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~| 6 |~ Neo

Knirschend hob ich die Kellerbodentür an und lehnte sie gegen die Blockhüttenwand, der Schnee rutschte herunter und häufte sich am Boden, wo er in der Mittagssonne glitzernd liegen blieb. Mit einem ächzen stemmte ich das tote Wildschwein auf meine Schulter und ließ es dann in die unterirdische Kühlkammer runtergleiten. Dank den kalten Temperaturen war es unter der Erde in geschlossenen Räumen noch kälter als minus zwanzig Grad, was sich perfekt eignete um das erlegte Wild dort für die nächsten zwei Tage zu lagern, bevor ich die erste Ladung nach Saphirhold bringen würde, der Hauptstadt von Saskria und auch die Stadt, auf dessen Berg der Saphirpalast des Königs thronte. Ich hatte es in den letzten drei Tagen geschafft, ein Viertel der Liste abzuhaken, doch bezweifelte immer noch, dass ich es in den nächsten 10 Tagen schaffen würde. Und das obwohl ich mir bereits nie mehr als drei, vier Stunden Schlaf gönnte. Matt strich ich mir meine Strähnen zur Seite, schloss wieder die Bodentür und schlurfte zurück zu Mönch, der mit entspannten Unterlippe dastand und in der Kälte dampfte.

"Na alter Kumpel, bereit für die letzte Runde?" zumindest für dich fügte ich in Gedanken hinzu. Nur eines seiner hellen Ohren zuckte und seine Augen blickten dösend vor sich hin. "Tja, scheinbar nicht" murmelte ich, schwang mich aber trotzdem in den Sattel und trieb ihn ein bisschen an. Heute wehte ein stärkerer Wind und blies mir feine Schneeflocken ins Gesicht. Schnell stülpte ich mir meine Kopfbedeckung der dicken Jagdrobe über den Kopf und zog mir den Schal über die Nase, sodass nur noch meine Augen zu sehen waren. Dann suchte ich mir einen Weg zwischen den hoch aufragenden Fichten hindurch und hielt Ausschau nach einem Hirsch. Mein Ziel heute waren mindestens noch zwei Hirsche, dann hätte ich sieben, es würden nur noch acht fehlen. Dabei hatte ich gedacht die würden am schwierigsten werden doch tatsächlich machten die Wildschweine und Eber Probleme. Ich hatte nicht mal ansatzweise so viele gefunden, wie erhofft und in den üblichen, dunkleren Gebieten des Waldes habe ich die nicht gefunden. Darum setzte ich meine Hoffnung darauf, mehr am eingefrorenen Bach zu finden. In konstanten Schritten bewegte sich Mönch leise durch den Wald und gehorchte auf den kleinsten Druck meiner Fersen. Mein Vater hatte tolle Arbeit mit ihm geleistet. Es dauerte eine Stunde, bis ich auf einer winzigen Lichtung, in der Nähe des Baches rauskam und Mönch abrupt zum stehen brachte. Der Wallach riss seinen Kopf hoch und spitzte aufmerksam die Ohren. In der Ferne wagte sich vorsichtig eine Hirschkuh, gefolgt von einem Hirsch auf die Lichtung und erstarrte kurz. Ich hielt den Atem an, nahm meinen Bogen lautlos in die Hand und legte genauso geschmeidig ein Pfeil ein, während ich darauf lauerte, dass die Tiere näherkamen. Günstigerweise standen wir gegen den Wind, sodass sie uns nicht riechen konnten, daher stakste das Wild weiter hinaus und scharrte mit den Vorderhufen im Schnee, auf der Suche nach etwas zu fressen. Ruhig atmete ich durch, hob den Bogen an und fixierte den Hirsch, der mit erhobenen Kopf witterte und alles argwöhnisch beäugte. Es dauerte nicht lange, bis er nah genug dran war und ich die Sehne losschnellen ließ. Leise zischend sauste der Pfeil durch die Luft und bohrte sich in die Kehle des Tieres. Innerhalb einer Sekunde legte ich den nächsten ein und schwenkte zu dem Weibchen um, dass ein blöken ausstieß und einen erschrocken Satz nach hinten machte. Wieder konzentrierte ich mich auf meine innere Ruhe und zielte, als das Reh zurück in Richtung Bäume sprang und kurz bevor es darin eintauchten, ließ ich den nächsten Pfeil los. Leider verfehlte ich knapp die erwünschte Stelle und traf die Schulter des Tieres. Sein gequälter Schrei zerriss die Stille und es taumelte, eine Blutspur hinter sich herziehend.

