Kapitel 3: Probetage
PASCAL
Relativ zufrieden stand ich vor meinem Kleiderschrank und betrachtete mich im Spiegel. Meine Haare lagen einigermaßen ordentlich auf meinem Kopf. Ich hatte mir eine schwarze Jeans rausgesucht, ein weißes Hemd und eine schwarze dünne Weste darüber. Das waren alles noch Überbleibsel von meinem alten Job. Drake hatte mir heute morgen bevor er zur Arbeit los war noch Glück gewünscht. Das konnte ich auch brauchen. Ich würde für ein sehr hohes Tier dort arbeiten und durfte und vor allem wollte ich mir keine Fehler erlauben! Ich begutachtete mich noch einmal von allen Seiten, bevor ich meine Schuhe und meine Lederjacke überzog und dann zu meinem Auto latschte.
Schon gestern war ich nervös gewesen, aber heute schiss ich mir fast in die Hose. Die Firmenkarte hing bereits um meinen Hals und den Schlüssel hatte ich in meiner Hosentasche. Ich hatte mir einen kleinen Rucksack mit etwas Wasser und was für Frühstück mitgenommen. Momentan bekam ich nix herunter, das würde sofort wieder raus kommen. Mir war nicht schlecht, aber die Aufregung war zu groß. Je näher ich dem Gebäude kam, desto schlimmer wurde es. Beruhig dich, Pascal. Atme tief ein und aus. Das wird schon, versuchte ich mich zu beruhigen. Es half ein wenig.
Als ich dort um Zehn vor Acht ankam, war es wesentlich voller als gestern Mittag. Dennoch fand ich einen Parkplatz, der nicht ganz soweit vom Gebäude entfernt war. Ich stellte das Auto ab, schnappte mir meinen Rucksack und stieg aus. Auto verriegelt und Schlüssel im Rucksack verstaut. Außer meinem Essen, dem Wasser, Handy und Portemonnaie war da auch nicht mehr drin. Ich ging zu dem Gebäude hinüber und schritt durch die Glastüre. Von weitem konnte ich schon Corinna sehen. Auch die Eingangshalle war noch nicht so sehr voll. Die meisten waren wahrscheinlich in ihren Büros.
"Guten Morgen Pascal. Was hälst du davon, wenn wir direkt zum Du übergehen? Eventuell arbeiten wir ja eh bald zusammen."
"Guten Morgen, sicher ich hab kein Problem damit."
"Sehr schön, fahr einfach hoch. Mister White erwartet dich schon und viel Glück!"
"Danke dir. Wir sehen uns."
"Das machen wir."
Ich ging also zum Aufzug und drückte den Knopf. Es dauerte einen Moment bis dieser kam. Als die Türen sich öffneten stiegen ein paar Leute aus. Ich rückte zur Seite und wartete, bis ich hinein konnte. Die Türen wollten sich gerade schließen, als eine Hand zwischen der Aufzugtüre empor kam.
"Noch geschafft.", murmelte der Kerl.
Es war der, der mich gestern so angewidert angesehen hatte. Er sah mich an und dann wieder weg. Doch Sekunden später flog sein Kopf wieder in meine Richtung.
"Warst du nicht gestern auch da?"
"Ja."
"Arbeitest du jetzt hier?"
"Nur zur Probe diese Woche. Mal sehen, was sich daraus ergibt."
"Dann viel Glück. Entschuldige bitte, wenn ich dich gestern etwas merkwürdig angesehen hab. Ich hatte einfach einen miesen Tag. Hatte nix mit dir zu tun."
"Ist schon gut."
"Ich bin Thomas und arbeite eine Etage dann unter dir."
Er reichte mir die Hand, die ich entgegen nahm.
"Pascal.", antwortete ich knapp.
"Na, dann viel Erfolg!", sagte er und da erreichten wir auch schon die neunte Etage.
Ich nickte ihm noch zu und er verschwand. Ich wartete bis sich die Türen schlossen und fuhr dann noch eine nach oben. Auf dem Flur war nichts los, so wie gestern schon. Einfach nur still. Ich ging bis zum Ende bis zum Büro von Mister White, holte noch einmal tief Luft und klopfte dann an. Keine Antwort. Ich runzelte die Stirn und klopfte ein weiteres Mal. Immer noch keine Reaktion. War er nicht da? Eigentlich wollte ich das nicht tun, aber ich öffnete einfach die Türe. Ein Fenster war weit geöffnet und einige Unterlagen lagen ordentlich auf dem Schreibtisch. Der Stuhl war an die Seite gerutscht, so als sei dort jemand aufgestanden, aber der Chef war nicht da. Hatte er mich vergessen? War er überhaupt da? Ich zog meine Jacke aus und legte sie einfach über den Stuhl auf dem ich gestern saß. Ich hatte ja noch gar keinen Plan, wo die Spinde waren. Ich wollte mich gerade umdrehen und Corinna fragen, als er auf einmal in der Türe auftauchte. Heute hatte er einen grauen Anzug an, seine Haare waren etwas unordentlicher als Gestern, aber er sah immer noch umwerfend aus. Als er mich sah zog er eine Augenbraue nach oben und richtete noch seine Krawatte.
