Fashion Show
Pearl
Ich war wieder auf der Bühne in dem Auditorium, wo ich immer übte. Dean stand im Gang zwischen den Sitzreihen unterhalb von mir, aber er fühlte sich immer noch wie die größte Person im Raum an. Er rückte seine Armbanduhr zurecht, dann zog er sein Jackett aus und unter seinem cremefarbenen Hemd war sein muskulöser Körper zu erkennen. Er warf das Jackett auf einen Sitz und schob dann seine Hände in seine Hosentaschen, stand gerade und stark aussehend im Gang und blickte zur Bühne. Eine schwarze Krawatte hing vor der Knopfleiste seines Hemdes. Die Kleidung bedeckte das meiste seiner Haut, aber die kräftigen Muskeln darunter zeichneten sich, dort wo er eng an seinem Körper lag, unter dem Stoff ab. Das Hemd spannte sich an seinem Bizeps und seinen breiten Schultern. Es war ironisch, dass er Models unterrichtete, wenn er problemlos selber ein Model hätte sein können. Wäre er nicht so ein Arsch, hätte ich ihn auf einen Kaffee eingeladen, aber das würde ich bestimmt nicht tun.
Die Scheinwerfer waren an, genau wie beim letzten Mal, aber ich konnte ihn klar zwischen den Sitzreihen erkennen. Ich trug ein schwarzes Korsett mit einem Sweethearts-Top und einer dazu passenden schwarzen Hose. Eine Diamantkette hing um meinen Hals und mein blondes Haar war geglättet worden.
Jannas Kleidung ließ einen sexy wirken und genauso fühlte ich mich. Sexy...
„Wir werden nicht aufhören, bis du es richtig machst. Also schlage ich vor, dass du dir Mühe gibst."
In mir loderte es wieder.
Dean arbeitete mit mir, um meine Performance zu perfektionieren.
„Warum tust du das?"
„Warum tue ich was?" Er kam langsam auf die Bühne zu, seine Körperhaltung war bei jedem Schritt perfekt.
„Warum lässt du mich arbeiten wie einen Esel?"
„Weil ich nicht weniger als das Beste akzeptiere. Wenn du Pearl&Precious Kleidung vor aller Welt tragen möchtest, dann solltest du es auch wert sein. Die anderen Mädchen würden alles tun, um so viel Aufmerksamkeit zu erhalten."
Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite und sah mich mit eiskalten Augen an. Die Stille füllte sich mit Anspannung und in einem Moment wie diesem, schien es so, als würde ich meine letzten Atemzüge machen.
Dean war ein furchteinflößender Mann, aber wenn er schwieg und völlig still dastand, dann war das kaum zu ertragen. Das Warten war schlimmer als seine tatsächliche Reaktion. Die Models verehrten ihn und lagen ihm zu Füßen, und alle anderen respektierten seinen unglaublichen Erfolg. Keine Ahnung woher Tyler ihn geholt hatte, ich war mit der letzten Mentorin zufrieden gewesen, sie hatte mich nicht so rumkommandiert.
„Da rüber und zurück. Los." Er drückte auf einen Knopf in seiner Tasche und Musik ertönte.
Ich richtete meinen Körper auf, so gut ich es konnte, und ging dann über die Bühne, darauf achtend, mich gerade zu halten. Meine Hände waren an meinen Hüften, sodass ich fühlen konnte, wie mein Körper von links nach rechts schwang.
Dean ging langsam vor der Bühne neben mir her, seine Fingerspitzen an sein glattes Kinn gelegt. Er hatte sich heute Morgen rasiert, sodass die Linien seines Kieferbereichs klar sichtbar waren. Seine rauen Knöchel waren ebenfalls zu sehen und die Adern auf seinem Handrücken. Alles an ihm war maskulin, von der Finsternis in seinen Augen bis zu seinen Fingerspitzen.
„Gerader."
„Das ist so gerade wie es geht." Ich ging weiter und stellte mir meine Wirbelsäule als eine gerade Linie vor.
„Du bist zu schludrig."
„Wieso bin ich zu schludrig?" Ich erreichte das Ende der Bühne und blieb stehen.
„Erst gestern hast du gesagt, dass ich besser geworden bin."
„Besser bedeutet nicht perfekt. Besser ist das schlimmste Kompliment, das man bekommen kann. Besser bedeutet absolut gar nichts!"