"Scheiße" fluchte ich und gab Mönch die Fersen. Das Pferd machte einen Satz nach vorne, verließ die Deckung und galoppierte sofort in vollem Tempo los. "Weiter Junge, weiter!" feuerte ich ihn an, lenkte ihn mit einer Hand während die andere Bogen und Pfeil festhielt. Das Reh war weiterhin auf der Flucht, doch man hörte es durch das Geäst brechen und ich musste nur den roten Tropfen folgen. Ich hasste es die Tiere lange leiden lassen zu müssen, deswegen hoffte ich dem Tier noch ein schnelles Ende bereiten zu können. Kurz darauf sah ich etwas braunes zwischen zwei breiten Bäumen aufblitzen, bremste Mönch ein bisschen und schlängelte mich in die Richtung. Bald entdeckte ich das Reh hinkend und panisch einige Meter weiter, richtete mich im Sattel auf und ließ die Zügel gehen. Drei Sekunden später bohrte sich ein Pfeil ebenfalls in die Kehle der Hirschkuh und bereitete ihrem Leid ein Ende.

"Toll, jetzt können wir den ganzen Weg zurück" murrte ich, nachdem ich das Tier mit Seilen zusammengeschnürrt und am Sattel befestigt hatte. Mönch schnaubte angestrengt und ich hätte schwören können, dass sein Blick Du-meinst-wohl-ich-muss-den-Weg-gehen aussagte. Naja, wo er Recht hat, hat er Recht. "Komm schon Kumpel, du schaffst das" trieb ich den grauen Wallach an und folgte unseren Spuren zurück zur Lichtung, wo wir auch den Hirsch einsammelten und ich mich langsam auf den Rückweg machte. Wir passierten gerade eine etwas engere Stelle, als Mönch stehen blieb und seinen Kopf hochriss. Verdutzt riss ich an den Zügeln. "Mönch, weiter, na los" befahl ich herrisch und trieb ihn noch stärker an, doch der Wallach wieherte nur ängstlich und wich zurück, als ich auch ein leises knirschen hörte. Wie Pfoten auf dem Schnee. Alarmiert schaute ich mich um und versuchte die Ursache für Mönchs Panik zu finden. Er war ein Jagdpferd, sowas musste er eigentlich aushalten. "Ho, ruhig" raunte ich als das Pferd unter mir nervös tänzelte und immer unruhiger wurde. Ich hatte alle Mühe, ihn unter Kontrolle zu halten und als ich dann etwas helles im Augenwinkel aufblitzen sah, wirbelte mein Kopf zu dem unbekannten Tier, das bereits wieder außer Sicht war. Was war das? Dieser Moment der Unachtsamkeit genügte für den Wallach , um mir die Zügel aus der Hand zu reißen und auf die Hinterbeine zu steigen. Überrumpelt von diesem Benehmen rutschte ich aus denm Sattel und flog hochkant in den tiefen Schnee. Mönch wieherte panisch, wirbelte auf der Hinterhand herum und galoppierte kopflos davon, egal wie laut ich ihm hinterher brüllte. Meine Kleidung sog sich in Sekundenschnelle mit dem Schnee voll und rasch sprang ich auf.

