Chapter 2
„Kann ich noch etwas für dich tun?“, frage Sky ganz professionell. „Vielleicht kann ich ja eher etwas was für dich tun“, antwortete er mit einem frechen Unterton. „Wie bitte?“, wollte sie verblüfft von ihm wissen. Für wen hält er sich denn bitte, dachte sich Sky. „Na ja, du weißt schon, ein Autogramm von mir würde doch sicher gut dein Tagebuch zieren“, erklärte er ihr mit einem schelmischen, jedoch selbstsicheren Ton. Sky hatte es nun endgültig die Sprache verschlagen. Sie konnte nicht anders, als ihn einfach nur anzustarren. Genau in dem Moment, als er nach einer Autogrammkarte griff und sie ihr reichen wollte, damit sie ihn auch von Zuhause aus weiterhin anstarren konnte, schrillten laute Schreie durch die Halle und ein Tumult brach aus. Blicke wurden ausgetauscht und eine Horde von ängstlichen Menschen stürmte durch die Gänge. Alles ging zu schnell. Aus Reflex wurde Jack von einem der Bodyguards weggezogen. Sky sah den beiden hinterher. Sie waren auf dem Weg zum Hinterausgang. Sky dachte nicht nach, sondern reagierte wie ganz von selsbt und rannte den beiden nach. Irgendwas kam ihr an dem Bodyguard verdächtig vor, vielleicht war es reiche Paranoia oder an ihm war wirklich etwas faul. Weshalb schaute der die ganze Zeit auf sein Handy? Sie beruhigte sich selbst, indem sie daran dachte, dass er bestimmt mit einem Kollegen kommunizierte, der Jack gleich aus der Gefahrenzone bringen sollte. Sky sah zu Jack, der immer wieder versuchte über das Geländer zu blicken, um nach dem Grund des Tumultes Ausschau zu halten, jedoch wurde er stets unsanft weitergeschoben. Das sieht aber nicht nach einer Rettungsmission aus, schoss es in ihr Gedächtnis. Sie beobachtete den verdächtigen Bodyguard weiter. Als er die Tür zu einem Konferenzraum erreichte, bugsierte er Jack unsanft in diesen hinein. Plötzlich wurde Jack ein dunkler Sack über den Kopf gezogen und seine Hände wurden mit Kabelbindern hinter seinem Rücken gefesselt. Ihre Hand schnellte an ihren Mund, um nicht gleich laut losschreien zu müssen. Alles klar, Sky, erinnerte sie sich selbst, jetzt bloß nicht panisch werden. Sie spielte mit dem Gedanken, wegzurennen und sich in Sicherheit zu bringen, sollten Jack und seine Autogrammkarte doch sonst wo bleiben. Doch ihr Innerstes sträubte sich dagegen. Sie konnte ihn nicht zurücklassen, das widerstrebte ihrer Persönlichkeit. Sie fasste all ihren Mut zusammen und überlegte sich einen Plan. Nun galt es, keine Zeit mehr zu verlieren, ein schwarzer Van hielt bereits vor der Tür. Der Bodyguard trat durch die Pforte, um mit dem vermeintlichen Entführer zu reden. Das war ihre Chance. Rasch schnellte sie nach vorne und schloss die Tür des Konferenzraumnes. Etwas Gutes hatte dieser alte Schuppen: Ohne einen Mitarbeiterschlüssel würde er erstmal nicht so schnell wieder hereinkommen und den hatten nur ausgewählte Mitarbeiter. Ohne sich über ihren Erfolg zu freuen, wandte sie sich von der Tür ab und betrachtete den Kerl, der dort zusammengekauert saß. Mit dem Stoff über dem Kopf könnte er jeder x-beliebige Typ sein, dachte sie sich. Schnell nahm sie ihm den Stoff ab und presste ihm efrig die andere Hand auf den Mund. Mit der nun freien Hand formte sie an ihre Lippen ein „Pssst“. Er nickte noch leicht benommen, hielt aber Wort. Stillschweigend durchschnitt sie seine Fesseln mit einer Schere, welche glücklicherweise auf dem Tisch lag. So weit, so gut, dachte sie sich. Weiter hatte sie den Plan nicht durchdacht, jedoch würde nicht mehr lange dauern, bis der bullige Typ draußen Verstärkung anfordern würde. Sie schaute sich panisch im Raum um und dann kam ihr eine Idee: der Schrank. Früher hatte sie sich immer in einem der von ihr präparierten Schränke versteckt, um einen Blick auf einige Schauspieler oder die noch geheimen Schichtpläne zu erhaschen. Das war ein Vorteil, wenn man diesen Ferienjob seit mehreren Jahren machte. Eines Abends lockerte