"Oh, Entschuldigen Sie bitte, es war keiner da als ich mehrfach klopfte und da..."
"Dachten Sie, Sie bitten sich einfach selber hinein?"
Oh, Shit. Ich schluckte und schwieg. Immerhin war es ja so, wie er gerade gesagt hatte. Er schnaufte und fuhr sich durch die Haare. Wortlos ging er an mir vorbei und ließ sich auf seinen Stuhl plumpsen. Er hob eine schwarze Kaffeetasse hoch und hielt sie mir hin. Ich nahm sie an mich. Da ich aber nicht sofort los ging, schnauzte er mich an.
"Sie werden wohl wissen, was ich von Ihnen will, oder?", brummte er.
"Eh, ja natürlich. Wo..."
"Auf dem Gang ganz hinten rechts ist eine Küche."
"Okay..."
Ich drehte mich um, hörte noch wie er sowas wie "Meine Fresse" sagte und sah zu, dass ich aus dem Raum kam. War er wegen mir so schlecht gelaunt, weil ich einfach in sein Büro gegangen war oder war er es schon vorher?! Ich atmete kurz durch und ging in die Küche. Außer mir war dort noch eine sehr hübsche Dame mit roten Haaren die sie sich zu einem schicken Dutt hochgekämmt hatte. Sie trug ein farblich passendes Kostüm bestehend aus Rock und Bluse dazu und schwarze High Heels. Als sie mich sah, lächelte sie mich an.
"Hi."
"Ehm, Hi."
"Wer bist du denn?"
"Ich bin Pascal."
"Freut mich, ich bin Carina. Du bist ja echt süß."
"D-Danke..."
Ich wurde rot. Sie lachte.
"Kein Grund, rot zu werden. Bist du noch zu haben?"
"Ehm, sch-schon... aber ich stehe nicht auf Frauen..."
"Oh, wie bedauerlich."
Ich musste schmunzeln und stellte die Tasse auf dem Tresen ab. Da fiel mir ein, dass ich gar nicht wusste wie er seinen Kaffee mochte. Ich schlug mir vor die Stirn.
"Was hast du denn?"
"Ich soll Kaffee für Mister White holen und weiß gar nicht wie er ihn mag... Er hat offenbar schlechte Laune und dadurch habe ich vergessen ihn zu fragen."
"Schwarz."
"Was?"
"Er mag seinen Kaffee schwarz."
"Oh, danke. Woher weißt du das?"
"Also erstens kennt jeder hier den Chef und er brüllt immer rum, wenn jemand ihm schwarzen Kaffee bringen soll und außerdem bin ich seine Cousine. Und du offenbar sein neuer Assistent?"
"Zumindest auf Probe, aber der Morgen lief schon schief also we..."
"DARLING!", rief es auf einmal.
"Oh, Scheiße!"
"Darling?"
"M-Mein Nachname. Ich gehe besser wieder."
Vorsichtig mit der sehr vollen Tasse spurtete ich zurück zu seinem Büro, wo er schon mit ziemlich tiefen Falten auf der Stirn in der Türe stand. Ich war kaum bei ihm angekommen, da riss er mir schon die Tasse aus der Hand und verschwand wieder an seinen Schreibtisch. Der Tag hatte noch nicht einmal angefangen und ich befürchtete jetzt schon, dass ich morgen nicht mehr wieder zu kommen brauchte. Ich seufzte.
"Steh da nicht so dumm in der Tür rum, komm rein und mach sie zu."
"Ohja. Sicher."
"Hier. Ich habe einige unsortierte Akten und abgeschlossene Fälle aus vergangenen Jahre. Sortiere diese bitte ordentlich in die Schränke. Die Fächer sind beschriftet."
"Klar."
Auf einmal war er beim Du. Vorhin hatte er mich noch gesiezt. Er holte ein Headset aus der Schublade klemmte es sich ans Ohr und wählte am PC offenbar eine Nummer, denn nur ein paar Sekunden darauf telefonierte er. Ich versuchte nicht hinzuhören, aber ich war ja im Raum. Dennoch fing ich mit dem sortieren an, damit er nicht dachte ich würde ihn belauschen.
"Du hast nie Zeit, dass ist ja das Problem. Wie lange bist du schon wieder weg? Ein paar Wochen? - Ja, ich weiß. Aber es nervt. Ruf mich an."
