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Bist du bereit zu sterben?

Innerhalb weniger Tage war ihr Bruder entführt worden, was sie von ihrem Stalker erfuhr, der sie mit ihrer Vergangenheit konfrontierte und sie dann fast umbrachte, weil sie frech zu ihm war. Schlimmer gings doch nicht mehr... oder? Doch. Genau jetzt kam es schlimmer. Denn nachdem sie aufgewacht war, mit blauen Flecken am Hals, hatte Thiago ihr erklärt, dass es bereits Abend war und die beiden nun aufbrechen würden, um Jackson zu töten. Ihren High-School Mobber, der ihr jahrelang das Leben zur Hölle gemacht hatte. Zudem hatte der Engländer beiläufig gestanden, dass er das Haus, welches nur zwei Straßen entfernt von Jacksons Haus war, nur für diesen Mord gekauft hatte. Was ein verrückter Psychopath.

Nun stand sie also vor der Haustür seines Verstecks und wartete auf Thiago. Das Messer hatte sie, wie vorhin auch, unter der Jacke versteckt und lehnte sich erneut gegen den weißen Pfosten, an dem sie einige Stunden zuvor fast erstickt wäre. Die Erinnerung an seine wuterfüllten Augen jagte ihr noch immer einen kalten Schauer über den Rücken. Man könnte meinen, dass sie einem wilden Tiger in die Augen gesehen hatte und nicht einem "normalen" Menschen.

Plötzlich hörte sie das Geräusch der sich öffnenden Haustier und dann Thiago, der sie ansah, als er das Haus verließ. Sie wusste genau, was jetzt kommen würde und wagte es nicht sich zu widersetzten. Ja, sie wollte gegen ihn ankämpfen und nicht einfach klein bei geben aber er war einfach zu stark. Sie hatte Angst davor, dass er wieder so etwas tun könnte. Dieses Loch in das sie gefallen war... nie wieder wollte sie dorthin.

"Hör auf zu träumen kleines und beweg deinen Hintern auf die Straße" wies er sie an und klang dabei so kalt und befehlend wie immer. Ohne zu zögern nickte sie und stieß sich von dem Pfosten weg. Durch ihre Schritte, knarrte das Holz der Veranda leicht, was sie jedoch nicht wirklich beachtete. Vielmehr war sie darauf konzentriert, was bald passieren würde. Sie hatte sich längst damit abgefunden, dass sie Jackson töten müsste, doch das hieß nicht, dass sie gerne daran dachte. Ein Mord schien so unreal und jetzt sollte sie wirklich einen begehen? Einen Menschen umbringen? Wie oft hatte sie sich mit dieser Frage schon auseinandergesetzt und dennoch nie eine Antwort gefunden.

Keira stieg die wenigen Stufen, der Treppe hinunter, dicht gefolgt von dem Mann, der ihr das Leben zur Hölle machte. Seine starke Präsenz sorgte dafür, dass sie es nicht mal wagte, daran zu denken, wegzurennen oder sich zu währen. Er machte ihr Angst. Fast noch mehr Angst, als der Gedanke an das. was gleich passieren würde.

Ohne ein Wort miteinander zu wechseln, liefen die beiden also durch die Straßen der Vorstadtgegend. Das Mondlicht war schwach aber genug, damit man die beiden Schatten erkennen konnte. Ein verängstigtes Mädchen, mit tiefen Augenringen, aufgerissen Lippen und blauen Abdrücken am Hals, neben einem eiskalten, angsteinflößenden Mann, der alles genau zu beobachten schien. Jeder der die beiden sah, dachte vermutlich, dass die beiden in einer toxischen, gewalttätigen Beziehung war. Keiner wusste, was eigentlich hinter diesem Szenario steckte...

Nach circa 5 Minuten verstummten auf einmal die markanten Schritte von Thiago, was Keiras Aufmerksamkeit auf sich zog. Mit einer bösen Vorahnung drehte sie sich nach links. Dort erblickte sie den Engländer, der ein Haus anstarrte. Es war nicht sehr auffällig. Die Fassade war in einem schlichten hellbraun gehalten und das Dach war strahlend weiß. Die dazu passende Tür, hatte ein kleines Fenster, welches jedoch nicht erkennen ließ, wer dort wohnte. Keira wusste es aber auch so. Intuitiv war ihr klar, dass das hier das Haus von Jackson sein musste. Ein haus, in dem heute ein Mord passieren würde.

