~| 1 |~ Selena
Ich schlug blinzelnd meine verklebten Augen auf und erstarrte, als ich die entfernten Schritte hörte, blanke Angst legte sich schwer wie Steine in meinen Magen, wie jedes Mal wenn es soweit war und mein Atem beschleunigte sich. Ich bewegte mich ein Stück um meinen steifen Körper zu entlasten, wobei die schweren Eisenketten an meinen Handgelenken über meinem Kopf raschelten und erwartete die Wachen, die einige Augenblicke später auch mit einer hellen Fackel in der Hand auftauchten und mich erst betrachteten, bevor sie die Zelle öffneten.
"Es ist wieder so weit" erklärte der untersetzte, nach Tabak stinkende Wächter mit einem boshaften Funkeln in den Augen. Sie ergötzen sich alle an meinem Elend und wenn sie dürften, würden sie weitaus mehr tun. Doch soweit sind sie aus einem unerfindlichen Grund nicht gegangen, aber mittlerweile war auch das mir egal. Deshalb schwieg ich, versuchte erst gar nicht mich zu wehren als sie die Ketten von der Wand nahmen und mich in den Gang zerrten. Das hatte ich schon längst aufgegeben. Genauso wie zu weinen und zu schreien. Es würde nichts an meiner Lage ändern. Er kannte keine Gnade und erst Recht keine Liebe. Keine Ahnung warum er mich noch am Leben hält, wieder stiegen mir Bilder in den Kopf, das Geschrei von Menschen, vermummte Gestalten und sein kaltes Gesicht, als er mich gefangen nahm und mir den Gerzreif um die Stirn legte und meine Kräfte verschwanden. Ich schwankte, da meine Beine nichts mehr gewohnt waren und spürte wie der jüngere Wächter wie zufällig mit einer Hand über meinen Oberschenkel strich, unter dem knielangen, verschmutzten Hemd. Sein lüsterner Blick entging mir ebenfalls nicht, also stellte ich mein ganzes Dasein auf stumm und ließ die verstohlenen Berührungen meiner Wächter über mich ergehen, bis wir vor der Tür standen, die in mir immer noch pure Panik auslöste. Auch jetzt konnte ich nichts gegen das unkontrollierte Zittern meines geschundenen Körpers machen und schämte mich für meine Schwäche. Doch sie öffneten die Tür und schubsten mich ohne Erbarmen in den Raum, der meine Albträume ausfüllte. Der leicht schräge Steintisch stand wie immer in der Mitte, die Eimer am Fußende und die Schnallen hingen an der Seite herunter. Ich unterdrückte rechtzeitig mein wimmern und strampelte nur schwach, als sie mich auf der Steinplatte ablegten, die Lederfesseln nahmen und an meinen Hand und Fußgelenken befestigten, bevor sie ein weiteres Band über meinem Reif spannten, sodass ich meinen Kopf nicht bewegen konnte. Mit einem letzten Streifen meiner Brust und höhnischem Gekicher verließen die Wachen den Raum und machten meinem Peiniger Platz. Phalos.
"Na Prinzesslein, freust du dich schon?" fragte der Sadist des neuen, unehrlichen Königs und musterte mich aus seinen tiefschwarzen Augen voller Vorfreude. Wie bei jedem meiner unzähligen Aderlasse, um mich zu schwächen. Der Reif auf meinem Kopf nahm mir bereits alle meine Gaben bis auf eine, aber das wussten sie nicht, und dennoch gingen sie Nummer sicher und führten in regelmäßigen Abständen Aderlasse durch. Es war schrecklich und immer wieder eine Qual, an der sich mein Folterknecht vergnügte. Auch diesmal ging er betont langsam zu dem langen Werktisch auf der rechten Seite des Raumes und begutachtete die dargelegten, zahlreichen Waffen. Dolche, Stilettes, Schwerter, Fleischermesser, alles mögliche war dabei. Und alles mögliche hatte er bereits bei mir ausprobiert. Ich hatte keine Ahnung mehr wie lange ich bereits ihre Gefangene war, aber es musste lange sein. Denn trotz der mangelnden Ernährung und Folterung hatte mein jugendlicher Körper sich weitergebildet. Aber wie viel Zeit genau vergangen war, konnte ich trotzdem nicht einschätzen. Es waren zu viele Bebommenheitszustände dazwischen, um es genau zu sagen. Ich konnte bereits seit einem Jahr hier sein oder zwei, maximal drei, hoffte ich zumindest.
