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1. Kapitel

ARTEMISIA

„Ich, Riccardo Saviano, zukünftiger Alpha des Grauen Schattenmond-Rudels, weise dich, Artemisia Guerrieri, Tochter von Alpha Franco des Blutmond-Rudels, als meine Gefährtin und zukünftige Luna zurück.“

Ich zucke zusammen, als meine Füße die Oberfläche des kalten Wassers berühren, und stöhne auf, als die Erinnerung an den Tag, an dem ich die Zurückweisung der Liebe meines Lebens hingenommen habe, vor meinem inneren Auge auftaucht.

Rick und ich waren schon seit einer Ewigkeit zusammen. Seit dem Tag, an dem wir uns im Kinderwagen begegneten, waren wir ein Paar.

Zumindest dachte ich das.

Wir begannen offiziell miteinander auszugehen, nachdem er mir in der Highschool den ersten Kuss gestohlen hatte, und obwohl meine Mutter mir in langen Vorträgen erklärt hatte, dass ich meine Jungfräulichkeit bewahren sollte bis ich meinen Partner kennenlernte, gab ich mich ihm komplett hin als wir aufs College gingen und von den Ältesten unserer Rudel die Erlaubnis erhielten zusammenzuleben.

Da unsere Rudel bereits eine Menge Land und Einrichtungen gemeinsam nutzten, wurde unsere Verbindung von allen sehr wohlwollend angesehen. Und ich war wohl nicht die Einzige, die es kaum erwarten konnte, herauszufinden dass er mein Gefährte war. Mein Vater hatte viel darüber gesprochen, dass unsere Verbindung zu einem wirklich starken Bündnis führen würde.

Nun, dumm gelaufen.

Er wurde ein paar Monate vor mir 20 Jahre alt, und da er sich seltsam verhielt, hatte ich Angst, dass er herausgefunden haben könnte, dass ich nicht seine vom Schicksal bestimmte Gefährtin bin. An meinem 20. Geburtstag war ich also unendlich erleichtert.

Bis zu dem Moment, in dem ich es nicht mehr war.

Als beliebtes und verwöhntes Mädchen hätte ich mir sicher alles vorstellen können, außer, dass ich an meinem Geburtstag ohne jegliche Erklärung abgewiesen werden würde. Da meine Träume und Pläne für meine Zukunft an dem Tag, der der glücklichste meines Lebens sein sollte, zerstört wurden, brauchte ich eine ganze Weile, um mich wieder aus der Asche zu erheben.

Mein einziges Glück war, dass ich, obwohl ich bereit war, alles aufzugeben, nicht aufgab und mein Studium fortsetzte, da ich mich zu sehr schämte nach Hause zu gehen und meiner Familie gegenüberzutreten.

Während mein Vater und meine Mutter es eher pragmatisch sahen und den Verlust der Allianz mehr betrauerten als meinen Herzschmerz, waren meine Brüder ausser sich vor Wut. Ich habe wohl ein paar Rudelkriege verhindert, weil ich meine Brüder davon abgehalten habe Rick zu töten.

Es ist jetzt vier Jahre her, dass ich das College verlassen habe und wieder zu Hause bin. Ich habe mich gut regeneriert und konnte eine Ausbildung zum Rudelarzt für unser Rudelkrankenhaus abschliessen. Mein Herz konnte leider nicht wieder so ganz in Schwung kommen, wie ich es mir erhofft hatte. Es schien, als wäre der Schmerz einfach zu groß, um ihn zu ertragen.

Ich seufze tief, als ich auf der anderen Seite des Sees eine Gruppe von Kindern beim Spielen beobachte.

Was ist mit Riccardo passiert, wirst Du dich fragen? Nun, er kam als Held von der Universität zurück und trat die Nachfolge seines Vaters als Alpha vor zwei Jahren an. Er wurde mit seiner Auserwählten gepaart, als er noch auf der Universität war, und hat jetzt zwei Kinder im Alter von 6 und 4 Jahren.

