Es ist schwer, es einen Garten zu nennen
Ich schaute aus dem Fenster. Ein leichter Regen begann auf das Glas zu prasseln und hinterließ durchsichtige Flecken, als ob er mich verhöhnen wollte. Diese Tropfen schienen meine ganze Aufmerksamkeit zu beanspruchen und lenkten mich von dem ab, was im Raum geschah. Lazarev sagte etwas, seine Stimme drang zu mir durch, aber sie schien weit weg zu sein, als ob er in einer anderen Welt wäre. Er redete und redete, ohne Unterlass. Seine Worte flossen, aber es war schwer für mich, den Sinn zu erfassen. Vielleicht war es nur ich, der keine Verbindung mehr herstellen konnte. Es war, als ob meine Gedanken irgendwo weit weg wären.
Wahrscheinlich hatte er Angst, mit dem Reden aufzuhören. Vielleicht hatte er Angst, meine Antwort zu hören, also sprach er weiter und füllte die Stille. Aber seine Worte haben mich nicht berührt. Ich konnte nichts Wichtiges in ihnen hören, nur Geräusche, die sich in die Leere ergossen.
Mein Kopf ruckte abrupt in seine Richtung, und ich riss mich aus meiner Träumerei, als würde ich meine eigenen Gedanken durchbrechen.
- Und der Garten? Habt ihr einen Garten? - fragte ich plötzlich und unterbrach seinen endlosen Monolog.
Er verstummte, verwirrt. Ich schätze, damit hatte er nicht gerechnet. Ich hielt meinen Blick auf ihn gerichtet und wartete auf eine Antwort. Meine Worte waren abrupt, zu plötzlich, als ob ich ihn testen wollte, als ob der Garten etwas viel Wichtigeres wäre als alles andere, was er mir beschrieben hatte.
- Nun, es ist schwer, es einen Garten zu nennen“, antwortete Lazarev mit einem leichten Kichern, als wollte er meine Erwartungen dämpfen. - Ein paar Bäume - Kirschen, Pflaumen. Und eine alte Bank, unter einem Fliederbaum. Sie fällt ein wenig auseinander, aber es ist schön, dort zu sitzen.
Er sprach ruhig, als hätte er Angst, mich mit seinem Tonfall zu verschrecken, aber seine Augen suchten aufmerksam nach meiner Reaktion. Ich wandte meinen Blick immer noch nicht von ihm ab, als wollte ich herausfinden, ob ich ihm vertrauen konnte.
- Darf ich da drinnen herumlaufen? - fragte ich, aber es lag ein leises Flehen in meiner Stimme.
Ein Schatten des Nachdenkens huschte über sein Gesicht, aber er riss sich schnell zusammen.
- Darf ich? - Er schwieg einen Moment lang. - Sie müssen. Frische Luft wird Ihnen gut tun“, sagte Lazarev selbstbewusst und trat näher. Seine Stimme war noch sanfter, als wolle er mich von mehr als nur einem Spaziergang überzeugen. - Sind Sie bereit, mit mir zu kommen?
Er streckte mir seine Hand entgegen, eine vorsichtige Geste, fast wie eine Einladung.
Möchte ich mit ihm gehen? Wäre es auch nur das geringste Risiko wert? Eines wusste ich mit Sicherheit - hier konnte ich nicht länger bleiben. An diesem Ort war der Schmerz etwas Alltägliches geworden, etwas, vor dem man nicht einfach weglaufen konnte. Er war überall. Ich konnte es nicht mehr ertragen, wie die nassen Laken, die zu Bündeln geknotet waren, bei jedem Vergehen auf meinen Körper fielen - bei Wutanfällen, bei Weinen, bei Schreien. Das war ihre Art der Erziehung. Aber was ist das für eine Erziehung, die Narben nicht am Körper, sondern im Inneren hinterlässt? Die Schläge waren präzise, kalkuliert. Sie hinterließen keine sichtbaren Spuren, so dass niemand beweisen konnte, was sie waren. Denn wenn es keine blauen Flecken gibt, gibt es keinen Schmerz. Keine Beweise, kein Verbrechen.
Wer wird mir schon glauben, einem Mann mit einer Behinderung? In dieser Welt, in der das Stigma des „Verrückten“ alles andere überschattet, bedeuten meine Worte nichts. Hier könnte jeder Schritt ein weiterer Fehler sein, für den man bestraft wird. Keiner wollte die Schreie hören, keiner hörte zu. Die Pfleger verhielten sich steif und selbstsicher, als wären sie die Herren dieses Ortes, und ihre Aufgabe war es, jeden, der hierher kam, zu bändigen. Und sie wussten, wie man das macht.
