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Kapitel 2

Ich erwachte und merkte sofort, dass meine Wünsche nicht erhöht worden waren. In einem Zimmer, das nicht meins war, in einem Haus, das nicht mein Zuhause war.

Es klopfte.

«Elias? Ich bin’s, Dorothy. Sind Sie wach? Möchten Sie frühstücken?» Seufzend ging ich zur Tür und öffnete sie. Sie trug ihre Haare offen, mit nur einem Stirnband, um sie aus dem Gesicht zu halten. «Guten Morgen!» Begrüßte sie mich erfreut. Ich schaffte es nicht, sie zurück anzulächeln und sagte nur: «Ich möchte gerne frühstücken.» Sei nickte und führte mich wieder in den Speisesaal, aber diesmal war er voll von frisch aufgestandenen Bediensteten, die umher wuselten und sich bedienten. Der Tisch war gefüllt mit Delikatessen. Rührei, Würstchen, Toast, Salat und so viel mehr. Dorothy gab mir ein Teller und sie nahm sich auch einen. «Bedienen Sie sich.» Ich lief zum Tisch und mein Blick schweifte zu all den anderen. Es waren vielleicht schätzungsweise zwanzig Menschen, einer unterschiedlicher als der andere, aber eins hatten sie alle gemeinsam: Irgendein feuerroter Gegenstand. Armbänder, Ringe, Halsketten, Ohrringe, Knöpfe. Ich drehte mich zu Dorothy, die sich recht viele Würstchen auf den Teller packte. Als unsere Blicke sich trafen, schaute sie kurz auf meinen noch leeren Teller, und knallte ein Würstchen drauf. «Die schmecken himmlisch, glaubt mir.» Ich hatte eigentlich keinen Hunger, aber wenn ich hier die Schulden meiner Eltern abarbeiten musste, dann musste ich bei Kräften bleiben. Die Tür des Saals ging auf und der ältere Herr, der mich ins Haus gebracht hatte, trat ein. Wie aus einem Mund, riefen alle: «Guten Morgen, Paul!» Er lachte erfreut und schenkte auch ihnen einen guten Morgen. Er erblickte mich und kam zu mir rüber. «Wie habt Ihr geschlafen, Elias?»

«Gut.» Es war gelogen, aber ich wollte ihm nicht unnötig Sorgen machen. «Nachdem wir gefrühstückt haben, möchte ich Sie ein wenig rumführen, um Sie mit allem bekannt zu machen.» Ich nickte und verbrachte den Rest des Frühstücks schweigend.

Nach dem Frühstück musste Dorothy sich ihrer Arbeit widmen und verabschiedete sich kurz von mir, mit dem Versprechen, dass sie so schnell wie möglich fertig werden würde, um mit mir Zeit zu verbringen. Ich erklärte ihr, dass es nicht nötig sei, dass sie sich meinetwegen nicht überarbeiten solle, doch es war ihr egal.

«Sie ist ein liebliches Mädchen», meinte Paul, nachdem wir uns von Dorothy verabschiedet hatten und wir den Gang hinunter gingen. «Sie steckt voller Energie», sagte ich leise, und er lachte. «Da haben Sie recht.» Wir liefen in ein Zimmer, das riesig und gefüllt mit Regalen war, die wiederum mit Büchern gefüllt waren. Ein langer Holztisch streckte sich inmitten des Zimmers, mit ganz vielen Stühlen aus. Darauf lagen geöffnete Bücher, einige, die aufeinander gestapelt waren. An einem Regal lehnte eine Dame. Sie hielt ein offenes Buch in der Hand und schien es sehr intensiv zu studieren. Sie hatte schulterlange, schwarze, glatte Haare. Sie trug ein langes, enges schwarzes Kleid mit einem feuerroten Gurt. Sie hörte, wie wir eintraten und ihr Blick schweifte kurz zu uns. Sie hatte goldene Augen, die mich ein wenig mit Missachtung ansahen, und blutroten Lippen, die wegen ihrer bleichen Haut herausstachen.

«Das ist also der Neuankömmling.» Ihre Stimme war seidig, aber ich konnte einen bissigen Unterton heraushören. «Das ist der junge Herr Elias», stellte mich Paul vor. Sie hob eine Augenbraue und klappte laut das Buch zu, das sie gerade las. «Das ist Matilda, sie kümmert sich um die Finanzen der Burg.» Ich nickte und versuchte ihr nicht in die Augen zu schauen, denn es schauderte mich jedes Mal, wenn meine Augen ihren kalten Blick trafen.