Er legte auf, was er dann tat sah ich nicht. Ich war ja beschäftigt. Ob das seine Frau war? Wer sollte sonst nie Zeit haben oder da sein? Irgendwie spürte ich auf einmal seinen Blick in meinem Nacken und ich bekam eine Gänsehaut. Doch er widmete sich seiner Arbeit, telefonierte zwischendurch und ging das ein oder andere Mal aus dem Raum. Irgendwann verließ er den Raum für etwa eine Stunde und kam gegen halb Eins zurück.
"Was machst du denn noch hier?"
"Wie bitte?"
"Es ist Mittag. Du musst doch Hunger haben."
In der Tat knurrte mir der Magen. Ich hatte ja vor Aufregung heute morgen nichts gegessen und bisher weiter auch nicht. Ich stand auf und klopfte mir die Teppichfussel von der Hose. Mister White ging vor und ich folgte im einfach. Wir fuhren mit dem Aufzug bis nach unten und gingen dann in eine riesige Cafeteria. Er ging zur Essensausgabe und dort gab es einiges, was mir das Wasser im Mund zusammen laufen lies.
"Such dir was aus. Für Mitarbeiter ist das Essen umsonst. Außenstehende dürfen die Cafeteria auch nutzen. Mit der Firmenkarte sehen die Caterer ja, ob sie dazu gehören oder nicht."
Ich nickte und wählte einen Hamburger mit Pommes und eine Cola. Mister White nahm sein Tablett und verließ diese wieder. Er sah nach mir und nickte mir zu, dass ich ihm folgen sollte. Wir fuhren wieder zurück nach oben in sein Büro.
"Ich esse nicht gerne unter so vielen Menschen.", sagte er, als wir den Aufzug gerade verließen.
"Ich hab es auch lieber ruhiger.", stimmte ich zu.
"Wenn es stressig ist, kann es sein dass du für uns Beide das Essen holen musst oder wir essen eventuell auch mal außerhalb, falls ich Termine habe."
"Ich würde also dabei sein, wenn sie außer Haus sind?"
"Meistens ja. Aber nicht immer. Kommt drauf an, was ich vor habe."
Wir gingen ins Büro hinein und setzten uns an den Tisch. Mir war ein wenig komisch, weil es jetzt quasi wie Freizeit war und ich nicht wusste, was ich mit ihm bereden sollte. Aber er nahm mir das Thema ab.
"Erzähl mal ein wenig über dich."
"Naja, ich bin Zwanzig und habe nach der Schule halt eine Ausbildung als Assistent gemacht. Ich wohne mit meinem besten Freund Drake zusammen und vor kurzem war ich noch in einer Bez..."
Ich stoppte. Das war doch irgendwie schon zu privat, oder?
"Beziehung?", beendete er meinen Satz.
"J-Ja... Aber er hat mich abgeschossen."
"Er?"
"Ohja, ich stehe auf Männer."
Er nickte nur.
"Okay, kein Problem. Du sollst ja hier deine Arbeit machen und da ist es mir egal wen oder was du magst. Ich muss mich noch entschuldigen, dass ich dich heute morgen so angefahren habe. Ich habe sehr viel Stress auch privat und das wirkt sich oft auf meine Launen aus. Also es kann öfter vorkommen, ist dann aber nicht persönlich gegen dich gerichtet."
"Oh, Danke. Ich habe schon gedacht, ich habe hier heute morgen direkt alles vermasselt."
"Nein, dass du einfach ins Büro bist, fand ich in der Tat nicht so gut. Aber das hätte ich wahrscheinlich auch nicht so eng gesehen, wenn meine Laune nicht so schlecht gewesen wäre. Also wenn ich nicht da bin, dann warte einfach kurz."
Ich nickte. Wir redeten viel über belangloses. Also eher ich, als er. Über sich redete er fast gar nicht und ich traute mich auch nicht so nachzufragen. Nach dem Essen brachte ich die Tabletts weg und begab mich dann wieder an meine Arbeit, die mich auch fast bis Feierabend hinhielt. Gegen kurz vor Fünf streckte ich mich.
"Du kannst morgen weiter machen."
Ich drehte mich ruckartig um.
"Heißt das, ich darf wieder kommen?"
Er schnaufte belustigt.
"Ich beurteile dich erst, wenn die Tage rum sind. Immerhin sind es Probetage und nach einem kann keiner zeigen was er kann. Und du sollst ja nicht nur Unterlagen einsortieren."
"Ich bin eh fast fertig."
"Gut, morgen kannst du eine Stunde später kommen. Ich habe morgen früh noch was zu erledigen und werde nicht vor Neun Uhr da sein."
"Danke sehr."
"Kein Problem. Mach die Türe zu, wenn du gehst."
"Ja."
Ich nahm meine Jacke die noch über der Lehne hing. Da fiel mir was ein.
"Wo sind eigentlich die Spinde?"
"Gegenüber von dem Büro hier."
"Okay, dann weiß ich das morgen und Entschuldigung für heute morgen."
"Ist schon gut. Bis morgen."
"Bis morgen."