Keiras Herz begann schneller zu schlagen und ihre Hände wurden schwitzig. Das Messer, welches an ihre Haut gepresst war, schien auf einmal hart und scharf. Auch wenn es sie nicht verletzte, fühlte es sich so an, als würde es tief in ihre Haut schneiden. Auf ihrer Brust spürte sie einen Druck, der ihr die Luft abzuschnüren schien. Als könnte sie nicht mehr atmen. Dadurch, dass sie das Gefühl hatte keine Luft zu bekommen, beschleunigte sich ihre Atmung. Immer hektischer versuchte sie nach Luft zu ringen, doch es ging nicht. Ihre Lungen füllten sich mit Luft, doch es fühlte sich an, als würde sie jede Sekunde ersticken. Ausgerechnet jetzt bekam sie wieder eine Panikattacke.

Das Keira Panik bekam, entging Thiago natürlich nicht, doch sie war zu verängstigt um irgendwas um sich herum mitzubekommen, weshalb sie auch nicht hörte, wie der schwarzhaarige seufzte und auf sie zu kam. Erst als er direkt vor sie trat und ihre langen, braunen Haare packte, erfasste sie seine Anwesenheit. Ihre panischen Augen fanden sofort seine kalten Augen, welche sie einfach ruhig ansahen. Durch einen kleinen Ruck an ihren Haaren, war sie gezwungen den Kopf in den Nacken zu legen und somit ihren Hals zu entblößen. Noch immer atmete sie hektisch und panisch, was Thiago zu nerven schien.

Anstatt sie zu beruhigen, griff seine starke Hand erneut nach ihrem Hals. Dort lag sie einfach ruhig auf ihrer von Blutergüssen durchzogenen Haut und er blickte ihr weiterhin tief in die Augen, was in Keira nur noch mehr Unruhe und Angst auslöste. Dann beugte er sich etwas weiter zu ihr herunter, so dass sie seinen warmen Atem auf ihren Lippen spüren konnte. Was hatte dieser verdammte Arsch jetzt schon wieder vor? Sie bekam keine Luft mehr und er nutzte das aus, um sie zu küssen? Normalerweise hätte sie ihn weggestoßen aber ihre Hände kribbelten und ihre Arme waren viel zu schwer um sie zu heben, geschweige denn jemanden wegzustoßen.

Dann auf einmal drückte die Hand an ihrem Hals zu. Sofort schoss ein Gefühl der erneuten Panik durch ihren Körper und sie sah Thiago angsterfüllt an. Sie war wieder in dieser Situation, wie vor wenigen Stunden und das sorgte dafür, dass ihr ganzer Körper kribbelte und taub wurde. "B-Bitte... nicht" wimmerte sie leise und klang dabei wie ein kleines, verängstigtes Kind. Wie sollte sie das hier nur überstehen?

"Jetzt bekommst du keine Luft mehr, Prinzessin" hauchte er auf einmal gegen ihre Lippen, doch dieses Mal ohne grinsen oder Arroganz. Stattdessen klang er völlig ruhig und sicher. Dann ließ der Druck an ihrem Hals nach und reflexartig holte sie tief Luft. Inzwischen hatten sich Tränen in ihren Augenwinkeln gebildet, welche wie auf Kommando über ihre Wange rollten, mit jedem Atemzug den sie machte. Moment. Jeder Atemzug, bei dem sie wieder Luft bekam. Sie spürte, wie ihre Lungen sich mit der frischen Nachtluft füllten und sich ihr Herzschlag stück für stück etwas verlangsamte. Was war grade passiert? Hatte er ihr gerade geholfen diese Panikattacke zu überstehen, in dem er ihr gezeigt hatte, wie es sich anfühlte, wenn sie wirklich keine Luft bekam?

Thiagos Daumen, welcher über ihren Hals strich, lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann, der sie festhielt. Er schien ihren langsamer werdenden Puls zu spüren, denn in seinen Augen blitzte Zufriedenheit auf. Er schien ihr tränenüberströmtes Gesicht zu betrachten und fuhr dann fort. "Hat die kleine Kämpferin immer noch Angst? Sag mir nicht, dass du schon aufgegeben hast" brummte er und klang dabei... ehrlich. Kein arrogantes Grinsen. Als wollte er, dass sie weiter kämpfte.

Keira's Puls war zwar langsamer aber dennoch schnell und ihr Atem war hektisch. Die Tränen waren weniger aber sie sorgten immer noch dafür, dass sie sein Gesicht nur verschwommen erkennen konnte. Jedoch hörte sie jedes seiner Worte ganz deutlich und fasste ihren ganzen Mut zusammen. Sie wusste, dass egal was sie antwortete, dieses Mal würde er ihr nicht weh tun. Du wirst mich nie brechen, Arschloch" entgegnete sie ihn und versuchte dabei das Kinn hoch zu halten. In ihren Augen funkelte dieser Wille erneut, denn sie auch neulich hatte, als sie sich gegen ihn gewährt hatte. Auch wenn er manchmal erlosch, irgendwie erweckte sie ihn immer wieder zum Leben.