sie die Rückwand eines der großen Schränke und brachte eine zweite Wand dort an, sodass der Schrank eine zweite Rückwand hatte, in der sie ein kleines Loch schnitt, sodass sie immer alles hören und sehen konnte, ohne selbst gesehen oder zu werden. Zwar hatte sie hinter dem Schrank die Wand dicht an ihrem Körper, aber daran dachte sie in diesem Moment nicht. Sie bugsierte Jack durch ihre selbstgebaute Schranktür. Dieser sah sie nur perplex an. Sie konnte an seinen Augen sehen, dass er dachte, dass sie verrückt sei. Sie nickte selbstsicher mit dem Kopf in Richtung Tür und schob ihn trotz seines komischen Blickes weiter. Er quetschte sich unsicher durch die Tür hindurch und sie folgte ihm dicht gefolgt. Schnell schloss sie die Tür hinter sich und keiner würde mitbekommen, dass sie hinter der Rückwand des Schrankes standen. Der perfekte Plan, schoss es ihr durch die Gedanken, wäre da nicht Jack. Dieser war dicht an ihr gepresst. Sie musste sich nicht umdrehen, dieses selbstgefällige Grinsen konnte sie auch ohne seinen Gesichtsausdruck wahrnehmen. Beide sagten einige Zeit lang nichts, Jack war der Erste, der die fast schon unheimliche Stille durchbrach. „Ich weiß nicht, ob ich dir gerade danken oder dich dafür verklagen sollte“, flüsterte er mit leiser Stimme. Bitte was?! „Nur um dich darauf aufmerksam zu machen, ich rette dir hier gerade deinen leider viel zu teuren kleinen Hintern“, versuchte Sky ihn aufzuklären. „Ich finde es toll, dass du meinen Hintern ansprichst, aber deiner ist auch nicht schlecht, Schätzchen“, flüsterte er dicht an ihrem Ohr. Wie kann man nur so arrogant sein? Ob das wohl das Geld und der Ruhm mit einem machen? Mit zusammengebissenen Zähnen fauchte sie ihm entgegen: „Pass mal auf, ich kann dich hier so schnell wieder rausschmeißen, wie ich dich hier hineinbugsiert habe!“ Darauf hatte er wohl keine Antwort, denn die Stille nahm wieder ihren gewohnten Platz ein. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Sky hielt automatisch den Atem an. Ihr Herz begann zu pochen und auch Jacks Atmung verschnellerte sich. Beide lauschten den Stimmen. „Alles sauber, keiner hier“, sprach einer in sein Headset. Ein paar Schritte hallten durch den Raum und Türen wurden aufgerissen. Skys Puls nahm rasant zu, während plötzlich Tür geöffnet wurde. Jetzt zeigte sich, ob ihr Plan zum Scheitern verurteilt war oder nicht. Keine Sekunde später wurde die besagte Tür so schnell zugeschlagen, wie sie aufgeschlagen wurden. Ein kalter Windhauch streifte ihren Nacken und aus Reflex stellten sich ihre Nackenhaare auf. Auch bei Tom fiel die Anspannung ab. Als Sky eine laute Tür hörte, wusste sie, dass der Kontrollgang beendet war und sie nun nur noch auf die Polizei warten mussten. Für die ganze Sache habe ich definitiv eine Gehaltserhöhung und ein Schmerzensgeld verdient, kam ihr in den Sinn, eindeutig Schmerzensgeld. Der Grund für ihr Schmerzensgeld bewegte sich hinter ihr. „Du hättest mir eben ruhig sagen können, dass du mit mir allein sein willst, du musstest nicht extra diesen Schläger arrangieren“, sagte er, während er mit seinen Händen langsam forschend ihren Körper berührte. „Sag mal, bist du noch ganz dicht? Ich bin nur deinetwegen in dieser Lage und jetzt nimm deine Griffel von mir“, zischte sie ihn wütend an. „Hey, wow, wo ist denn nur die kleine süße Mitarbeiterin geblieben?“, fragte er auf einmal belustigt. „Schön, dass du das so witzig findest, aber ich bin nur nett zu dir, weil du ein Kunde bist und wir auf der Arbeit sind!