"Bei der Mondgöttin, dass darf doch nicht wahr sein" stöhnte ich frustriert, klopfte den weißen Puder von meiner Kleidung und spähte durch das Gestrüpp. Mit laut klopfendem Herzen spähte ich in das Gestrüpp, aus dem es wieder knackte, diesmal viel lauter als zuvor. Und es klang nach etwas größeren, dass sich heranpirschte. Hektisch tastete ich nach meinem Bogen, der zum Glück immer noch auf meinem Rücken geschnallt war und wollte ein Pfeil einlegen, bis mir etwas einfiel. Ich hatte den Köcher am Sattel festgebunden, einem Sattel der gerade auf Mönchs Rücken glücklich durch den Wald preschte. Ich biss mir in die Innenseite meiner Wange, um den Schrei zu unterdrücken und pfefferte den Bogen gegen einen Baum. Mit einem Klong prallte er ab und blieb im Schnee liegen. Jetzt konnte ich erst Mönch suchen gehen und dafür sorgen, dass mich das Tier, welches hier um mich schleicht, mich nicht killt. Langsam kroch mir die Angst in die Glieder und ich realisierte, dass es wirklich brenzlig werden könnte. Und dann entdeckte ich ihn, einen weißen, buschigen Schwanz der kurz aufblitzte und dann in Richtung Norden verschwand. Genau in die entgegengesetzte Richtung von Mönchs Flucht. Was auch immer da war, es hat meinen Wallach zum äußersten getrieben. Ich sollte weg und ihm folgen, doch irgendwas irritierte mich am Verhalten des unbekannten Tieres. Denn wieder raschelte es und weißes Fell wurde sichtbar. Die ganze Zeit ging das Tier, kehrte aber wieder zurück um ein Teil von sich zu zeigen, aber nie genug um zu erkennen was es ist. Es wirkte beinahe als wolle es, dass ich... ihm folge? Nein, das ist Blödsinn ermahnte ich mich selbst, doch es ließ mich nicht los und ohne es richtig zu verstehen folgte ich den Geräuschen. Ich rieb mir die Arme zum wärmen und verdrängte die Kälte, als die Bäume etwas lichter wurden und ich endlich mehr Blick auf das seltsame Tier bekam. Wie erstarrt blieb ich stehen und riss entsetzt meine Augen auf, als ich die lange Schnauze, spitzen Ohren und die bernsteinfarbenen Augen erkannte. Der schlanke, anmutige Körper duckte sich dicht über den Boden und der Polarwolf rannte weiter. Als er bemerkte, dass ich zurückwich, jaulte er leise und drehte sich zu mir um. Panisch schaute ich mich um und überlegte, wie ich entkommen kann, doch als der Wolf wieder herzerreißend winselte wagte ich noch einen Blick in die Augen und entdeckte dort etwas unerwartetes, beinahe flehendes. Er wirkte keines Falls wie ein wildes Tier, sondern in irgendeine Form menschlich. Also überwand ich meinen Instinkt, der mich anschrie zu verschwinden und mich zu bewaffnen und ging wachsam auf den Wolf zu, der anfing schwach mit dem Schwanz zu wedeln und weitersprang. Immer wieder wartete er bis ich aufholte und dann sah ich es. Zwischen den Bäumen kauerte ein weiterer Wolf, diesmal ein silberner der leise knurrte als er mich sah. Sofort duckte ich mich und musterte das Tier prüfend. Was, wenn es mich gleich Angriff? Wenn mich beide nur hergelockt hatten um zu fressen? Als der Polarwolf dann auch noch auf den grauen zuging erwartete ich nichts anderes und schnappte überrascht nach Luft, als mein Führer den grauen anstupste und zur Seite drängte. Wieder knurrte der eine, löste sich aber widerwillig von dem Haufen Bündel, dass ich erst jetzt erkannte. "Was zur Hölle...?!" hauchte ich verwirrt und kam langsam näher, beobachtete die Raubtiere im Augenwinkel, nur für alle Fälle. Vor allem der bohrende Blick des grauen war angsteinflößend und schaudernd betrachtete ich die Gestalt, die er beschützt hat. Trotzdem konnte ich nichts tun als geschockt zurückzutaumeln, als ich erkannte was hier lag.

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