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Am liebsten wäre ich für immer bei ihnen geblieben, aber die Ewigkeit wäre mir zu kurz vorgekommen.
Ich musste es mehrmals durchgehen, bevor es mir gelang, einen zusammenhängenden Brief zu schreiben.
Ich wollte dieses Paar, das mich so herzlich empfangen hatte, nicht verletzen.
Ich mochte sie aufrichtig und deshalb kam es für mich nicht in Frage, ihr Leben in Gefahr zu bringen.
Ich las den kleinen Brief, den ich auf Englisch geschrieben hatte, ein letztes Mal noch einmal.
„Inga, Donatello,
Ich kann Ihnen nicht dafür danken, dass Sie mich so herzlich aufgenommen haben. Sie kannten mich nicht und haben mich eine Zeit lang in Ihrem Zuhause, in Ihrem kleinen traditionellen Haus, willkommen geheißen.
Ich wäre gerne bei dir geblieben und hätte hier gelebt, Russisch gelernt und vielleicht sogar ein Leben in diesem Land begonnen.
Aber dieses Land gehört nicht mir und dieses Leben ist nur ein Traum.
Ich könnte niemals das Leben von Menschen wie Ihnen in Gefahr bringen. Es steht außer Frage, dass die Mafia Sie angreift. Dafür bin ich gezwungen zu gehen.
Du wirst immer in meinem Herzen bleiben und für das, was du für mich getan hast, bin ich dir auf ewig dankbar.
Pass auf dich auf. Ich liebe dich.
Elizabeth xox"
Ich strich das geschwärzte Papier von meiner Handschrift glatt und legte es auf das Bett.
Ich hatte den ganzen Tag mit dieser Familie verbracht.
Die Nacht hatte inzwischen die kleine Stadt im Norden eingehüllt. Inga und Donatello waren vor weniger als einer Stunde schlafen gegangen. Nur ein paar Lebensmittel. Ich hatte auch ein Foto des Paares gestohlen, das war ich nichtnicht stolz, aber es war die einzige Möglichkeit, die ich gefunden hatte, ihre Gesichter voller Zärtlichkeit mitzunehmen.
Ich setzte den Rucksack auf und öffnete langsam die Tür. Ich ging langsam, wie ein Dieb, den Flur des Hauses entlang.
Als ich an der Tür ihres Zimmers vorbeikam, spürte ich einen Stich im Herzen. Wenn ich egoistisch gewesen wäre, wäre ich hier geblieben. Ich hätte mich sogar an dieses Leben gewöhnen können.
Dennoch setzte ich meinen Weg fort.
Denn genau, wenn man jemanden liebt, beschützt man ihn, und ich hatte Gefühle für dieses Paar entwickelt, das so freundlich zu dem Fremden war, der ich war.
Ich ging die Treppe hinunter und blickte ein letztes Mal auf das kleine Haus, dessen drei Wohnzimmer in Mondlicht getaucht waren.
Ich war schon lange nicht mehr in ihrer Nähe, aber als ich die Tür schloss, wusste ich, dass ich diese Familie vermissen würde.
Ich ging durch die Dunkelheit und entdeckte mich selbst in den Lichtern der Stadt.
Hier bin ich wieder in dieser mir noch so unbekannten Stadt, hier bin ich genauso verloren wie ein paar Tage zuvor, als ich zu dem pummeligen Kerl zurückgekehrt war.
Und die gleiche Frage kam mir in den Sinn: Was sollte ich jetzt tun?