«Ich führe ihn gerade herum und dachte mir, da du ja hier bist, könnte ich euch einander vorstellen», erklärte Paul weiter. «Sag mir, Elias, aus welchem Grund bist du hier?», fragte mich Matilda plötzlich und sie hatte ein schelmisches Lächeln auf dem Gesicht. «Wurdest du rausgeschmissen?» Ich antwortete ihr nicht, denn es fühlte sich wie eine Provokation an.

«Warte, lass mich raten», sagte sie plötzlich und mir schien, dass ihre Augen ganz kurz glühten. Sie fing aus dem Nichts an zu lachen, und strich sie durch die Haare. «Verkauft! Das ist ja mal was.» Ich fühlte, wie meine Wangen rot wurden. Ich schaute beschämt zu Boden und biss mir auf die Unterlippe.

«Matilda!» Rief Paul empört. Ich konnte hören, wie sie auf mich zukam und wenige Schritte vor mir anhielt. Sie packte mit einer Hand mein Kinn und zwang mich, sie anzusehen. Ihre blutroten Lippen formten sich zu einem Lächeln, als sie sagte: «Deine Gedanken sind dunkel, Elias, so dunkel.» Sie ließ mich los und ihr Lächeln verschwand. «Diese Wut, die du spürst, wird dich auffressen, bis nur noch das mickrige Produkt übrig bleibt, an dem deine Eltern so hart gearbeitet haben.» Paul stellte sich zwischen uns und fing an, wütend auf sie einzureden, doch was gesagt war, war gesagt. Ich ging ohne Vorwarnung aus dem Zimmer und weiter den Gang entlang. Ich atmete schwer und versuchte zwanghaft, nicht zu weinen. Ich hasse es hier! Ich hasse es! Ich hasse es! Ich hasse es! ICH HASSE ES!

Ich hatte mich verlaufen. Vor lauter Wut hatte ich nicht hingesehen, wohin ich ging. Als ich endlich anhielt, befand ich mich in einem mir unbekannten Innenhof. Er war riesig, als wäre der, den ich gesehen hatte, nur eine Tarnung gewesen. Es befanden sich Ställe hier, einige Männer kümmerten sich um die Pferde. Ich sah Dienstmädchen, die mit Körben voller Wäsche miteinander quatschten. Inmitten des Innenhofes stand eine riesige Eiche, die mit ihrer Pracht den ganzen Hof erstrahlen ließ. Ich lief zu ihr hinüber und setzte mich hin.

Ich wollte nicht hier sein, ich wollte weg, so weit weg wie möglich. Wohin willst du schon gehen? Du kennst die Welt nicht und die Welt kennt dich nicht, wie lange würdest du überleben? Ich schüttelte meinen Kopf und lehnte mich nach hinten. Ich schloss meine Augen und versuchte zwanghaft, mich selbst zu überzeugen, dass es gar nicht so schlimm war, ich musste mich nur umgewöhnen, das war alles.

Schwere Schritte hielten vor mir an und ich öffnete meine Augen. Drei Männer standen vor mir, sie trugen schwarze Hosen mit einem genauso schwarzen Hemd, aber die Kleidungsstücke sahen aus, als wären sie nicht aus Stoff gemacht worden. Sie trugen dicke Stiefel, schwarze Handschuhe und jeder von ihnen trug ein feuerrotes Armband. Sie waren gut gebaut und groß. Ihre Gesichter sahen auf mich herab und betrachteten mich misstrauisch. Einer war rothaarig und hatte die Haare kurz geschnitten, seine Augen waren braun und sein Gesicht geschmückt mit Sommersprossen. Der andere hatte blonde Locken, die ihm die Ohren bedeckten, und grüne Augen. Der letzte stand direkt vor mir. Auch er war blond, doch seine Haare waren so kurz geschnitten, dass sie kaum zu den Ohren reichten, und seine Augen waren so dunkel wie die schwärzeste Nacht.

«Name», verlangte er mit tiefer Stimme.

«Elias», sagte ich leise und stand langsam auf. Er musterte mich kurz und fuhr dann mit seiner Befragung weiter. «Aufenthaltsgrund.» Ich runzelte die Stirn und antwortete ihm nicht. «Aufenthaltsgrund», fragte er noch einmal und ich konnte Ungeduld in seiner Stimme hören. Diese Arroganz, die diese Leute ausstrahlten, machte mich so wütend, dass ich ihn nur böse anfunkelte. Er hob eine Augenbraue und kam näher. «Antworte mir.» Ich schüttelte den Kopf und sagte nur: «Wieso sollte ich?».

