Kapitel 2: Probearbeit
Shinoa folgte mit Holly Cana. Cana erklärte und zeigte den Mädchen ihre tägliche Arbeit. Während Cana mit ihren Schützlingen gerade den Korridor abstaubte, kam ihnen ein männlicher, gut aussehender Dämon entgegen.
Cana stellte sich sofort ordentlich hin, bewegte den rechten Fuß hinter die linke Ferse, beugte die Knie, senkte den Kopf leicht und machte einen leichten Knicks. Shinoa machte es ihr sofort nach, während Holly zu dem Dämon schaute. In einer Kurzschlussreaktion legte Cana ihre Hand auf ihren Kopf und drückte ihn herunter. «H-hey …», stotterte Holly. «Bleib unten», zischte Cana, «das ist der jüngere Bruder von König Lucifer, Prinz Draven.»
«Guten Tag, die Damen», grüßte Draven beim Vorbeigehen und lächelte. «Guten Tag, Prinz Draven», kam es von Cana. Draven blieb stehen, drehte sich um und schaute zu den Mädchen. «Ist heute der Tag vom Vorstellungsgespräch inklusive Probearbeiten?», fragte er. «Ja, Hoheit», antwortete Cana. «Verstehe. Na dann, viel Glück euch zwei», meinte Draven und ging wieder seinen Weg. Die drei Dämoninnen erhoben sich wieder und gingen ihrer Arbeit nach.
Gegen Mittag trafen sich alle vor der Küche. «Für den Mittagdienst brauche ich Cana, Sayaka und Shagotte. Normalerweise machen wir um 13:30 Uhr Mittag, aber da der Mittagservice für die Königsfamilie reibungslos verlaufen muss, könnt ihr jetzt schon Pause machen. Yukino wird euch zeigen, wo unser Personalraum ist, und sie wird euch Gesellschaft leisten, bis wir fertig sind.» Wie aufs Stichwort kam Yukino aus der Küche raus. «Hallo», grüßte sie.
«Darf ich fragen, wieso sie zur selben Zeit wie der König und seine Familie isst?», fragte Shinoa. «Na klar, ohne Fragen lernt man nichts. Ich bin seine Zofe und als diese sollte ich immer zur Stelle sein, wenn er was benötigt. Bei den Mahlzeiten braucht Lucifer nie etwas Spezielles, dann kann ich in dieser Zeit meine Pause machen und auch was essen. Nach circa einer Stunde sind sie mit dem Essen fertig, dann beginnt meine Schicht wieder und die anderen haben dann für eine halbe Stunde Pause», erklärte Yukino. «Wieso dürfen die anderen nur eine halbe Stunde Pause machen und Ihr eine?», stellte Shinoa eine weitere Frage. «Saphyra und die anderen haben eine geregelte Arbeitszeit, von 8:15 Uhr bis 20 Uhr, mein Dienst beginnt um 6:45 Uhr und endet dann, wenn Lucifer sich zurückzieht, mal früher, mal später», erklärte Yukiko. «Verstehe, danke», bedankte sich Shinoa.
«Dann kommt mal mit, wir holen unser Essen ab und gehen dann in den Personalraum. Hey Jungs, wir sind sieben Personen zum Essen!», rief sie in die Küche und hielt den Mädchen die Küchentür auf. «Wissen wir bereits, Yuki», rief eine Stimme zurück. In der Küche standen drei weitere Dämonen. «Darf ich vorstellen, unsere Küchencrew, Lux, Zeb und Savage.» «Hallo, die Damen», grüßte Zeb. «Wir bekommen süße, neue Arbeitskolleginnen», kam es von Lux, der daraufhin einen Schlag von Savage einkassierte. «Gleich nicht mehr, wenn du weiter so quatschst.» «Schon gut, kein Grund, gleich gewalttätig zu werden», erwiderte Lux beleidigt. «Was habt ihr denn heute für uns vorbereitet?», fragte Yukino, um vom Thema abzulenken. «Was Köstliches», prahlte Savage, «Reis, Poulet-Curry und Gemüse.»
Lux bereitete sechs Portionen zu, bei der siebten Portion, als er gerade das Poulet-Curry auf den Teller anrichten wollte, stoppte Shinoa ihn. «Für mich bitte nur mit Reis und Gemüse.» «Vegetarierin?», fragte Lux. «Ich esse Fleisch, bin aber kein großer Fan davon», erwiderte Shinoa. «Aha», kam es nur von Lux.