“, versuchte sie ihm verständlich zu erklären. „Also unter nett verstehe ich was anderes, Schätzchen“, widersprach er ihr. „Nenn mich nicht Schätzchen“, konterte sie wie aus der Pistole geschossen. Sie drehte ihren Kopf leicht nach hinten, um ihm noch mehr Sachen an den Kopf zu werfen, doch sie hatte die Platzmenge deutlich überschätzt. Nun waren ihre Köpfe dicht beieinander, nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Sie konnte sogar seinen Atem auf ihren leicht geöffneten Lippen spüren. Auf einmal hatte es ihr die Sprache verschlagen. Sie sah ihn nur noch an und dann passierte es: sie empfand auf einmal Mitleid. Sie sah nur noch diesen Schauspieler, eigentlich ein ganz normaler junger Mann, welcher von Interview zu Interview gezerrt wurde und sein Leben ganz der Schauspielerei widmete. Im Gegensatz zu ihm war sie frei, durfte sagen, was sie wollte und wann immer sie wollte. Ein falsches Wort von ihm und es würde eine Schlagzeile nach der anderen hageln, ein gefundenes Fressen für alle Schundmedien. Während sie darüber nachdachte, kam sein Kopf ihrem immer näher, wenn das überhaupt noch ging. Schnell schaltete sich ihr Verstand wieder ein und sie sah erneut den arroganten Kerl vor sich. Gerade als sie den Mund öffnen wollten, um ihn von seinem Vorhaben abzuhalten, hallte eine allzu bekannte Männerstimme durch den Raum. Es war ihr Chef! Sie drehte den Kopf wieder Richtung Tür und öffnete diese Stück für Stück. Sie blickten in die erstaunten Augen ihres Vorgesetzten und die der Polizei. Einer der Polizisten sprach in sein Mikrofon etwas wie: „Wir haben ihn.“ Aus lauter Euphorie umarmte Sky ihren Chef und dieser erklärte ihr, wie froh er war, dass ihr nichts passiert sei und dass sie unbedingt über die Umbaumaßnahmen dieses Schrankes reden müssten. Skys Blick fiel auf Jack, welcher sogar nach einer Entführung noch zu gut aussah. Die Haare waren zwar leicht durcheinander, was ihm aber durchaus stand und seine Kleidung war knitterlos. Wie funktioniert das nur? Sie wandte den Blick ab und sah einen der Polizisten an, der sagte: „Miss Morgan, wir müssten sie noch wegen ein paar ungeklärten Fragen auf das Revier bitten.“ Sky nickte verständnisvoll und folge dem Uniformierten nach draußen. Als sie aus der Tür trat, stürmte die Ziege von Managerin, gefolgt von einem weiteren Bodyguard, in den Raum. „Oh Gott, Jack, ich habe mir ja solche Sorgen gemacht“, sagte sie theatralisch. Sky konnte gar nicht anders, als die Augen zu verdrehen. Sie konnte nicht mehr viel hören, aber Jack sprach mit seiner Managerin und dann mit seinem Bodyguard. Sky war nur noch froh, gleich mit dem Polizisten im Auto zu sitzen. Eine ganze Autofahrt voller Stille, Sicherheit und ohne Jack. Sky erschrak, als eine Hand behutsam auf ihrer Schulter landete. Sie drehte sich panisch um und sah in das Gesicht des Bodyguards. Dieser sah sie mit einem starken Blick an und sagte ganz monoton: „Ich muss deine Personalien aufnehmen, damit wir uns mit dir in Verbindung setzen können. Pressekram und so, ist eine Vorschrift des Managements.“ Sky tat, was der Bodyguard von ihr verlange, der daraufhin so schnell verschwand, wie er gekommen war.
Nach einem langen Aufenthalt auf der Wache war sie froh, in ihre kleine Wohnung zu kommen, sich einen Kakao zu machen und eine langen Dusche zu nehmen. Als sie fertig geduscht in ihrem Bett lag und durch ihr Handy scrollte, schrieb sie mit Rose. Diese konnte die ganze Geschichte gar nicht fassen und wollte unbedingt jedes Detail bei einem morgigen Frühstück erfahren. Als Sky grinsend zusagte und das Handy weglegte, drehte sie sich hin und her. Sie konnte einfach nicht schlafen. Die heutigen Erlebnisse wühlten sie wohl doch mehr auf, als sie eigentlich dachte. Ein lautes „Pling“ riss sie aus dem Dämmerschlaf. Bestimmt Rose, die das Treffen auf später verlegen will, dachte sie sich. Auf ihrem Handydisplay war eine Nachricht zu sehen, die Sky keinem Halter zuordnen konnte.
Hey, Schätzchen, ich hoffe, du träumst von mir ;)
Schätzchen, Schätzchen, niemand würde sie so nennen, denn dieser Kosename passte zum einen überhaupt nicht zu ihr und zum anderen brachte er sie dazu, sofort zum Schlag auszuholen. Und ihre Freunde wussten, dass sie diese Schläge beherrschte. Dann fiel es ihr ein: Jack, er hatte sie heute so genannt.