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9. Kapitel

Ana öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. " Das ist mein Reich," sie zeigte auf ihr Bett und ihren Schrank, sowie das kleine Regal, auf dem sie ihre Schulsachen lagerte. "Ist das alles," fragte Angela ehrlich entsetzt. " Wie kannst du damit auskommen," Sie erinnerte sich daran, wie voll gestellt das frühere Zimmer ihrer Freundin war.

Ana zuckte mit den Achseln und seufzte. " Mehr Platz ist nun mal nicht da."

In diesem Moment flog die Tür des Zimmers auf und Rina stürmte hektisch schnaufend hinein. Ohne die beiden Mädchen zu beachten, begann sie in ihrem Kleiderschrank zu kramen, zog eine große Kosmetiktasche hervor und kippte deren Inhalt auf ihr Bett. Lippenstifte, Kajalstifte, Lidschatten, alles purzelte durch einander auf Rinas Bett. Endlich hatte sie gefunden, was sie suchte. Aufatmend lief sie mit dem passenden Lippenstift zu ihrem Outfit ins Bad und schloss die Tür hinter sich. " Das ist meine Mitbewohnerin Rina, ich wollte euch eigentlich einander vorstellen," schmunzelte Ana.

Dann blickte sie auf ihre Uhr.

" Aber das hat noch Zeit, die Vorführungen beginnen gleich. Lass uns zurück in die Eingangshalle laufen, dort stellen alle Jahrgänge ihr Können unter Beweis. Dann siehst du mal, was wir hier so alles lernen." Ana griff nach dem Arm ihrer Freundin, hakte sich bei ihr unter und schob Angela aus ihrem Zimmer.

Sie liefen in die Eingangshalle, wo schon eine bunte Mischung an Gästen, Lehrern und Schülern herumstand. In der hintersten Ecke warteten die Schüler, die mit ihrer Aufführung beginnen sollten. " Sie beginnen immer mit den höchsten Jahrgängen," hatte Rina ihr erklärt, " dann folgen die jüngeren Schüler und zum Schluss gibt es noch eine besondere Überraschung." Ana erblickte Kylos in der wartenden Gruppe. " Die Viertklässler beginnen", raunte sie Angela zu, " wir sollten sehen, dass wir einen guten Platz bekommen. " Ana blickte über die versammelten Schüler und Lehrer hinweg. " Dort sind meine Eltern." Ihre Mutter blickte hektisch von einem zum anderen. Ihr Vater hatte seinen Arm um die Schultern ihrer Mutter gelegt und blickte sie besorgt von der Seite an. " Mum sieht wie ein verschrecktes Kaninchen aus, das am liebsten davon laufen will, " überlegte Ana.

Obwohl ihre Eltern fast auf dem anderen Ende des Raumes standen, merkte Ana, dass es ihre Mutter ihre gesamte Selbstbeherrschung kostete, ruhig neben ihrem Vater zu stehen. Ihre Mutter schien den Tränen nah zu sein. Nach dem Gesichtsausdruck ihrer Mutter zu schließen, wäre diese am liebsten ins Auto gestiegen und ganz weit weggefahren.

Ana hatte diesen Gesichtsausdruck erst einmal zuvor bei ihrer Mutter gesehen. Sie erinnerte sich genau daran. Es war an dem Tag gewesen, als Ana die Aufforderung erhalten hatte, sich im Center of Power einzufinden, um in die Acedemy aufgenommen zu werden. Was hatte es nur auf sich mit ihrer Mutter und der Acedemy...Ana kannte ihre Mutter eigentlich als eine selbstbewusste Frau, die genau wusste, was sie tat. Ana hatte sie immer als absolut gerecht und ehrlich erlebt. Seit Ana jedoch in der Acedemy lebte, machte sie sich Gedanken über ihre Mutter. Warum war sie denn mitgekommen, wenn es sie solch eine Überwindung kostete überlegte Ana. Sie hätte mir doch erklären können, was sie so bedrückt. Ana schüttelte den Kopf.