"Mal schauen ob ich dich wieder zum schreien bringe... weißt du, ich vermisse diesen Laut" seufzte er da an seinem Tisch und nahm eine Waffe in die Hand, bevor er sich grinsend wieder zu mir herum drehte. Im Schein der schwachen Glaslaternen leuchtete die Klinge des riesigen, zackigen Fleischermesser gespenstisch und ich konnte nichts gegen das regelrechte beben meines Körpers tun, als er damit näher kam. Mit einem genüsslichen Lächeln betrachtete er meine verängstigte Reaktion und lachte leise.
"Selbst dein Körper gehrocht nicht mehr" kicherte er und fuhr mit einem Daumen über meine eingefallenen Wangenknochen. Meine Augen weiteten sich und mit rasenden Herzen versuchte ich meinen Kopf wegzudrehen, doch es war nicht möglich. Die Kopfschnalle hielt mich an Ort und Stelle fest. "Aha, da ist ja endlich unsere kleine Kämpferin" stieß er freudig aus und setzte die Klinge an meiner Wange an. "Wie gerne ich mehr mit dir machen würde... Wäre er nur nicht so stur" seufzte mein Peiniger und schnalzte missmutig mit der Zunge. Mein Atem gefror wenn ich an ihn dachte. Ich wusste genau wen er meinte und vermutlich sollte ich dankbar sein, dass er nicht noch anderes mit mir anstellte, aber alles was ich empfand war lodernder Hass oder bodentiefe Leere. Es gab nichts mehr dazwischen und gerade befand ich mich wieder in letzterem, weshalb ich verzweifelt meine Augen schloss.
"Ah, da hat es aber jemand eilig" meinte er und nahm die Klinge weg, um sie an meinem linken, unverbundenen Arm anzusetzen. "Da wird es mir gleich viel mehr Spaß machen, erst Recht wenn du mal wieder schreist, es ist so langweilig geworden" bemerkte er und ich riss meine Augen wieder auf, als ich den Druck des Messer an meinem Arm spürte und dann setzten die Schmerzen ein. Mal wieder. Und Mal wieder fühlte es sich unerträglich an, obwohl man meinen könnte, ich hätte mich daran gewöhnt. Aber an Schmerzen und Qualen schien der Körper sich nicht zu gewöhnen, zu meinem Pech. Ich versteifte mich und begann gegen jegliche Vernunft an den Fesseln zu reißen, was bei Phalos nur Lacher auslöste. Er fügte mir eine zweite, noch tiefere Wunde zu und arbeitete sich so Schritt für Schritt an meinem gesamten linken, bereits vernarbten Arm voran. Mein Blut ergoss sich auf den Stein, rieselte in die eingebauten Rinnen und floss geradewegs in die bereitgestellten Eimer. Was machten sie immer mit meinem Blut? Das fragte ich mich nicht zum ersten Mal. Doch als Phalos erneut an meinem blutüberströmten Arm ansetzte und in eine bereits verheilte Narbe stach, zischte ich durch zusammengebissenen Zähne und Tränen schossen mir in die trockenen Augen. Sengende Schmerzen wanden sich meinen Arm entlang und machten das Atmen schwer. Ich wollte weg, abhauen, mich verkriechen, doch es gab kein entkommen. Dennoch, die Genugtuung zu schreien gab ich ihm schon lange nicht mehr, was ihn sichtlich störte. Und als dann mein Blickfeld sich an dem Rand schwärzte und meine Sicht sich trübte begegnete ich der mich runterziehenden Dunkelheit erleichtert und war froh, dem Schmerz wenigstens für einige Zeit zu entkommen.