K 7 – Nachwehen
Die gut 30-minütige Fahrt und der zähe Stadtverkehr reichen, dass ich mich beruhige. Meine Wut hat sich irgendwo zwischen einsamer Landstraße und Stop-and-Go verloren. Zurück bleibt ein ganz komisches Gefühl. Nicht unbedingt Enttäuschung, auch keine wirkliche Traurigkeit. Aber definitiv auch keine Gleichgültigkeit… Das wäre ja zu einfach.
Nein, es ist vielmehr so eine Art Wehmut, etwas Liebgewonnenes gehen lassen zu müssen oder zumindest zu wissen, dass man das nun endgültig tun muss.
Denn während ich mich von Ampel zu Ampel schiebe wird mir klar, dass diese Aktion heute nicht zum Loslassen oder finalen Abschließen gereicht hat – da werde ich für mich nachlegen müssen. Und vielleicht muss ich auch noch ein Stück ehrlicher mit mir selbst sein, oder vielleicht einfach analytischer? So wie im Job?
Jedenfalls ist Wehmut nicht das einzige das mein Inneres umtreibt. Ich habe das Gefühl, ich hätte etwas verloren… Und das ist erstaunlich! Denn bitte was hatte ich denn schon?! Ein paar wenige Stunden mit einem heißen Falkner.
Aber daraus habe ich über die Jahre ein beeindruckendes Luftschloss gebaut und wenn ich meinen Gefühlssalat so betrachte, dann hat mir dieses „Konstrukt“ doch verdammt gut gefallen – wohl besser gefallen, als ich mir bis jetzt eingestanden habe.
Es ist ja nicht so, dass ich dieses Schlösschen ständig gehegt und gepflegt habe! Ganz im Gegenteil! Ich habe es sehr erfolgreich in einen Hinterhof geschoben, aber es war wohl mein kleiner geistiger Garten Eden – und es war schön zu wissen, dass es ihn irgendwo gibt.
Und nun hat der Vogelflüsterer die Abrissbirne geschwungen und zerstört, was eigentlich nie da war.
Oh mein Gott, das hört sich reichlich pathetisch, leicht krank oder zumindest sehr schräg an. Ich seufze und frage mich, ob ich mir das mit einem Therapeuten nicht wirklich mal ernsthaft überlegen sollte…
Ein lautes Hupen lässt mich zur Ampel blicken und weiterfahren. Ich schüttle mich kurz und mache das Radio an. Nein, also jetzt mal ganz ruhig und nichts überstürzen. Ich habe das ganze einfach nicht gut geplant und es ist dementsprechend schlecht gelaufen. Allein das irritiert mich schon. Ich bin gewohnt, dass ich Dinge im Griff habe, dass mir keiner was kann.
Ich muss diese Sache wahrscheinlich einfach etwas sacken lassen und dann nüchtern betrachten und dann ablegen, wie eines meiner vielen erledigten Consulting-Projekte.
Zurück im Hotel versuche ich es mit Arbeit. Damit kann ich mich normalerweise bestens ablenken, ja mich regelrecht geistig darin versenken. Nicht so heute. Gut, dann eben ein Spaziergang durch das abendliche Wien. Ich könnte wo was essen, auch wenn ich null Hunger verspüre. Mangels Jacke schnappe ich mein Jackett, falls es später kühler wird, und gehe los.
Je länger ich durch die schöne Innenstadt schlendere, desto ruhiger werde ich. Ich betrachte die steinernen Zeitzeugen und bin einmal mehr beeindruckt – so viel Geschichte an jeder Ecke. Zwangsweise denke ich an meine Geschichte, meine Geschichte mit IHM. Wie passend stehe ich gerade am Heldenplatz. Nun, damals kam ich mir auch wie ein Held vor; zumindest ein bisschen. Heute denke ich, dass ich es dabei hätte belassen sollen, statt mir einen imaginären Helden zu erschaffen und selbst zu einem Idioten zu werden - viele Jahre lang. Erneut kommt mir das Wörtchen „erbärmlich“ in den Sinn…
Mit einem Seufzen lasse ich mich zu Füßen von Prinz Eugen nieder und schaue über den Platz, der sich mühelos vor meinem inneren Auge zum Schauplatz von damals verwandelt. Und ich wehre mich nicht. Wenn ich das hier beenden will, dann kann ich mich ruhig nochmal voll in der Erinnerung ertränken – vielleicht muss ich das sogar um endgültig einen Strich darunter ziehen zu können.
Also lehne ich den Kopf an den rauen Stein hinter mir und mein Blick verliert sich am Rosa getönten Horizont…
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