Ja, genau. Du hast es erfasst.

Ich entdeckte den Grund für meine Ablehnung ziemlich bald, nachdem es passiert war. Seine gewählte Gefährtin war bereits im vierten Monat schwanger, als ich es herausfand.

Das Heulen, das mein Wolf daraufhin ausstieß, war genauso niederschmetternd wie der Liebeskummer selbst. Mein Herz brach auf eine Art und Weise, die mich glauben ließ, dass es nie wieder in Ordnung gebracht werden könnte.

‚Das ist alles deine Schuld! Du hättest mehr tun müssen, um unserem Gefährten zu gefallen!‘ zischte mein Wolf, Cassandra.

‚Das ist nicht wahr!‘ schrie ich, als ihre Stimme schmerzhaft durch meinen Kopf dröhnte, ‚Ich habe alles getan, was er von mir wollte!‘

‚War wohl nicht genug!‘ erwiderte sie vorwurfsvoll, was mich zum Wimmern brachte.

In den nächsten Tagen versuchte ich, sie dazu zu bringen, wieder mit mir zu sprechen. Ich flehte sie an, mit mir zu reden, aber sie ignorierte mich. Und zeigte sich mir nie wieder.

Wenn nicht um mich für mein Verhalten im täglichen Leben zu tadeln.

Weißt Du, unsere Beziehung zu unserem inneren Wolf ist wesentlich für unsere Art. Sie in einem so entscheidenden Moment zu verlieren, vervielfachte den Schmerz, den ich fühlte.

Da ich die Tochter des Alphas war, konnte ich immer noch als Rudelärztin ausgebildet werden, aber ich war sicherlich das nutzloseste Wesen im Rudel, und das wusste jeder.

„Missy!“ Ich drehe mich um, als ich sehe, wie mein jüngerer Bruder einen Stein in seinen Weg tritt. „Mama will mit dir über Gios Krönung sprechen.“

Ich stöhne, nehme meine Schuhe und stehe auf. „Ich werde helfen, aber ich werde nicht gehen!“

„Das musst du. Gio wäre traurig, wenn du es nicht teilnimmst.“

Mein älterer Bruder wäre wirklich traurig, wenn ich seine Krönungszeremonie verpassen würde. Er und seine Gefährtin haben monatelang für diesen Moment trainiert, und ich weiß genau, wie nervös er ist. Obwohl ich mich bei jeder Gelegenheit damit brüste, über Riccardo hinweg zu sein, fürchte ich mich vor dem Moment, ihn bei der Zeremonie zu treffen. Außerdem ist es immer das Schlimmste, ihm ohne einen Gefährten an meiner Seite gegenüberzustehen.

Ach, was man nicht alles für die Familie macht.

Auf dem Rückweg mit meinem jüngeren Bruder, der ununterbrochen von seinem Sparringkurs in der Schule erzählt, erreiche ich unser Rudelhaus ziemlich schnell. Aufgrund meiner zahlreichen Familie leben nur ein paar meiner Brüder bei uns, da die Familie des Betas sonst keinen Platz gehabt hätte.

Das Herrenhaus ist lächerlich groß. Im Keller befinden sich die Quartiere der Omegas, die in der Villa arbeiten. Im Erdgeschoss und im ersten Stock befinden sich die Quartiere der ungepaarten Krieger und der diensthabenden Wachen sowie die Speisesäle, die Unterhaltungs- und Gemeinschaftsräume, die Küchen und eine kleine Bibliothek. Im Stockwerk darüber leben mein jüngerer Bruder Fabio und meine jüngeren Zwillingsbrüder Zaccaria und Zeno mit mir zusammen. Im vierten Stock befinden sich die Zimmer des Betas meines Vaters und seiner Familie. Sie werden bald in ein hübsches Haus in der Nähe des Marktplatzes umziehen müssen, da der Beta meines Bruders nach der Zeremonie mit seiner Familie einziehen wird. Mein Bruder, der derzeit mit seiner Familie im fünften Stock wohnt, wird bald in das oberste Stockwerk ziehen und so mit meinen Eltern das Quartier tauschen.