Seine Stimme hob sich nicht, aber seine Verärgerung war unüberhörbar. Seine Stimme wurde ein wenig leiser, aber das bedeutete mehr Verärgerung. Sehr wenige Menschen konnten mehr einschüchternd wirken, wenn sie leiser wurden. Er kam die Treppe an der Seite der Bühne hoch, seine Kiefermuskeln angespannt, jetzt wo ich ein Ärgernis für ihn war. Er kam von hinten auf mich zu, seine Schritte klangen unheilverkündend. „Das ist es, was mich an dir irritiert."
Ich versuchte meinen Stolz herunterzuschlucken, bevor eine Beleidigung aus meinem Mund kam.
„Ich habe dich viel öfter beobachtet, als du es realisierst." Er ging zu meiner anderen Seite, mich umkreisend, wie ein Haifisch, der überlegte wann er zuschnappen sollte.
„Und wenn du denkst, dass du unbeobachtet bist, dann fängst du an, eine gute Performance zu zeigen. Dann hältst du dich elegant, kraftvoll und selbstbewusst. Dann zeigst du, wer du wirklich bist. Ich weiß, wozu du fähig bist, aber du bist sehr wählerisch, wann du es zeigst." Er stoppte direkt vor mir.
„Also hör auf, wählerisch zu sein. Showtime ist jederzeit, das ganze Leben ist eine Show. Wir sind immer auf der Bühne, selbst wenn wir denken, dass uns niemand zusieht."
Ich starre ihn an.
„Du bist echt undurchschaubar. Ich verstehe dich nicht!", seufzte er.
~
Wir arbeiteten vier Stunden lang ununterbrochen, aber Dean war nie zufrieden. Als ein Perfektionist, war selbst perfekt nicht gut genug. Er verließ seinen Sitz am Gang und kam zu mir auf die Bühne. Er trat neben mich und ohne Vorwarnung legte sich seine Hand an meinen unteren Rücken.
Ich hatte nicht erwartet, angefasst zu werden, also erstarrte ich. Die Muskeln in meinem Rücken spannten sich sofort an und zwangen die Seiten meines Körpers sich nach hinten zu krümmen. Meine Schultern bewegten sich gleichzeitig nach hinten und ich zog automatisch meinen Bauch ein. Seine Berührung stimulierte augenblicklich mein Herz und erhöhte meine Blutzirkulation. Mein Atem wurde steifer und meine Fingerspitzen fühlten sich plötzlich kalt an. Ich hasste es angefasst zu werden.
Dean stand hinter mir, ich konnte seinen Atem an meinem Nacken spüren.
„Perfekt." Seine warmen Finger streichelten meinen nackten Rücken. „Stell dir einfach vor, dass meine Hand immer genau hier liegt. Dein Körper krümmt sich nach hinten und du verlagerst deinen Schwerpunkt und jetzt geh."
Ich ging langsam vorwärts und spürte, wie seine warme Hand von meinem Rücken verschwand. Ich ging zum Rand der Bühne.
„Stopp."
Ich blieb am Rand der Bühne stehen, seine unsichtbare Hand immer noch in meinem Rücken spürend.
„Das sieht halbwegs gut aus." Seine Schritte erklangen auf dem Bühnenboden, als er sich von hinten näherte. Er ließ sich Zeit, wie immer wenn er ging, denn er wusste, dass die Leute warten würden. Er kam an meine Seite und sah in mein Gesicht, anstatt zu meinem Körper.
„Jetzt kommt der schwierige Teil. Du musst dem Publikum dein Feuer deine Energie zeigen."
„Mein Feuer?", fragte ich verwirrt. Was war das schon wieder?
„Deine Präsenz", erklärte er.
„Deine Ausstrahlung. Deine Persönlichkeit, aber du musst es ohne Worte tun. Die meisten Models sehen nicht nur wie Königinnen aus, sondern sie benehmen sich auch wie Königinnen. Ihr Selbstrespekt und ihre Autorität bringen die Kleidung erst richtig zur Geltung. Es lässt die Menschen die Kleidungsstücke mit Macht assoziieren, wie eine Krone bei einer Königin. Das ist etwas, das dir nicht so leicht mit einer Berührung am Rücken beigebracht werden kann. Das ist etwas, was du aus deinem Inneren heraus zeigen musst. Ich weiß das du es kannst, denn ich habe es dich schon tun sehen. Ich saß hier in diesem Auditorium, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe."
Ich erinnerte mich daran, aber ich erinnerte mich nicht, irgendetwas Besonderes ausgestrahlt zu haben. „Ich war einfach nur ich selbst."
„Dann tue das wieder." Er ging zurück, seine Hände in seinen Taschen.
„Kombiniere alles und beherrsche diese Bühne!"