" Ich heiße sie herzlich willkommen zu unseren Vorführungen der verschiedenen Jahrgänge." Die Stimme von Mrs. Adams klang durch die bereit stehenden Lautsprecher. Ana drehte sich zu Angela um, die staunend um sich blickte und die große Halle betrachtete. Sie erinnerte sich daran, wie sehr sie selbst gestaunt hatte, als sie zum ersten Mal unter dem gewaltigen Deckenrelief stand, dass neben den Symbolen der fünf Elemente, Wasser, Feuer, Erde, Geist und Strom auch graphische Darstellungen der grossen Göttin zeigte und über ihren Köpfen wachten. " Unsere Schule ist in eine Unter- , eine Mittel- und eine Oberstufe eingeteilt. In der Unterstufe werden alle Schüler gemeinsam in einem Jahrgang unterrichtet," erklärte die Direktorin gerade. " Sie lernen die Grundlagen, erste Übungen mit ihren Kräften. Diese Übungen steigern sich von Jahr zu Jahr, bis sie dazu in der Lage sind, die Übungen so durchzuführen, damit sie nach ihrem Abschluss dem Wohle der menschlichen Gesellschaft dienen können." Die Direktorin blickte sich um und suchte den Blickkontakt mit einigen Schülern. Ana senkte ihren Kopf und hoffte, dass dieser Kelch an ihr vorüber gehen würde. Sie erinnerte sich noch zu gut an die fast hypnotische Kraft, die von der Direktorin ausging, als diese sie an ihrem ersten Tag mit ihren Augen fixiert hatte.

" Als erstes," sprach die Direktorin weiter, " wird jedoch die Abschlussklasse vorführen, wozu ihre Kinder in der Lage sein werden, wenn sie diese Schule komplett durchlaufen haben. Ich bitte die Abschlussschüler nach vorn auf die Bühne. Die Vorführung des Elementes Wasser beginnt. " Ana sah, wie einige deutlich ältere Schüler, die bisher unauffällig am Rand der Menge gestanden hatten, in Richtung Bühne gingen. Eine junge Frau in einem langen schwarzen Kleid, das sich durch seine schlichte Eleganz auszeichnete, trat auf die Direktorin zu. Dann bückte sie sich und griff in einen Korb, der zu ihren Füßen stand. Ana wunderte sich, weil sie den Korb vorher noch nicht bemerkt hatte. Es war, als wäre der Korb aus dem Nichts erschienen. " Wo kommt der Korb plötzlich her?" Angela blickte fasziniert auf die Bühne. Sie sprach Anas Gedanken laut aus, erhielt jedoch keine Antwort

Als die Schülerin sich wieder erhob, hielt sie einen Krug in der einen Hand. Der gläserne Gefäss war durchsichtig. Alle sahen, dass der Krug leer war. Sie drehte sich einmal im ihre eigene Achse, so dass jeder der Besucher und Schüler den Krug sehen konnte. Eine weitere Schülerin brachte einen kleinen Hocker und dazu passend einen etwas größeren Tisch. Sie stellte den Krug auf den Tisch. Inzwischen hatte eine weitere Schülerin die Bühne betreten und einen mit Wasser gefüllten Krug auf die andere Seite der Bühne gestellt. Ohne ein Wort zu sagen,drehte sie sich nur einmal um die eigene Achse und verließ die Bühne an derselben Stelle, wo sie diese betreten hatte. Die erste Schülerin drehte sich in Richtung des Podiums, an dem die Direktorin stand. Die Schülerin senkte ehrerbietig ihren Kopf und wartete. Auf Handzeichen der Direktorin hob die Schülerin langsam ihre Arme. Das Wasser aus dem gefüllten Krug erhob sich und schwebte in einer eleganten Bewegung zu dem leeren Krug und sank in diesen hinein. Plötzlich erklang ein zarter Gesang. Ana beobachtete die Frau auf der Bühne, die ihre Augen geschlossen hatte. Nur ihre Lippen bewegten sich. Leise Musik erfüllte die Halle. Ana spürte die Vibration der Bässe, die wellenförmig durch ihren Körper strömte. Sie schloss ihre Augen und genoss das Gefühl völliger Entspannung, das sich im Rythmus der Musik in ihrem Körper ausbreitete. Ana öffnete ihre Augen einen spaltbreit und blickte zu ihrer Freundin hinüber. Angela blickte verzückt auf die Bühne und wirkte wie verzaubert. Dieser Zauber verflog, als der Jubel und der Applaus der Zuschauer aufbrandete. Die junge Frau verbeugte sich und verließ die Bühne.

Zwei junge Männer mit jeweils zwei brennenden Fackeln in den Händen, betraten die Bühne.