Er packte mich am Kragen und zog mich näher an sich, sodass ich seinen Atem spüren konnte. «Weil ich es dir befehle», sagte er zähneknirschend.

«Hey, hey, hey, was soll das?» Rief eine Stimme von Weitem, die hastig auf uns zukam. Ich erkannte sie sofort. «Lass ihn los, du Gorilla», schnauzte Dorothy den Mann an, der mich sofort losließ. «Du kennst ihn?», fragte er und sie nickte. Sie hatte einen leeren Wäschekorb bei sich, den sie lässig auf ihrer Hüfte stützte. «Hat er etwas angestellt?», fragte sie ihn bissig und schüttelte den Kopf. «Dann musst du ihn nicht so aggressiv befragen.» Sie umschlang meinen Arm mit ihrem und zog mich weg. Als wir weit genug waren, hielt sie an und drehte sich zu mir. «Was machen Sie hier, Elias?», fragte sie mich besorgt. Toll hast du das gemacht, du bist keine zwei Tage hier und schon hast du dich verlaufen, hast es geschafft, dass drei Männer dich nicht leiden können, und eine der wenigen, die dich anscheinend mögen, muss für dich Babysitter spielen.

«Hab mich verlaufen», brummte ich leise und wich ihrem fragenden Blick aus. «Legen Sie sich bitte nicht mit diesen Männern an, sie gehören nämlich zur Schwarzen Legion.» Nun war ich es, der sie fragend ansah.

«Ich kenne die Details nicht, aber was ich weiß, ist, dass die Schwarze Legion eins der stärksten, aber auch gnadenlosesten Militäre ist, die es gibt.»

«Wieso sind sie hier?», fragte ich sie neugierig. «Zu unserem Schutz», antwortete sie mir, ich wollte nicht weiter nachhaken und blieb still.

Sie brachte mich zurück in mein Zimmer und sagte, dass sie Paul zu mir schicken würde, sobald sie ihn sah. Nicht einmal das kannst du selbst. Ich schmiss mich aufs Bett, packte das Kissen und schrie rein. Nichts klappte, ich war nutzlos, Matilda hatte komplett recht, ich war nur ein Produkt, um Schulden abzuzahlen. Ich sollte mich auch dementsprechend benehmen. Ich stand auf und lief den Gang entlang, in den Speisesaal und direkt in die Küche. Sie war überfüllt mit beschäftigten Köche, die umher eilten, aber sich nie im Weg standen, wie eine gut geölte Maschine. Jemand mit einem Topf eilte an mir vorbei und ich stolperte ein wenig nach hinten.

«Entschuldigung?» rief ich in die Küche hinein, aber niemand antwortete. «Verzeihung?» versuchte ich es nochmals, bis eine junge Dame zu mir kam und unruhig mit dem Fuß auf den Boden stampfte.

«Was?» Sie trug eine weiße Kochjacke mit passenden weißen Hosen. Ihre braunen Haare hatte sie in einen sehr engen Dutt gebunden und keine einzige Strähne ragte raus, man konnte aber eine feuerrote Haarnadel darin sehen. Ich versuchte so kurz und bündig zu reden, wie möglich, weil sie schwer beschäftigt schien. «Ich bin neu hier, und wollte wissen, ob ich behilflich sein könnte.» Die Frau hob eine Augenbraue und musterte mich von Kopf bis Fuß.

«Was kannst du?», fragte sie mich und ich fing an, ihr aufzuzählen, was mir alles beigebracht wurde. «Ich kann Kochen, Frittieren, Abwaschen, verschiedene Arten von Soßen zubereiten, ich weiß auch, wie man eine Speise präse-» «Wie fit bist du?», unterbrach sie mich.