Ich liebe meine Familie sehr, und das Einzige, was die Sache noch besser machen würde, wäre wenn meine älteren Zwillingsbrüder, Cristian und Costa, auch bei uns leben könnten.

Ich finde meine Mutter in ihrem Büro und klopfe an die offene Tür, woraufhin sie mit einem breiten Lächeln zu mir aufsieht. „Ah, Missy, da bist du ja.“

„Hey, Ma. Gibt es eine Möglichkeit, dass ich helfen kann, ohne gehen zu müssen?“

Sie kichert und schiebt sich die Brille auf die Nase, indem sie das Gestell in der Mitte anstupst.

„Schatz, wir haben das schon besprochen. Wir alle müssen deinem Bruder unsere Liebe und Unterstützung zeigen. Was werden die Leute bloss denken, wenn du nicht kommst?“

Ich nehme das Dokument, das sie mir über ihren Schreibtisch reicht, und lasse mich mit einem Stöhnen auf den davorstehenden Stuhl fallen.

„Du musst dir die Namen der Gäste merken, damit wir einen guten Eindruck machen können.“

„Mama, das sind Hunderte von Namen!“ rufe ich und schaue sie mit großen Augen an, aber sie winkt nur abweisend.

„Oh, ich habe die wichtigsten markiert, und du hast doch ein paar Tage Zeit.“

Ich rümpfe die Nase, überprüfe die Liste und murmle „Das kann doch nicht wahr sein.“

Sie summt fröhlich vor sich hin, als mein Blick auf einen besonderen Namen fällt.

„Blackwood“, flüstere ich vor mich hin und lenke die Aufmerksamkeit meiner Mutter auf mich.

„Was war das, Schatz?“

Ich blättere die Seite um, damit sie sie sehen kann, und sie blinzelt mit den Augen. „Du hast den Blackwood-Erben eingeladen. Aus dem Blutigen Reißzahn Rudel?“

Sie nickt, während sie ihre Brille anhebt, um besser lesen zu können. „Ja. Wir mussten es tun.“

„Warum?“ frage ich und erhebe mich von meinem Platz.

Sie seufzt und kritzelt etwas in ihr Notizbuch.

„Die Abmachung, die wir mit ihnen haben, ist wirklich wichtig für uns. Er ist schon jetzt instabil genug.“

„Abmachung“, spotte ich und knalle das Dokument zurück auf ihren Schreibtisch. „Sie brechen diesen nutzlosen Pakt doch wann immer sie können.“

Meine Mutter seufzt und hebt ihren Finger vor mein Gesicht. „Deshalb müssen wir besonders nett zu ihnen sein. Sie spielen nur mit uns, weil sie stark sind. Stell dir vor, sie würden uns wirklich angreifen. Das wäre furchtbar. Jetzt sei eine nette junge Dame und hilf mir, die Blumen auszusuchen. Luna Diana hat dir doch das Kleid gezeigt, das sie ausgesucht hat, oder?“

„Das kann doch nicht euer Ernst sein!“ schreie ich sie an und riskiere, für meine Unverschämtheit hart bestraft zu werden. „Kein Wunder, dass sie ständig mit uns spielen! Diese arroganten Bastarde haben es nicht verdient, die feierliche Krönung meines Bruders zu ruinieren, genauso wie alles andere!“

Meine Mutter sieht mich mit einem verärgerten Blick an und schürzt die Lippen. „Du wirst dich jetzt beruhigen und deinen Ton mäßigen, oder ich werde ein Gespräch mit deinem Vater führen. Du bist sicherlich nicht in der Lage, eine solche Situation zu beurteilen. Und ich warne dich, du wirst dich bei der Zeremonie benehmen!“

„Mach dir keine Sorgen, Mama“, spotte ich als ich zur Tür herausstürme.

„Ich werde brav stillhalten, wenn sie mich angreifen wollen!“

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