Kapitel 5 - Unerwünschte Veränderung
Nichts konnte Emils Inneres genauer erklären als: kochend vor Wut. Die ganze Fahrt nach Hause schmollte er und was alles noch schlimmer machte, war, dass der ungebetene Gast mit ihnen fuhr. Er saß da, quatschte und Voitos machte nichts Besseres, als diesen Kerl noch zu antworten. Was der kleine Prinz nicht bemerkte, war, dass, während er beschäftigt war, zu schmollen, beobachtete der ungebetene Gast jede Bewegung des Prinzen und schien sogar sehr amüsiert darüber zu sein.
Als sie endlich zu Hause ankamen, sprang Emil aus der Kutsche und lief rein, ohne auf die zwei Männer zu warten, die anscheinend immer noch in ihr Gespräch vertieft waren. Sie schienen sich gut zu verstehen, was für Voitos sehr untypisch war. Er war ein sehr ernster und verklemmter Mann. Emil überhörte öfters, wie die Dienstmädchen über ihn tratschten. Emil hörte sie sagen, dass er ein recht gutaussehender Mann war, aber seine kalte Art, mit Leuten umzugehen, viele Interessentinnen verschreckte. Und doch hatte dieser neue Lehrer es geschafft, dass dieser hochnäsige Mann wie ein Wasserfall quatschte. Wie er es auch geschafft hatte, Emil war fest entschlossen, sich nicht wie Voitos um den Finger wickeln zu lassen. Dieser unerwünschte Gast wird es bereuen, Emils Lehrer geworden zu sein, denn Emil hatte einen Plan und er wusste genau wen er um Hilfe bitten musste.
Xiphos saß unwissend im Pferdestall und aß voller Genuss einen Apfel, den er von einem Baum im königlichen Garten geklaut hatte. Ohne dass jemand es gesehen hatte, natürlich, denn „was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß". Natürlich ist sein Boss gemeint, also der Ritterhauptmann, der ihm die Erlaubnis gegeben hatte, eine Pause zu machen. Er hatte schon lange nicht so einen ruhigen Nachmittag gehabt. Keine Arbeit, sein kleiner Goldfisch feiert mit seinen reichen Freunden eine Geburtstagsfeier, und er genoss einen saftigen Apfel zur Krönung.
Anscheinend waren die Götter nicht so auf seiner Seite, denn plötzlich spürte er ein leichtes Tippen auf seiner Schulter, das ihn so erschreckte, dass er seinen wunderschönen Apfel fallen ließ. Er schrie auf und wollte verfluchen, wer auch immer es gewagt hatte, ihn zu stören.
Zu seiner Verwunderung war es Emil, der eigentlich auf einer Party sein sollte. «Um Himmels willen! Mach das nie wieder, sonst binde ich dir eine Glocke um!» Der kleine Prinz kicherte verlegen. Er sah an Xiphos vorbei, auf dem Boden. Er drehte sich um und musste mit Entsetzen feststellen, dass sein ach so geliebter Apfel gerade von einer der Pferde gefressen wurde.
«Verdammt-» Er holte tief Luft und drehte sich zu Emil um, der verzweifelt versuchte nicht zu grinsen.
«Was ist los? Solltest du nicht auf dieser vornehmen Party sein, mit deinen königlichen Kameraden?» Emil schüttelte nur entmutigt den Kopf.
«Ich wollte wieder nach Hause, weil es mir zu viel geworden ist.» Er senkte seinen Blick zu Boden. Er wollte nicht, dass Xiphos sah, wie aufgewühlt er war. Der kleine Ritter war in solchen Situationen keine große Hilfe. Er würde sich nur aufregen, was dazu führte, dass Emil sich noch mehr aufregte. Wie damals, als eines der Kinder, die Emils Eltern einluden, damit sie mit ihm Freundschaft schließen, ihn wegen seiner Stummheit schikanierten und sein Schreibbrett zerbrachen. Xiphos wurde so rot vor Wut, dass er aussah wie eine Tomate, und dann ging er auf die Kinder los. Zum Glück waren Wachen in der Nähe, die den fluchenden und um sich schlagenden Xiphos weg brachten.
«Sie haben einen neuen Lehrer für mich» fügte Emil hinzu «Ich mag ihn nicht» Xiphos schmunzelte als würde er genau wissen, wieso der kleine Prinz ihn aufgesucht hatte. «Lass mich raten.» fing er an. «Du willst, dass ich ihn ärgere, damit er die Schnauze voll bekommt und geht.»