" Unsere Mittelstufe wird die Elemente Feuer und Geist vorstellen. Ich bitte, zunächst die Geistvorführung zu beginnen. Dafür übergebe ich den Kommentar an meinen Lehrerkollegen Mr. Bower." Die Direktorin drehte sich um und zeigte auf den erfahrenen Lehrer, der vor der Bühne wartete. Der Lehrer blickte einmal über die Zuschauer. Dann hob er beide Hände in die Höhe, streckte die Arme nach vorn und winkte die wartenden Schüler der Geist- Gruppe zu sich. Die Schüler bildeten einen Kreis um Mr. Bower. Zunächst wendeten sie ihm alle ihr Gesicht zu, so dass die Zuschauer nur ihre Rücken sehen konnten. Die Schüler fassten einander an den Händen und traten gemeinsam in die Mitte, so dass sie den Lehrer fast berührten. Dann nahmen sie alle ihre Hände und legten sie übereinander auf den Kopf des Lehrers. In diesem Moment erscholl die Stimme von Mr. Bower aus der Mitte. Er begann zu erklären:

" Was Sie hier jetzt sehen, ist der Sieg des Geistes über den Körper. Sie alle wissen, dass wir Menschen auf der Erde der Schwerkraft ausgesetzt sind. An der Acedemy lernen die Schüler, ihre Gedanken auf ein Ziel zu fixieren und damit menschliche Grenzen zu überschreiten. So werde ich jetzt die Schwerkraft überwinden. " In diesem Augenblick streckten alle Schüler gemeinsam ihre Arme in die Höhe. Zwischen ihnen stieg ganz langsam Mr. Bower in die Luft. Arme und Beine eng an den Körper angelegt, erhob er sich aus der Mitte der Gruppe und stieg, bis seine Füße über den Köpfen der Schüler schwebten. " Nun werden die Schüler mich wieder herunter holen, nur, indem die das Wort ' Sinken' denken," erklärte Mr Bower. Dann nickte er den Schülern zu und pfiff einmal. Diese standen mit geschlossenen Augen im Kreis. Alle Zuschauer hielten den Atem an, als der Lehrer langsam wieder zu Boden schwebte.

Ohrenbetäubender Applaus brandete auf, als der Lehrer sich nach der Vorführung im Kreis verbeugte. "Diese Vorführung war nur möglich aufgrund der Fähigkeiten unserer Mittelstufenschüler aus der Geistgruppe."Er drehte sich zu den Schülern um, die in einem Halbkreis hinter ihm standen und applaudierte ebenfalls. "Ich übergebe an die Feuergruppe."

Die jungen Männer mit den vier Fackeln, die bei der vorherigen Vorführung am Rand gestanden hatten, betraten die Bühne. Sie stellten sich in einem Kreis auf und hoben die Fackeln über ihren Kopf. Dann kam eine junge Frau und brachte ein eisernes Gestell mit vier Haltern auf der einen und vier identischen Haltern direkt gegenüber auf die Bühne und stellte es genau in die Mitte. Die Schülergruppe bildete einen Kreis um die Halter. Die junge Frau steckte in die Hälfte der Halter ebenfalls Fackeln, entzündete sie aber nicht. Stattdessen begann sie zu einer leisen Melodie zu tanzen. Die Melodie schwebte leicht durch den Raum.

Das Feuer begann im Rhythmus der Melodie zu flackern. Dann erlosch es. Im selben Augenblick schwebte das restliche Licht von den erlöschenden Fackeln hinüber und entzündete die übrigen.

Einen Augenblick lang herrschte atemlose Stille. Dann brandete ohrenbetäubender Beifall auf. Die Jugendlichen verbeugten sich tief.

Ana klatschte wie wild. " Last but not least ist nun unsere Unterstufe dran. Das Element Erde wird von unseren jüngsten Schülern vorgestellt." Die Stimme der Direktorin hallte aus den Lautsprechern und erfüllte die gesamte Halle. Ana stöhnte. Sie wechselte einen Blick mit Rina und den beiden anderen jungen Frauen, die neben ihr standen. Dann traten sie auf die Bühne hinaus. Ana sah die interessierten Blicke der Zuschauer. Viele hielten ihre Kameras im den Händen, bereit das Geschehen zu dokumentieren. Ana merkte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Dann hockte sie sich auf den Boden und legte ihre Hände auf den Boden. Sie schloss ihre Augen. Als sie diese wieder öffnete, stand eine Glaskiste, gefüllt mit weißem, sauberen Sand vor ihr. Rina hockte ihr gegenüber.Ana nickte der Schülerin, die die Kiste vor ihr abgestellt hatte, zu. Dann hob sie eine Hand und legte sie in den glatten Sand. Einen Momrnt lang passierte nichts. Rina griff nach Anas Händen. Beide Frauen hielten ihre Hände über den Sand. Dann formten sie in der Luft eine Kugel und erhoben sich langsam...Ana hielt den Atem an. Der Augenblick vor dem sie sich so gefürchtet hatte, war da. Zunächst geschah gar nichts, Anas Herz klopfte wie wild. Doch dann erhob sich der Sand, formte sich ebenfalls zu einem Ball und schwebte langsam in die Höhe. Hoch und immer höher. Die Frauen blickten einander konzentriert an. Der Ball schwebte langsam zu Rinas geöffneten Händen. Sie berührte ihn leicht, dann flog die Kugel wie schwerelos zu Ana hinüber. Diese senkte langsam ihre Hände. Die Kugel folgte ihr und landete sicher wieder auf dem Boden. Die beiden Frauen standen auf und verbeugten sich.