Ihr gegenüber schien zufrieden mit der Antwort, denn er nickte. Braves Mädchen" brummte er ihr entgegen mit seiner tiefen, raunen Stimme. Es sorgte für eine erneute Welle von Gänsehaut auf ihrem Körper, während sie ihm weiterhin tief in die Augen sah. Diese kalten, gefährlichen Augen, die in ihr ein Gefühl auslösten, welches sie nicht einordnen könnte. War es Wut? Angst? Oder doch etwas anderes? Wer wusste das schon.

Abrupt ließ der Engländer sie los und nickte in Richtung der Tür. "Los jetzt. Wenn wir hier noch länger rumstehen, dann werden die Nachbarn neugierig" murrte er und knirschte kurz mit seinen Zähnen. Dabei könnte man die Muskeln in seinem Kiefer sehen, die sich anspannten. Er wollte es verbergen, doch er war auch nicht so ruhig wie sonst. Interessant.

Keira nickte bloß und setzte sich dann in Bewegung. Mit scheinbar selbstbewussten und schnellen Schritten, ging sie zu dem Haus hinüber. Vor der Holztür blieb sie stehen und wartete auf Thiago, welcher nur wenige Sekunden später hinter ihr auftauchte. Sein Atem war ruhig und beherrscht, als er die Tür zu betrachten schien.

//Und wie kommen wir jetzt da rein?// dachte Keira. Sie traute sich nicht es auszusprechen, nachdem, was beim letzten Mal passierte, als sie solch eine Bemerkung machte. Wie auf Kommando holte er etwas aus der Tasche seiner schwarzen Lederjacke und schritt dann nach vorne, so dass er nun zwischen Keira und der Tür stand. Sein Rücken versperrte die Sicht, doch sie konnte das klirrende Geräusch eines Schlüssels hören. Er hatte einen Schlüssel? Wie denn das?

Bevor sie allerdings weiter hinterfragen konnte, woher er diesen Schlüssel hatte, öffnete sich die Tür, welche Thiago gerade aufgeschlossen hatte. Sie knarrte ein wenig und gab dann den Blick frei auf einen dunklen Flur, welcher eine Treppe erahnen ließ, die in den ersten Stock führte. In Keiras Kopf schwirrten tausende Gedanken umher und dennoch konnte sie keinen einzigen zu Ende denken. Was würde heute Nacht wohl passieren?

Die Tür war offen und nun? Etwas überfordert blickte sie zu dem starken Mann neben sich, welcher den fragenden Blick bemerkte, denn er drehte sich langsam zu ihr. "Was passiert nun? Ist er allein? I-Ich meine wir können doch nicht seine Familie..." stotterte sie und man merkte ihr an, dass sie versuchte sich ein Bild davon zu machen, was gleich passieren würde, doch dabei kläglich scheiterte.

Thiago schmunzelte bei dem Anblick ihrem verwirrten Gesicht und fuhr sich dann durch seine dunklen Haare. Ohne eine ihrer Fragen zu beantworten, griff er nach ihrem Arm und zog sie mit sich in das Haus, in dem in dieser Nacht ein furchtbares Verbrechen geschehen würde.

Die überforderte junge Frau ließ mich mitziehen, auch wenn sie noch immer eine Antwort haben wollte. "Thiago" zischte sie leise, darauf bedacht keinerlei Geräusche zu machen. Der Mann, den sie angesprochen hatte, zog sie jedoch nur weiter, in Richtung der dunklen Holztreppe. Diese stiegen die beiden hinauf, auch wenn es bei Keira eher nur widerwillig war. Vielleicht war es nur ein Weg, um die Angst auf einem rationalen Wege zu verbannen, doch sie wollte so etwas nicht tun, ohne zu wissen wie. Sie wusste nicht, wie man jemanden tötete...

Thiago jedoch schien das egal zu sein und er führte sie einfach weiter, durch das dunkle Haus. Weiter, bis zu einer Tür, welche scheinbar die Tür des Schlafzimmers von Jackson war. Das war alles, was die beiden voneinander trennte. Ein Stück Holz, war das Einzige, was sie von diesem todgeweihten Mann trennte.

Die Hand an ihrem Arm wurde fester und so auch der Knoten in Keiras Hals und der Druck auf ihrer Brust. Auf einmal wurde es ihr wieder bewusst. Sie würde gleich jemanden töten müssen. Einen Mann, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ihr Herz wieder begann zu rasen, ihre Hände zu schwitzen und ihr Atem hektischer zu werden. Die Gedanken in ihrem Kopf brachten ihren Schädel zum pochen und es fühlte sich an, als würde sie jede Sekunde zusammenbrechen.

Plötzlich verstummte alles. Ihre Ohren klingelten einige Sekunden und dann wurde alles Still. Dort stand er. Jackson. Verschlafen und voller Angst in seinen Augen.

"Bist du bereit zu sterben?" fragte Thiago mit einem Grinsen.

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