Er neigte den Kopf und hob eine Augenbraue. «Stimmt's?» Emil nickte nur. «Ausgezeichnet.» Er lief los und machte Emil Zeichen, ihm zu folgen. «Folge mir, mein junger Lehrling.» Emil folgte ihm auf Schritt und Tritt. «Erste Lektion: Bevor du jemanden ärgerst, musst du ihn lang genug beobachten, um zu verstehen, wie er hier oben tickt.» Er tippte mit seinem Finger auf seine Stirn. Er schien ganz in seinem Element zu sein, was Emil ein kleines bisschen beunruhigte.
«Wir werden jetzt deinem neuen Lehrer einen Besuch abstatten, und ihm zeigen, mit wem er es zu tun hat.» Er stolzierte vor sich hin, voller Zuversicht.
Sie waren nun im Klassenzimmer. Wer zum ersten Mal im Schloss war, könnte es schnell mit dem Büro des Königs verwechseln, denn die beiden Zimmer waren gleich ausgestattet. Bücherregale, ein Schreibtisch, aber keine Spur vom neuen Lehrer. Also entschieden die Jungs, einfach im Zimmer zu warten, irgendwann musste er auftauchen. Das, was sie aber nicht einberechnet hatten, war, dass sie beide recht ungeduldig waren, daher fingen sie an, alles, was sie in diesem Klassenzimmer fanden, anzufassen. Vor lauter Langeweile, hatte Xiphos alle Bücher, die sich im Zimmer befanden, durchgeblättert und auf den Schreibtisch gelegt.
Emil hatte währenddessen alle Schubladen ausgeräumt und jeden einzelnen Bleistift, den er fand, in seine Hosentasche gestopft. Als sie so vertieft waren, bemerkten sie nicht, dass der Mann, auf den sie die ganze Zeit gewartet hatten, schon längstens aufgetaucht war, und entsetzt da stand, während die beiden Jungs sein Klassenzimmer auseinandernahmen.
«Verzeiht die Störung, aber was macht ihr da?»
Die Köpfe der beiden Jungs drehten sich zur Stimme um, die sie aus ihrer Konzentration riss. «Sie stören nicht, also keine Sorge.», antwortete Xiphos nonchalant. Er lief zum Mann hinüber, musterte ihn kurz und drehte sich dann zu Emil um, der sich wieder seinen Stiften gewidmet hatte.
«Emil.» Der Prinz hob den Kopf. «Ist er das?» Emil nickte.
Xiphos grinste zufrieden und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Fremden. «Ich habe gehört, Ihr seid der neue Lehrer des Prinzen.», sagte er.
«Gewiss, und du bist?», fragte der junge Lehrer. «Ich bin Xiphos, Beschützer und rechte Hand des ersten Prinzen des Königreiches Mousiki.» Wenn er wollte, klang der kleine Ritter genau wie ein Erwachsener, was Emil immer wieder beeindruckte.
Dem Lehrer weniger. «Und kann ich jetzt wissen, wieso ihr es als eure Aufgabe gemacht habt, mein Lehrerzimmer auseinanderzunehmen?» Er zeigte auf all den Büchern auf dem Tisch und den leeren Regalen.
Emil hasste es zu streiten. Am meisten hasste er es, mit wütenden Erwachsenen zu tun zu haben, aber dabei zuzusehen, wie Xiphos ihnen die Stirn bot, war immer aufregend. Die beiden führten gerade einen Streit, während sie beide stets lächelten.
«Gewiss. Uns wurde es langweilig auf ein gewissen jemand zu warten.» Sagte er. Anscheinend war das für den Lehrer zu viel des Guten, denn sein Lächeln verschwand.
«Xiphos» Er hatte einen Blick, der Emil nicht richtig deuten konnte, als er plötzlich etwas in den Augen des Lehrers sah. Er wusste nicht, was, aber etwas war gerade geschehen.
«Du wirst im Stall benötigt.» Ohne mit den Wimpern zu zucken, drehte sich der kleine Ritter zu Emil um. «Du hast den Mann gehört, ich muss los.» Und schon war er aus der Tür. Emil war nun ganz allein mit dem neuen Lehrer, den er jetzt noch weniger mochte als vorher.
«Eure Hoheit, es wird Zeit für unseren Unterricht.» Er lief zum Tisch und fing an Emil die Bücher in die Hand zu drücken.
«Erste Lektion: Konsequenzen.» Er grinste Emil an. «Wenn jemand etwas tut, sei es etwas Gutes oder Schlechtes, dann muss er mit den Konsequenzen seines Handelns leben. Deswegen werdet Ihr jetzt die Bücher wieder in Ordnung legen.» Emil schüttelte energisch den Kopf. «Wieso soll ich mit den Konsequenzen der Taten von jemand anderen leben?» Es war nämlich Xiphos, der die Bücher aus Regalen genommen hatte, nicht Emil, und er hatte keinen Bock, die jetzt wieder in Ordnung zu bringen.