Ich sah es nicht nur an mir selbst, sondern auch an anderen. Ich sah, wie jemand aus den benachbarten Stationen nachts an Riemen gezogen wurde, hörte gedämpfte Schreie, die von Mauern und strengen Befehlen übertönt wurden. Als ein recht junges Mädchen im Speisesaal plötzlich hysterisch wurde, warf man sie zu Boden, fesselte ihr die Hände auf den Rücken und schleifte sie wie ein Tier fort. Als ich sie ein paar Tage später wiedersah, ging sie langsam wie eine Marionette an Fäden, ihre Augen waren trüb und ihre Hände zitterten. Sie wehrte sich nicht mehr, schrie nicht mehr, sondern schwieg nur noch mit gesenktem Kopf.
Auch die anderen Patienten litten. Ein alter Mann, dessen Zimmer gegenüber dem meinen lag, war besonders still. Er sagte nie etwas, aber seine Hände zitterten, wenn er sich an seinen Schreibtisch setzte. Eines Tages bemerkte ich, wie er einen Löffel unabsichtlich auf den Boden fallen ließ. Es schien eine gewöhnliche Kleinigkeit zu sein, aber ein Pfleger, der in der Nähe stand, kam herüber, hob ihn auf und schlug dem alten Mann wortlos auf den Hinterkopf. Der alte Mann wich zurück, quietschte nicht, nahm es einfach hin, als sei es etwas Gewohntes.
Es war klar, dass diese Methoden nicht die Ausnahme waren. Sie waren die Regel. Das System, in dem sich der Patient zu fügen, zu akzeptieren, wort- und gefühllos zu werden hatte, war präzise organisiert. Jede Abweichung von dieser Ordnung wurde sofort und unwiderruflich geahndet.
Ich wollte nicht mehr Teil dieses Systems sein. Ich wollte nicht mehr die Riemen an meinen Hand- und Fußgelenken spüren, die mich wie eine Falle fesselten und mir keine Chance zur Flucht gaben. Ich wollte nicht vor jedem Blick, jeder Bewegung, jedem unnötigen Wort Angst haben. Selbst die Tatsache, dass die anderen Patienten, deren Wahnsinn offensichtlich war, mir Angst machten. Ihr Gemurmel, ihre chaotischen Bewegungen, ihre verzerrten Gesichter, als wären sie es, nicht die Wände, die diese Hölle schufen. Jeder war in seiner eigenen Welt, eingesperrt, unzugänglich für andere, aber das machte sie nicht weniger furchterregend.
Jeder hier war entweder ein Opfer oder ein Henker. Und ich konnte nicht länger das Opfer bleiben.
Ich streckte langsam die Hand aus, versuchte, nicht in sein Gesicht zu sehen, und meine Finger berührten zaghaft seine Handfläche. In diesem Moment wusste ich nicht, was ich erwarten sollte. Ich war darauf vorbereitet, dass er seine Hand wegziehen würde, dass es keine einladende Geste war, sondern nur eine Geste der Höflichkeit. Aber etwas in diesem Moment stellte meine Gedanken auf den Kopf. Plötzlich verkrampften sich meine Finger wie instinktiv, und ich umklammerte seine Hand mit einem dumpfen Griff, als wäre sie der letzte Anker, der mich an der Oberfläche hielt.
„Was ist, wenn er seine Meinung ändert? Was ist, wenn ich ihn missverstanden habe und dies keine Einladung ist, sondern nur eine Gelegenheit - eine Gelegenheit, die er mir wegnehmen will?“ - Diese Gedanken schossen mir wie Blitze durch den Kopf und erfüllten mich mit Panik. Ich umklammerte verzweifelt seine Hand, weil ich befürchtete, dass er mich wegstoßen würde, dass er mich hier zurücklassen würde, zwischen diesen grauen Mauern, unter Menschen, die mich schon lange nicht mehr als Mensch sehen.
Aber er wich nicht zurück. Im Gegenteil, Lazarev drückte meine Hand ein wenig fester, als wollte er mir bestätigen, dass es kein Fehler war, dass ich die richtige Wahl getroffen hatte. Wir gingen gemeinsam zur Tür hinaus, Hand in Hand, und es war ein so seltsames und neues Gefühl, dass ich fast das Gleichgewicht verlor. Es war, wie wenn jemand, der lange Zeit im Dunkeln war, plötzlich das Licht sieht - alles um ihn herum begann unwirklich und wackelig zu erscheinen.
Ich merkte, wie meine Schritte langsamer wurden, als wir uns der Tür näherten. Ein großer Mann in einem dunklen Anzug stand daneben und schlurfte von einem Fuß auf den anderen, als würde er seine Schuhe überprüfen oder einfach nur gelangweilt warten. Mein Herz raste, und ich zuckte unwillkürlich zurück, als ob diese „Garderobe“ eine Bedrohung darstellte.
Lazarev bemerkte meine Reaktion. Er beruhigte mich sanft, ohne ein Wort zu sagen, aber seine Anwesenheit und seine Hand in meiner schienen Ruhe zu vermitteln. Auf Lazarevs stummes Zeichen hin streifte der große Mann mir sanft eine leichte Jacke über die Schultern. Ihr weicher Stoff fiel leicht über meine Schultern und wärmte mich. Die Jacke war ein wenig groß - vielleicht war es seine, vielleicht gehörte sie aber auch jemand anderem, den ich nie sehen würde.