«Lass sie in Ruhe, Lux, jeder bevorzugt was anderes, und wenn sie lieber Gemüse und Beilagen mag, dann ist das ihr gutes Recht», verteidigte sie Zeb. Lux gab Shinoa den Teller nur mit Reis und Gemüse und Yukino führte die Dämoninnen in den Personalraum.
~~Währenddessen im Speisesaal~~
Saphyra, Cana, Sayaka und Shagotte deckten den Tisch fürs Mittagessen fertig ein. Als Erster traf Draven ein und nahm seinen Platz ein, als Nächstes folgten Lucifers Kinder, die Zwillinge Beliath und Nereus und die jüngste Tochter Mazikeen, zehn Minuten später betrat der König den Speisesaal. Als alle ihren Platz eingenommen hatten, schenkte Cana allen Wasser ein. Shagotte und Sayaka servierten die Vorspeise. «Wir beginnen mit der Vorspeise, die Küche hat heute für euch einen Mango-Avocado-Salat mit Limetten-Dressing zubereitet», verkündete Saphyra.
Mazikeen schaute auf ihren Teller. «Muss ich das essen?», maulte sie. «Ja, musst du», sagte ihr Vater. «Aber …», versuchte sie zu widersprechen, der König kam ihr jedoch zuvor: «Du bekommst dieselbe Antwort wie bei jeder Mahlzeit, die du nicht essen willst. Du isst das, was die Küche zubereitet und dir hingestellt wird.» Mazikeen schmollte, doch Lucifer ging nicht weiter darauf ein. Draven und die Kinder warteten, bis der König zum Besteck griff und den ersten Biss nahm.
Als alle aufgegessen hatten, räumte Shagotte die leeren Teller mit dem Vorspeisebesteck ab und brachte es in die Küche. «Dürfen wir den Hauptgang servieren oder möchtet Ihr noch einen Moment warten?», fragte Saphyra. «Wir warten noch einen Moment», antwortete der König. Saphyra ging in die Küche, um es den Köchen mitzuteilen.
~~Wieder im Personalraum~~
Alle saßen vor ihren leeren Teller und starrten Löcher in die Luft. Shinoa stapelte alle Teller zusammen. «Ich bring die in die Küche zurück», teilte sie Yukino mit. «Findest du den Weg?», fragte sie. «Hier durch die Tür, bis zur ersten Abzweigung, dann links, dann ein paar Schritte geradeaus und schon bin ich vor der Küchentür», antwortete sie. Yukino nickte zustimmend. Shinoa brachte das Geschirr zurück in die Küche. «Wo darf ich das Geschirr hinstellen?», fragte sie in die Runde. Zeb schaute zu ihr und meinte: «Du kannst es einfach dort ins Spülbecken bei der Spülmaschine hinstellen, wir spülen es dann ab.» Shinoa stellte alles ins Spülbecken.
Sie schaute zur Tür, die zum Speisesaal führte. «Neugierig?», fragte Savage. «Ja. Ich würde gerne sehen, wie der Mittagservice abläuft», gab sie zurück. «Ich denke, das ist machbar», meinte er und öffnete die Tür zum Speisesaal. Er winkte Saphyra zu sich heran. «Ist was passiert?», fragte Saphyra besorgt. Shinoa schüttelte den Kopf. «Ich würde gern zusehen, wie der Mittagservice abläuft. Nur wenn es keine Umstände macht.» «Zusehen würde gehen, ich kann dich einfach keiner Arbeit zuweisen und du musst still sein», bot Saphyra ihr an.
