Olivia die Hand des kleinen Mädchens energisch weg und ging davon, wobei sie dem Drang widerstand, zurückzuschauen.

Gleichzeitig sorgte Isabelle dafür, dass die zusätzlichen Gedecke schnell entfernt wurden, und gab dem Personal ein Zeichen, diskret zu handeln.

Kaum hatte das Personal das Geschirr weggeräumt, wurde die Holztür gewaltsam aufgestoßen.

Eine Gruppe adrett gekleideter, schwarz gekleideter Leibwächter stand in zwei Reihen und bildete einen freien Weg in der Mitte.

Als Isabelle diese Formation sah, richtete sie instinktiv ihre Haltung auf und versuchte, ruhig zu wirken, während sie zum Eingang blickte.

Es war Victor Leer, der mit ernster Miene und entschlossenen Schritten in den Raum schritt.

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