Chapter 4
Es fühlte sich an, als wollten die Stunden einfach nicht vorbeigehen. Sky quälte sich durch die Kurse und konnte sich nicht richtig konzentrieren. Ihre Gedanken schweiften immer von dem Aufbau irgendwelcher Atome zu Jack ab. Diese Nachricht ließ ihr einfach keine Ruhe! Sollte sie ihm zurückschreiben oder die Nachricht einfach ignorieren? Variante zwei schien ihr sehr sinnvoll, da es seinem egozentrischen Wesen ganz guttun würde. Das befreiende Klingeln der Schulglocke beendete ihre verzwickte Grübelei. Schnell packte sie ihre Sachen in die große Tasche und schlenderte zu ihrem Spind. Dort angekommen, verstaute sie ihre Bücher des letzten Kurses und schnappte sich ihre Kamera. Nach der Schule musste sie noch arbeitet, aber sie wollte vorher unbedingt noch ein paar Fotos schießen. Sky konnte es kaum erwarten, endlich den Bus nach Hause zu nehmen. Sie selbst besaß leider kein Auto und war auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt, genoss sie die wärmenden Sonnenstrahlen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde die Sonne untergehen. Sie beobachtete die kleinen vorbeiziehenden Menschen und Häuser. Jeder von ihnen hatte eine eigene Geschichte, eigene besondere Momente und eine eigene Gefühlslage. Diese
Vielfalt faszinierte sie. Alltägliche, für uns selbstverständlich erscheinenden Dingen gaben wir zu wenig Aufmerksamkeit, dabei waren es genau die, die unseren Alltag formten und die wir als erstes vermissten, wenn sie nicht mehr da waren. Ihren Gedanken ließ sie feien Lauf Gedanken verträumt freien Lauf. Die vorbeiziehenden Gebäude kamen ihr allmählich bekannt vor, sie war bald an ihrem Ziel. Auf dem Weg zur Arbeit ging sie durch einen kleinen Park. Die Kamera hüpfte auf ihrem Brustkorb auf und ab. Sie sah sich in dem Park um und schoss ein paar Fotos von Vögeln, einem älteren Pärchen auf der Parkbank und einer Freundesgruppe, welche es sich auf einer Picknickdecke bequem machte. Nach zwei Stunden war sie sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. Gut gelaunt stöberte sie durch die Fotogalerien und blieb an jedem einzelnen Foto hängen. Die Vögel spreizten ihre Flügel und das alte Paar sah sich noch immer so verliebt an, wie sie es vor vielen Jahren waren. Auch die Freundinnen lachten wild durcheinander und verbreiteten eine wohlige und fröhliche Stimmung. Der Tag hatte sich definitiv gelohnt. Wer weiß, vielleicht konnte sie ein paar Fotos für ihr Studienportfolio verwenden? Sie hängte sich die Kamera wieder um ihren Hals und schlenderte zur Arbeit. Trotz der Ereignisse des Vortrages musste, laut ihrem Chef, schnell wieder Normalität einkehren. Keine 10 Minuten später schloss sie die Tür des Gebäudes auf und wurde herzlich von ihren Kollegen in Empfang genommen. Noah, ein Kollegen, mit dem sie schon lange zusammenarbeitete, rief ihr zu: „Hey, Sky, coole Idee, das mit dem Schrank. Aber du hättest es auch einfach mit ihm aufnehmen können, ich wollte dich schon immer mal in Action sehen!“ Sky schmunzelte über seine Bemerkung. Kurz dachte sie darüber nach, etwas Freches zu antworten, verfiel dann aber in ein ausgelassenes Lachen. Ihre Kollegen stimmten mit ein. Genau in diesem Moment betrat ihr Chef den Raum. „Was ist denn hier los?“, fragte er ganz verdutzt. Noah versuchte, sich zu beherrschen: „Ich stelle mir nur gerade vor, wie Sky vor dem Entführer steht und versucht, ihm die Hölle heiß zu machen.“ „Hey, traust du mir das etwa nicht zu?“, spielte Sky die Empörte. „Sieh dich doch mal an, Sky, tut mir leid, Girl, aber würdest du wütend vor mir stehen, könnte ich dich nicht ernst nehmen“, versuchte er ihr immer noch lachend zu erklären. „Das dachten meine Gegner früher auch, bis ich ihnen den Pokal aus den Armen gerissen habe!“, konterte Sky stolz. „Wer macht wen fertig und was für ein Pokal?