Der anschließende Applaus klang wie Musik in Anas Ohren.Mit einem Schlag fiel die Anspannung der letzten Tage von ihr ab. Endlich konnte sie den Tag genießen. Schließlich stand der Höhepunkt noch aus. Die letzte Vorführung war immer eine der Lehrer. Nur die Lehrer durften sich an die Königsdisziplin wagen. Ex Body. Darauf war Ana besonders gespannt, weil sie sich wenig darunter vorstellen konnte. Mr. Bower betrat die Bühne mit zwei jungen Lehrern, die Ana nur dem Ansehen nach kannte. " Wir werden ihnen nun das Schwierigste zeigen, das ihre Kinder am Ende ihrer Ausbildung lernen. Die Beherrschung ihres Geistes. Ex Body - das bedeutet, den eigenen Körper zu verlassen und mit dem Geist zu wandern. Mein einer Kollege wird hier bei Ihnen bleiben. Der andere begleitet mich in mein Büro, die meisten von ihnen wissen, dass es sich am anderen Ende des Gebäudes befindet. Er kontrolliert, dass ich wirklich dort bleibe. Er wird mich auf meinen Stuhl fesseln. Das Bild wird ihnen auf dieses" - er klatschte in die Hände und von der Decke schwebte ein riesiger hochmoderner Monitor herunter- Display übertragen. Dann schreiben sie hier Worte auf diese Tafeln." Er zeigte auf drei Papptafeln. " Ich werde ihnen hinterher sagen, was darauf steht." Mit diesen Worten drehte er sich um und die beiden Herren verließen die Halle. Die Direktorin griff zu den Tafeln und bat: " Bitte nennen sie mir jetzt Begriffe." Aus dem Kreis der Eltern und Schüler wurden zunächst zaghaft, dann immer lauter Vorschläge laut. " Air Car " " Hand " " Pferd," rief Rina. " Sehr gut, das ist schwer zu erraten," bemerkte die Direktorin und schrieb die Worte mit ihrer geschwungenen Schrift auf die Tafeln.

In diesem Augenblick leuchtete das Display auf und gab den Blick auf das Büro frei, in dem Mr. Bower auf seinem Schreibtischstuhl saß, mit den Händen hinter dem Rücken auf den Stuhl gefesselt. " Sie sehen, dass unser Kollege seinen Platz eingenommen hat. Wir legen nun die Tafeln mit den Worten hier in der Halle auf den Boden." Die Dirktorin legte die Tafeln mit der Schrift nach oben auf den Boden. Dann bat sie um Ruhe, " der Kollege muss sich konzentrieren. Er wird aus seinem Körper austreten und hierher zurückkommen, dann liest er die Worte, kehrt zurück in sein Büro und schreibt die Begriffe an seinem Schreibtisch mit seinem eigenen Füller auf einen Block. Dann kommt er zurück und bringt das Blatt mit. Dazu benötigen wir absolute Ruhe." Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Es war, als wenn alle Zuschauer den Atem anhielten. Die Minuten verstrichen. Als Mr. Bower zurückkehrte, wurde er von frenetischem Beifall empfangen, als er das Blatt hochhielt, auf dem tatsächlich die vorher bestimmten Begriffe standen."

"Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde..." stellte Angela fest, die noch ganz im Bann der Vorführungen stand, als sie mit Ana über das Acedemygelände lief.

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Die Acedemy hat gezeigt, dass die Schüler dort besondere Fähigkeiten erlernen. Die eine oder andere dieser Übungen wird Ana im weiteren Verlauf der Geschichte noch dringend benötigen. Wartet es ab.

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