«Was meinen Sie?», fragte ich sie unsicher. «Kannst du schweres Zeug heben?» Ich nickte und sie lächelte. «Gut. Geh in das Lagerhaus und hol mir eine Kiste Kartoffeln.» Ich nickte wieder, doch sah sie fragend an. «Wo ist das Lagerhaus?» Die Frau seufzte und sagte: «Frag jemand anderen, ich habe zu tun.» Und dann verschwand sie im Chaos der Küche. Ich lief aus der Küche und versuchte einen Bediensteten zu erwischen, der mir den Weg zeigen konnte. Leider erwischte mich Paul zuerst. «Junger Herr Elias! Da seid Ihr ja, ich habe mir solche Sorgen gemacht.» Er schien wirklich besorgt zu sein und ich entschuldigte mich. «Verzeiht mir, ich hatte mich verlaufen», erklärte ich ihm und erwähnte die Sache mit der Schwarzen Legion nicht. «Wissen Sie, wo sich das Lagerhaus befindet?», fragte ich ihn aus dem Nichts, er sah mich verdutzt an. «Natürlich, wieso wollen Sie dahin?» Ich seufzte und sagte: «Weil ich das tun muss, wozu ich aufgezogen wurde.» Sein Gesicht wurde bleich und er schaute mich entsetzt an. «Können Sie mich dahin führen?», fragte ich ihn leise und er nickte schweigend.

Das Lagerhaus war riesig, wie eigentlich alles in diesem Schloss. So viele Kisten, und alle beschriftet. Ich suchte nach den Kartoffeln und fand sie recht schnell. Ich packte mir eine Kiste, während Paul unruhig neben mir stand. «Elias, warten wir doch, bis der Herr wieder zurückgekehrt ist, Ihr könnt das alles dann mit ihm besprechen.» Ich ging mit der Kiste in meinen Armen an ihn vorbei und sagte kurz: «Wann kommt er denn zurück?» Er schaute hektisch hin und her und richtete sich nervös die Brille.

«Wisst Ihr es nicht?»

Er seufzte kurz und erklärte mir dann: «Unser Herr hasst es, leere Versprechungen zu machen, daher sagt er uns nie, wann er zurückkehrt.» Er will es euch nicht sagen. Ich nickte nur und ging mit den Kisten zurück in die Küche.

«Vielen Dank, Junge», sagte die Köchin mit einem breiten Lächeln. «Kann ich sonst noch etwas tun?», fragte ich sie, doch sie schüttelte den Kopf. «Nein, aber nochmals vielen Dank.» Und somit war die Sache gegessen. Ich musste etwas anderes finden, was ich tun konnte, sonst war ich nutzlos. Ich versuchte es bei den Ställen, bei den Dienstmädchen, ich fragte Dorothy, ob ich etwas tun konnte, aber niemand wollte meine Hilfe. Du hast es geschafft, dass das ganze Schloss dich nutzlos findet. Ich musste etwas finden, was ich tun konnte, irgendetwas. Ich konnte nicht still sitzen, ich lief durch das ganze Schloss, bis ich wieder in der Bibliothek landete. Bevor ich ganz eintrat, stellte ich sicher, dass ich Matilda nicht traf, und zum Glück war sie nicht da.

Die Bibliothek war wunderschön, so viele Bücher, die ich noch nie gesehen hatte. Ich ließ meine Finger über jeden Buchrücken gleiten, bis ich auf eins stieß, das mein Interesse weckte. Es handelte über Magie, ein Genre, das mich schon immer fasziniert hatte. Ich nahm es mit auf mein Zimmer und verbrachte den restlichen Tag damit, es zu lesen. Ich stand nicht mehr vom Bett auf, auch nicht als Dorothy kam, um mich zum Abendessen zu holen, was ich ablehnte.

«Wie Sie wünschen», sagte sie nur und ließ mich dann wieder allein. Ich war so in das Buch vertieft, als würde ich in eine andere Welt schlüpfen. Deshalb liebte ich Fantasy und Magie so sehr, wenn nämlich so etwas existieren würde, dann könnte ich meine Probleme mit Magie lösen, mit einem Fingerschnippen alles in Ordnung bringen.

Es wurde Nacht und meine Augen kämpften gegen mich, damit ich sie endlich schloss, was ich auch widerwillig tat. Diesmal konnte ich schlafen und am Morgen danach frisch aufwachen. Ich war bereit, neu anzufangen und die Dinge ein wenig anders anzugehen.

Hastiges Klopfen. «Elias?», kam eine nervöse Stimme, die Tür ging auf. Paul kam rein und richtete sich ein wenig die Brille, um sich dann auch noch mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn zu putzen. «Oh gut, Sie sind wach.» Ich streckte mich ein wenig und fing an, mich gelassen anzuziehen. «Was ist los?», fragte ich ihn neugierig. «Der Herr, seine Kutsche wurde gesichtet, er wird bald da sein.»

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