“, mischte sich nun auch ihr Chef ein. Sky wandte sich ihm zu und klärte ihn darüber auf, dass sie bis vor ein paar Jahren Boxerin war und noch dazu eine sehr gute. Immerhin hatte sie einen Preis nach dem anderen abgeräumt. Er starrte sie ganz geschockt an und klatschte dann vor Freude in die Hände. „Besser geht es ja gar nicht, dann kannst du ja Jacks Bodyguards unterstützen. Du kennst dich hier aus und kannst ihnen zur Hilfe gehen … Du wärst perfekt für den Job, kein Mensch würde ahnen, dass du ihre Verstärkung bist. Sie würden dich für ein ganz normales Mädchen halten“, erklärte ihr Chef freudig. Wow! Sky wusste nicht, über welchen Teil der Ansprache sie sich mehr aufregen sollte. Der Plan an sich oder lieber , dass er sie als einfaches Mädchen beschrieb. Ohne dass sie sich dazu äußern konnte, sprach ihr Chef weiter: „Super, dann ist es beschlossene Sache, ich setze mich sofort mit seinem Management in Verbindung.“ So schnell er gekommen war, verließ er den Raum. Zurück blieb eine verdutzte und überrumpelte Sky. Noah löste sie aus seiner Schockstarre, indem er sich fragend an sie wandte: „Was war das denn gerade?“ Sky schüttelte nur abwesend den Kopf. Aus dem Hintergrund schnappte sie Bemerkungen wie „Oh, Mann, sie hat so ein Glück!“ oder „Viel Spaß beim Anstandswauwau spielen!“ auf. Genervt von den Kommentaren ihrer Kollegen sprang sie einen Schritt nach vorne und machte sich auf die Suche nach ihrem Chef. Er konnte so eine Entscheidung doch nicht einfach ohne ihre Zustimmung fällen! Während sie sich ihre Worte schon einmal parat legte, mit denen sie ihren Chef konfrontieren wollte, knallte sie gegen etwas Hartes und sank unsanft zu Boden. Eine Hand wurde ihr entgegengestreckt und sie nahm sie zögerlich an. Als sie jedoch bemerkte, um wen es sich dabei handelte, ließ sie die Hand automatisch los und fiel mit einem lauten Knall wieder zu Boden. Sie rieb sich ihren schmerzenden Hintern und sah zu dem Jungen über ihr auf. „Hey, ich weiß ja, dass ich viele Frauen umhaue, aber das musst du nicht gleich wörtlich nehmen“, zog sie dieser auf. Sky konnte nicht anders, als laut aufzulachen, dabei fand sie seine arrogante Art alles andere als witzig. Komischerweise fühle sich ihre Hand immer noch so an, als hätte sie sich an etwas verbrannt. Schnell fing sie sich wieder und warf ihm trotzig entgegen: „Ich brauch deine Hilfe nicht!“ – „Das sieht aber ganz anders aus“, er kniete sich vorsichtig neben sie, nur um ihr ins Ohr zu flüstern: „Du bist diejenige, die auf dem Boden liegt, nicht ich.“ Gerade, als Sky ihm etwas entgegenbringen wollte, kam ihr Chef auf die beiden zu. „Ah, Mister Hunter, sie kennen bereits die neue helfende Hand ihres Sicherheitspersonals? Ich bin davon überzeugt, dass Miss Morgan ihnen keine Schwierigkeiten bereiten wird“, sagte er sachlich zu Jack. Dieser guckte genauso erstaunt, wie Sky vor ein paar Minuten und sah belustigt zwischen Sky und ihrem Chef hin und her, bis er sich an ihren Chef mit zuckersüßer Stimme wandte: „Davon bin ich überzeugt.“ Pah, dachte sich Sky. Sie würde ihn ins offene Messer laufen lassen, wenn es nötig wäre. Wie konnte sie bis vor ein paar Stunden noch Mitleid für ihn empfinden? Okay, Mister Player, was er konnte, konnte sie schon lange. Sie straffte die Schultern und erhob sich vom Boden. Mit fester Stimmte sagte sie: „Sie werden es auf keinen Fall bereuen.“ Sollte er ihr doch auf die Nerven gehen, und wenn schon, wegen so einer Sache würde sie es sich nicht mit ihrem Chef verscherzen. Außerdem hatte sie erst heute Morgen beschlossen, wieder mit dem Training anzufangen, also war es keine Zeit für eine schlechte Stimmung. Das war die perfekte Gelegenheit. Und wer weiß, vielleicht würde sich Jack ja aus Versehen ein paar Tritte von ihr einfangen?