Shinoa nickte. «Gut, sie legen gerade eine Pause ein, bevor sie mit dem Hauptgang weitermachen. Bleib einfach an meiner Seite», erklärte Saphyra und ging mit ihr in den Speisesaal. Saphyra stellte sich an ihren gewohnten Platz etwas abseits vom Tisch und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, Shinoa stellte sich neben sie und machte es ihr nach. «Der, der am Kopf des Tisches sitzt, ist Lucifer», flüsterte Saphyra ihr zu, «der erste Stuhl zu seiner Linken war für seine Frau Sphinx, möge sie in Frieden ruhen, auf dem zweiten Stuhl sitzt der erstgeborene Beliath, auf dem dritten Stuhl sein Zwillingsbruder Nereus und auf dem vierten Stuhl sitzt die drittgeborene Mazikeen. Zu Lucifers Rechten haben wir auf dem dritten Stuhl seinen Bruder Draven, und die ersten zwei Plätze sind für seine Eltern.» «Wie alt waren die Kinder, als das Attentat auf ihre Mutter verübt wurde?», fragte Shinoa ganz leise. «Lass mich schnell überlegen … das war vor 55 Jahren, die Zwillinge sind im Alter von 70 Jahren, beim Attentat, als sie ihre Mutter verloren, waren sie 15 Jahre alt, Mazikeen ist fünf Jahre jünger. Sie waren noch Kinder, als es geschah», rechnete Saphyra aus.
«Und der oder die Täter?», fragte Shinoa. Saphyra schüttelte den Kopf. «Den hat man bis heute nicht geschnappt. Lucifer hat das Ganze nicht vergessen und sucht immer noch nach der Person.» «Das kann ich verstehen», sagte Shinoa und schaute vorsichtig zum Tisch.
Die Erwachsenen waren in einem Gespräch vertieft. «Bruder, ich habe schon wieder eine Beschwerde über dich erhalten», sagte der König. «Beschwerde? Wegen mir? Ich habe den Mädchen, die ich heute sah, nur Glück gewünscht», verteidigte sich Draven. «Ich spreche von Itona. Würdest du sie endlich in Ruhe lassen?», bat der König. «Klar, sobald ihr Herz mein ist», sagte Draven verliebt.
Lucifer seufzte. «Wenn sie wegen dir kündigt, verliere ich meine beste Wache und dann bist du schuld.» «Wird sie nicht, Bruder, du machst dir zu viele Sorgen», beruhigte ihn Draven. Lucifer merkte, dass die Unterhaltung mit seinem Bruder nichts brachte, und schaute zu Saphyra, diese nickte, gab Shinoa ein Zeichen, dort auf sie zu warten, und ging in die Küche.
Lucifers Blick fiel auf Shinoa. «Wer ist das?», fragte er. Draven und die Kinder folgten seinem Blick. «Eine Schönheit», kam es von Nereus. «Eine Schönheit, die zu alt für dich ist», holte Beliath seinen Bruder wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. «Frag sie doch einfach», sagte Mazikeen. Draven stand auf. «Die Dame, würdet Ihr bitte nähertreten», forderte er Shinoa auf. Shinoa schaute Hilfe suchend zu Cana, die nickte ihr zu. Shinoa ging etwas näher zum Tisch und verneigte sich. «Eure Hoheiten», grüßte sie die Familie.
«Wie heißt du?», fragte Nereus. «Shinoa … Shinoa Dragneel», stellte sie sich vor. «Bist du hier für die Stelle als Dienstmädchen?», fragte Mazikeen. «Ja, das bin ich», antwortete sie. «Wieso tust du dir das an? Du bist viel zu schön für diese Art von Arbeit», sagte Nereus verträumt. «Ich war mit meiner alten Arbeit nicht zufrieden und diese Stelle war das Einzige, was ich kann … das hoffe ich zumindest.» «Und warum bist du nicht bei den anderen?», fragte Lucifer. «Ich war neugierig, wie der Mittagservice abläuft», antwortete sie wieder. Lucifer schaute sie misstrauisch an, doch bevor er eine weitere Frage stellen konnte, kam Saphyra mit Shagotte und Sayaka zurück in den Speisesaal.
«Zur Hauptspeise gibt es Lammkotelett mit Bratkartoffeln und Gemüse», kündigte Saphyra an. Ihr Blick fiel auf Shinoa, die noch immer verbeugend vor dem Tisch stand.
Saphyra stellte sich sofort neben sie und verbeugte sich ebenfalls. «Ich bitte um Verzeihung, Eure Hoheiten, ich hoffe, sie hat keine Schwierigkeiten gemacht», entschuldigte sich Saphyra. «Nein, keineswegs, wir haben uns nur ein wenig unterhalten», erwiderte Draven. Saphyra ging mit Shinoa wieder etwas abseits. «Geht es dir gut?», flüsterte sie. Shinoa nickte. «Ja, alles gut.»