K 3 - Ähnlichkeiten
Okay, gut, bitte, ich kapituliere! Es war damals ein riesen Ding und es IST heute ein riesen Ding. Für mich. Immer noch. Oder immer wieder. Oder jetzt wieder. Was weiß denn ich!
Vielleicht ist es die Holzbank, der ziemlich genaue Platz wie damals, vielleicht meine komische Ich-Werde-30-Stimmung… jedenfalls sind die Erinnerungen lebhafter als seit langem und meine Knie lächerlicherweise wieder weich.
Laut Internetseite der Burg arbeitet er immer noch hier – aber auch zwei andere Falkner. Ob ER heute die Flugshow macht? Und ob er mich wiedererkennen wird? Und wenn, was wird er sagen? Also falls wir miteinander reden. Werde ich mich überhaupt trauen, ihn anzusprechen? Natürlich werde ich! Warum auch nicht? For Gods sake wo ist denn meine Selbstsicherheit hin?!
Ich seufze tief. Es kann doch nicht angehen, dass ich mir heute unsicherer vorkomme als damals mit meinen 22 Jahren! Damals… damals war eigentlich alles gut gelaufen…
„When I first met you, I honestly didn’t know
that you would be this important to me”
(@thsquashedstories on Instagram)
…damals…
„Er erinnert mich an wen…“, lehnte sich meine Schwester flüsternd an meine Schulter, während sie weiterhin den Falkner bei der Arbeit beobachtete und die Stirn kraus zog.
„Ja, mich auch“, stimmte ich leise dem zu, was ich seit Minuten auch dachte.
„Sully!“, kam es zeitgleich aus unseren Mündern, wir schauten uns an und lachten los – und ernteten einen bösen Blick des Falkners – ja, stimmt, laute Töne sollte man ja vermeiden, wegen der Vögel. Ups…
Aber scheiße, er sah echt aus wie dieser Typ aus dieser komischen Fernsehserie, die meine Schwester mit Begeisterung geschaut hatte – als sie so 10 war – und ich, großer Bruder, hab ab und zu aus Goodwill mitgeschaut – und heimlich fast ebenso für den Serien-Helden geschwärmt wie Lieschen. Die ich nun wieder flüstern hörte „Aber unabhängig von seiner Sully-Ähnlichkeit, der ist schon richtig Eyecandy“, war die Hingerissenheit in ihrer Stimme unüberhörbar.
„Eyecandy?“, wiederholte ich leise ohne meinen Blick vom Sully-Look-Alike zu lassen, bevor ich zustimmte „Ein bisschen zu süßes Wort, aber JA.“
„Zu süß? Verstehe…“, murmelte Lieschen, was ich nur mit einem eher uninteressierten „Hm?“ quittierte ohne meinen Fokus zu verändern. Ich spürte wie meine Schwester sich an mein Ohr lehnte und flüsterte „You are eye fucking him.“
„Was?!“, drehte ich mich ruckartig zu ihr. Aber bevor ich mir eine unglaubwürdige Verteidigung überlegen oder nachhaken konnte, woher sie so einen Ausdruck hatte, mahnte mich ein tadelndes Räuspern aus der Reihe hinter uns zur Ruhe und ich schüttelte nur den Kopf und stieß Schwesterchen nicht gerade sanft an die Schulter. ‚AU‘ machte sie tonlos mit ihren Lippen und rieb die Stelle mit der Hand. Ich zuckte unschuldig die Schultern und widmete meine Aufmerksamkeit wieder der Flugshow – nicht ohne mich zu bemühen meinen Gesichtsausdruck möglichst neutral zu halten. Gelang mir bestimmt besser als meiner Schwester, der bestimmt jeden Moment jemand ein Lätzchen reichen würde.
Als die Vorführung zu Ende war, konnten die Zuschauer noch Fotos mit den Greifvögeln machen – gegen eine freiwillige Spende, die in Tierfutter etc. investiert wurde. Also zumindest wurde das behauptet. Vielleicht zahlte der Falkner auch sein Feierabend Bier damit? Ein Bier, das er heute mit MIR trinken würde! Fand ich noch genauso krass, wie vor gut einer Stunde.
Klick, klick hörte ich es die ganze Zeit neben mir. „Was machst du denn? Fotos von den Vögeln?“
„Quatsch! Nicht von den Vögeln! Von Mr. Sully“, raunte meine Schwester verschwörerisch.
Ich rollte mit den Augen.
Klick, klick! „Ich sag‘s dir, ich bin kurz davor ne Fanpage für ihn auf Insta zu erstellen und bei jedem Post dann Hashtag #gutzuvögeln!“, strahlte Elisabeth mich an, ich schüttelte den Kopf.
„Sag bloß, das findest du nicht witzig!“, schaute sie entgeistert.
Doch, fand ich witzig, aber das konnte ich unmöglich zugeben. Meine kleine Schwester wäre in der Lage, tatsächlich so eine Fanseite zu erstellen. Verrückt genug dazu war sie definitiv und Zeit hatte sie auch. Die hatte doch mindestens noch 6 (!) Wochen Ferien bevor ihr Studium begann.
„Da kriegst du doch nie Follower dafür“, versuchte ich‘s mit Negativwerbung.
„Ach, mit den richtigen Hashtags…“, grinste Lieschen und öffnete doch tatsächlich Instagram! „Nur mal schauen, was es da von der alten Serie so gibt“, kommentierte sie, Blick auf den Bildschirm fixiert.
„Bingo!“, unterbrach sie mein erneutes Starren Richtung Foto-Session.
„Da gibt’s einiges! Schau!“, hielt sie mir ihr Smartphone unter die Nase und ich betrachtete kurz das Bild, las sogar den Text und gemeinsam scrollten wir durch einige Beiträge.
„Eine Fanseite ist trotzdem eine Schnapsidee. Solltest du lassen. Am Ende kriegst du noch Probleme. Recht am eigenen Bild und so“, versuchte ich es nun mit vernünftigen Argumenten.
„Wenn er dein neuer Freund wird, dann lass ich‘s natürlich“, zwinkerte sie.
„Ts! Neuer Freund. Wir gehen auf ein Bier. Fertig.“
„Pah! Als ob es dabei bliebe! So wie ihr euch angesehen habt?! Und nach dem ganzen ‚gut zu vögeln‘ Gequatsche?! Never! Ich bin keine 10 mehr, ich weiß, was da heute noch läuft“, wackelte sie mit den Augenbrauen und rempelte mich in die Seite.
Ich seufzte und ließ es dabei bewenden – auch weil ich sah, dass sich die Foto-Meute aufgelöst hatte und Mr. More-than-Eyecandy langsam auf uns zu kam.
„Wollt ihr noch mitkommen, die Schöne da (nickte er Richtung Eule auf seinem Arm) in ihr Zuhause bringen?“, fragte der Falkner als er bei uns und wir von der Bank aufgestanden waren.
„Eigentlich gern, aber ich muss los, ich… ich bin noch verabredet! Euch viel Spaß. Tschüss!“, sagte meine Schwester und hatte doch tatsächlich die Dreistigkeit zu zwinkern bei ‚Spaß‘!
Aber wenn sie auch manchmal dreist war, jetzt so plötzlich zu verschwinden war schon sehr nett von ihr. Irgendwie auch notwendig, weil so zu dritt, das wäre schon komisch geworden, fiel mir gerade ein und ich kaufte ihr gedanklich schon mal ihre Lieblings-Schokolade. Und noch Lakritz dazu, weil sie ja nun mit dem Bus zurück fahren musste.
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