~
Die Nacht der Modenschau war chaotisch. Überall waren Kameras, Zeitschriftenredakteure knüpften Kontakte zu anderen Redakteuren aus der Branche. Händler bemühten sich um Jannas und Tylers Aufmerksamkeit. Ich bewegte mich ruhig und gelassen durch den Trubel. Mein Haar und Make up wurde gerichtet. Ich war die letzte, die auf die Bühne ging, weswegen ich noch etwas Zeit hatte. Janna kam rein um sich alle Mädels einmal anzusehen vor der Show.
„Du wirkst nervös."
„Ich muss gleich vor einem Saal voller Menschen modeln. Ja, ich bin ein wenig nervös."
„Sei nicht nervös."
„Leichter gesagt als getan", sagte ich mit einem leisen Lachen.
„Vertrau mir du wirst es rocken!", sagte sie entschlossen.
Alec
Ich saß einige Sitze hinter den Cartas. Die ganze Familie war da um sich die erste Show der jüngsten anzusehen. Wie ich mitbekommen hatte, war sie die letzte. Ich wollte mir ein Bild von ihr machen. Während der Arbeit steckt man viel von seiner Persönlichkeit rein. Ich würde raus finden wie sie war.
Als die Show begann, wandte sich die Aufmerksamkeit aller Zuschauer auf die Bühne, die Lichter wurden gedimmt, die Musik ertönte und dann kamen die Mädchen auf die Bühne.
Wie auf Kommando, stolzierten wunderschöne Frauen über die Bühne, ohne auf ihren extrem hohen Absätzen zu schwanken. Manche waren so hoch, dass sie mehr wie Ballerinaschuhe aussahen. Sie trugen alle verschiedene Kleider, die Janna entworfen hatte.
Ich konnte die Leute aufgeregt flüstern hören und sah wie die Menschen Fotos mit ihren Handys machten. Jede der Frauen auf der Bühne war atemberaubend und sie machten die Kleidung schöner. Das war der Zweck der Sache. Die nächsten Akte kamen, alle verschiedene Themen in der Show präsentierend. Kleidung hatte viele verschiedene Zwecke und sie wurden in verschiedenen Arrangements vorgestellt. Verschiedene Farben wurden verwendet, manche waren knallpink und orange, andere waren neutraler, wie schwarz und weiß. Dann kamen die leuchtenden Farben, wie blau, grün und türkis.
Es gab eine laute Runde Applaus für jeden Akt. Die Bühne veränderte sich leicht und wurde in ein ätherisches Licht getaucht. Die Musik wurde langsamer, königlicher. Die anderen Models verschwanden, die gesamte Bühne einer einzelnen Frau überlassen, einer einzigen Königin.
Nebelschwaden wehten über die Bühne, die Musik wurde wieder schneller und aus dem Nebel tauchte die sexyeste Frau der Welt auf. Stolzierend, als würde ihr die gesamte Oper und jeder in ihr gehören, ging sie auf ihren High Heels über die Bühne. Ihre Hüften schwangen perfekt, ihre Haltung war elegant, und sie blickte ins Publikum, als wären die Menschen dort ihre Untertanen.
Ich konnte das Grinsen in meinem Gesicht nicht unterdrücken.
Sie blieb bei der ersten Markierung stehen und posierte. Sie schwang ihr Haar und streckte ihr Bein aus. Dann drehte sie sich um und zeigte ihre endlosen Kurven in dem funkelnden Material. Ihre Augen waren grün, aber sie brannten wie Feuer.
Dann ging sie weiter.
Ein Meer aus Kameras tauchte sie in Licht und Fotografen rangen miteinander, um das beste Foto zu schießen. Die Menschen würden sagen, dass sie nur das luxuriöse Kleidungsstück interessierte, das sie präsentierte, aber ich wusste, das war nicht der Fall. Sie interessierten sich nur für sie. Sie posierte erneut, schwang ihr Haar noch einmal und blickte mit ihren kühlen Augen ins Publikum. Dann drehte sie sich um und ging wieder zurück, während die Musik spielte. Die anderen Mädchen kamen für das Ende der Show auf die Bühne, gingen nach vorne und posierten noch einmal für die Kameras. Silbernes Konfetti fiel herab, als sie ihre Arme umeinander legten und lächelten. Die Musik veränderte sich erneut und Pearl kehrte zurück. Die Mädchen bildeten eine Gasse für sie, bis sie ihren besonderen Platz eingenommen hatte.
Dann standen alle auf und applaudierten. Standing Ovation.
Ich blieb auf meinem Sitz, meine Fingerspitzen verdeckten das Lächeln, das ich nicht mehr loswerden konnte.
Diese Frau gehörte nur mir!