Von der Jacke ging ein seltsamer Geruch aus - holzige Parfümnoten, die sich mit etwas Unbestimmtem mischten, das mich an zu Hause erinnerte. Es war der Geruch von Gemütlichkeit, von Wärme, von etwas längst Vergessenem. Ich schloss für einen Moment die Augen, atmete diesen Duft ein und spürte, wie mir die Tränen in die Kehle stiegen. Er erinnerte mich an die seltenen Momente in meiner Kindheit, in denen ich mich sicher fühlen konnte.
Draußen fiel der feine Regen in dünnen, kalten Tropfen, und die Luft war von einer feuchten Kühle durchdrungen. Es war kühl, aber ich dachte nicht einmal daran, mich von Lazarevs rettender Hand zu lösen. Ich klammerte mich an sie, als wäre sie die einzige Verbindung zu dieser Welt, nicht nur eine Geste der Unterstützung. Die Jacke, die ich mir über die Schultern gehängt hatte, verrutschte, aber ich konnte ihn nicht loslassen, um sie zurechtzurücken, wollte dieses fragile Gefühl der Sicherheit nicht verlieren.
Als wir ein paar Schritte gegangen waren, blickte ich zurück auf das Gebäude der Anstalt, das grau und mürrisch war wie das Gefängnis, in dem ich eine gefühlte Ewigkeit verbracht hatte. In einem der Fenster bemerkte ich Borka, der mich hinter dem Glas beobachtete. Er war wie der Geist des Ortes, und ich verspürte unwillkürlich den Wunsch, ihm eine Geste zu zeigen, die ohne Worte alles sagen würde. Aber da ich meine Jacke festhielt, die in den Schlamm hätte fallen können, erlaubte ich mir das nur im Geiste - ein kleiner Akt der Rebellion in meiner Seele.
Dass Herr Lazarev kein Geld brauchte, wurde mir klar, als ich den Wachmann neben ihm bemerkte - so etwas kann sich nicht jeder leisten. Und als sein luxuriöses Auto von der Hauptstraße in Richtung des Elitedorfes abbog, hatte ich keine Zweifel daran, dass er genug verdiente, um sich das Vergnügen nicht zu versagen. Ich stellte mir sein morgendliches Sandwich nicht nur mit Butter, sondern auch mit rotem oder vielleicht schwarzem Kaviar vor.
Als wir vor dem Haus anhielten, wurden meine Erwartungen ein wenig enttäuscht. Ich hatte mir etwas ganz anderes vorgestellt, und das Haus von Lazarev war ganz und gar nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Vielleicht lag es daran, dass ich immer dachte, dass Leute mit Geld dazu neigen, protzig und übertrieben zu sein. Vor allem, wenn man eine elitäre Wohnanlage betritt, in der der Luxus aus jedem Fenster quillt und jedes Haus ein kleiner Palast ist. Man erwartet hohe Säulen, Glasfassaden, Marmortreppen, Springbrunnen im Innenhof. All diese Dinge hatte ich in Filmen gesehen, in denen Reichtum und Luxus als Symbol für Erfolg und Status zur Schau gestellt wurden.
Aber das Haus von Lazarev war anders. Vor dem Hintergrund der anderen Gebäude wirkte es sogar zu bescheiden. Es gab keine Anzeichen von Pomp oder Glamour. Es war ein gewöhnliches zweistöckiges Haus aus dunkelbraunem Backstein, das sich gut in die Umgebung einfügte. Als ich es betrachtete, wurde ich das Gefühl nicht los, dass es ein Haus war, das entworfen wurde, um unauffällig zu sein. Kein Schnickschnack, kein architektonischer Schnickschnack. Nur ein quadratisches Gebäude mit runden Fenstern im Dachgeschoss, die sich von den grauen Kacheln des Innenhofs kaum abheben.
Nur ein hoher, blanker Zaun mit einem Wachposten deutete darauf hin, dass der Besitzer dieses Hauses kein ganz gewöhnlicher Mann war. Es herrschte eine seltsame Disharmonie: auf der einen Seite die Einfachheit des Hauses, auf der anderen Seite die Sicherheit, wie die eines reichen Geschäftsmannes oder eines Politikers. Es war fast widersprüchlich.
Auch im Inneren gab das Haus nicht vor, luxuriös zu sein. Als ich eintrat, war ich wieder einmal davon überzeugt, dass dieser Ort nicht den Erwartungen entsprach. Kein Samt, kein Gold, keine riesigen Kristalllüster. Alles wirkte einfach, fast asketisch. Die Möbel waren zweckmäßig, nichts Überflüssiges, keine auffälligen Ornamente oder Dekorationen. Einfache Holzstühle, Schränke, in ruhigen, hellen Farben gestrichene Wände. Das hat mich aus dem Konzept gebracht.