K 9 - Dauerschleife
Ob Nikita noch lebt? Frage ich mich während die Sonne hinter Wiens Prachtbauten versinkt. Möglich wäre es. Schleiereulen leben bis zu 20 Jahre, wenn ich das richtig erinnere. Meine letzte Alles-rund-um-Alec-Google-Session ist schon eine Weile her. Aber davon gab es einige in den vergangenen sieben Jahren. Meist, wenn ich ein oder zwei Bier zu viel getrunken hatte und keine Gesellschaft. Dann setzte ich mich immer wieder mal an den Laptop und stalkte ähm… recherchierte über ihn und alles um ihn herum – Falknerei, Greifvögel, die Burg, etc.
Deshalb weiß ich auch, dass er eigentlich Alec VON Auersberg heißt, einmal ein Schloss in Familienbesitz war, das aber bereits von seinen Urgroßeltern verkauft wurde bzw. verkauft werden musste. Waren wohl die auch keine guten Geschäftsleute. Und Alec wohl sehr uneitel, wenn er das „von“ so unter den Tisch fallen ließ. Oder vielleicht war ihm der verarmte Adel peinlich?
Jedenfalls nach so einer Stalking-Nacht verbot ich mir selbiges dann meistens für mehrere Monate, stürzte mich noch mehr als sonst in die Arbeit oder, wenn sich die Gelegenheit ergab, in eine Affäre.
Tja, diese Taktik war ja sehr erfolgreich wenn ich bedenke, wo ich heute gewesen bin und wo ich morgen wieder (!) sein werde! Dass ‚nicht hingehen‘ – was das logischste wäre! – keine Option ist, spricht ohnehin Bände… Das mit dem Therapeuten erscheint mir immer vernünftiger.
Aber da ja nun gerade kein Seelenklemptner zugegen ist, erhebe ich mich langsam und schlendere zurück ins Hotel während in mir weiterhin Bilder von damals durcheinander wirbeln. Bilder die heute um ein vielfaches mehr Kraft haben. So als wäre deren Farbe aufgefrischt worden – mit 5-D-Effekt.
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Das alles nochmal ganz bewusst – und nüchtern – zu durchleben, hat mich aufgewühlt. So sehr aufgewühlt, dass ich nicht schlafen kann. Hab es wieder mit Arbeit versucht. Hat wieder nicht funktioniert. Also habe ich mir eine Flasche Rotwein aufs Zimmer bestellt und bereits halb geleert.
Was mir blöderweise ein noch intensiveres Bad in Erinnerungen beschert... Boah, dass das Hirn nicht müde wird, das alte Zeugs hervorzuholen! Und es dann auch noch in Dauerschleife legen muss! Augenrollen reicht da echt nicht!
Und jetzt, mit Wein im Blut… da liegt der Fokus auf ganz bestimmten Bildern… War klar. Hätte ich mir denken können.
Genervt stöhnend lehne ich den Kopf an die Bettkannte. Ach was, scheiß drauf! Nicht zum ersten, aber vielleicht zum letzten Mal, wandert meine Hand mit Bildern von damals im Kopf in meine Hose…
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Ich habe geduscht. Dachte ich könnte wegspülen, was mich so aufwühlt. Was das Wasser nicht geschafft hat, kann vielleicht der Rest vom Wein. Ich schenke mir nochmal großzügig ein und nehme gleich mehrere Schlucke. In wenigen Minuten leere ich das Glas und schenke nach. Ich zappe durchs TV-Programm, nehme kaum wahr was ich sehe.
Jetzt, nachdem die Flasche so gut wie leer ist, merke ich, wie meine Lider schwer werden. Jetzt werde ich schlafen können und morgen, morgen werde ich das alles hinter mir lassen. Ich werde diese absurde never ending story endgültig beenden. Mit erhobenen Hauptes. Und dann,… dann werde ich…. schlafen,… ich werde jetzt schlafen… spüre ich wie meine Lider zu fallen und…
…ich bin… ein Vogel… ein Falke… die Luft trägt mich… schwerelos…frei… ein lauter Pfiff…mein eigener Schrei… Sturzflug… mit einem Ziel… ich sehe es, erkenne es nicht… meine Flügel schlagen schnell… Widerstand… die Luft rauscht … ich lande. Nicht auf festem Boden, aber in Sicherheit.
„Those who can fly alone, have the strongest wings.” (@hoodeddreamers)