«Ihr habt die Bücher vielleicht nicht herausgenommen, aber Ihr habt ihn nicht aufgehalten, deswegen seid Ihr genauso verantwortlich wie er.» Herr Pséftis setzte sich an den Schreibtisch und blätterte durch Schulbücher, während Emil schuftete. Jetzt war Emil sicher, er konnte ihn nicht ausstehen.
Emil hatte seinen ersten Unterricht heil überstanden und, da es jetzt Nachmittag war, durfte er tun, was er wollte. Im Moment wollte er mit Xiphos reden, warum er ihn in Stich gelassen hatte. Er fand ihn am Trainieren mit dem älteren Ritter. Er duellierte gerade mit einem anderen Jungen, den Emil nicht kannte. Der kleine Ritter bemerkten ihn sofort und gab dem anderen Jungen ein Zeichen dass er sich eine Pause nehmen solle. Er lief zum Prinzen rüber.
«Emil, wie war dein erster Unterricht?» Ohne Vorwarnung schmetterte Emil ihm sein Schreibbrett auf den Kopf. Xiphos zuckte zusammen und rieb sich dann wütend den Schädel «Was soll das?!»
Er sah recht wütend aus. «Ich könnte dir das Gleiche fragen. Wieso bist du einfach abgehauen?!» Emil war genauso sauer.
«Was meinst du?!» sagte Xiphos.
«Du hast mich einfach mit dem Lehrer allein gelassen, nachdem du mir gesagt hast, dass du mir helfen würdest!» Xiphos sah aus, als hätte er das alles zum ersten Mal gehört. «Was laberst du?! Ich war die ganze Zeit hier!» Das kann doch nicht sein Ernst sein!
Emil war schon wütend genug, dass Xiphos ihn im Stich gelassen hatte, und jetzt wagt er es noch zu lügen. «Ich weiß wirklich nicht über was du sprichst, Emil.» Jetzt war es Emil der Schmollte. Eigentlich war ihm zum Weinen zumute. Er stampfte mit dem Fuß zu Boden und lief dann weg. Xiphos lief in verwirrt hinterher. «Warte auf mich»
Er lief in den Garten, gefolgt von Xiphos, saß am Rand des Teiches, in dem er Euterpe das erste Mal traf. Xiphos stand schweigend hinter ihm, Emil drückte das Medaillon fest und dachte an sie. Er wollte sie unbedingt sehen, jetzt mehr als sonst.
Der Wind fing an, stärker zu wehen und Emil sah hoch, als Xiphos seinen Atem anhielt. Der kleine Ritter stand da, bleiches Gesicht, und stotterte «Da, im Wasser...» Aus dem Wasser ragte eine Hand, die den beiden Jungs Zeichen machte ihr ins Wasser zu folgen, was Emil erfreut tat. Xiphos packte ihn am Arm und sagte mit zitternder Stimme: «I-I-ich, als dein S-S-Schützer, gehe voran» Er schob Emil sanft hinter sich und nahm seine Hand. Er drückte Emils Hand fest und lief dann ins Zentrum des Teiches, wo das Händchen sie hinführte.
«Und jetzt?» Er sah Emil ratlos an, der ihm zeigte, dass sie untertauchen mussten. Er schüttelte energisch den Kopf.
«Da gehe ich lieber Pferdekot sammeln» Emil nahm Xiphos Hände, drückte sie sanft und lächelte ihn lieb an. «Na gut, aber wehe, es passiert etwas.»
Sie nahmen tief Luft und tauchten unter.
Unter ihren Füßen spürten sie Boden, es war aber keine Erde, sondern fester Boden. Emil war der Erste, der seine Augen öffnete und feststellte, dass sie in dem Zimmer waren, in dem er Euterpe das erste Mal traf. Er tippte Xiphos sanft auf die Schulter, der zuerst ein Auge öffnete und dann, als er merkte, wo sie waren, beide Augen aufriss.
«Wo zum Teufel sind wir?!» Die Tür öffnete sich und Euterpe kam herein. Sie summte vor sich hin und trug ein Tablett mit zwei Bechern hinein. Sie sah auf.
«Oh, Xiphos ist auch da!» Sie sah auf das Tablett hinab: «Ich habe nicht genug Becher, bin gleich wieder da» Sie drehte sich um und wollte gehen, als Emil sie beim Arm packte. Ich bin gekommen, um dir etwas Wichtiges zu fragen. Sie sah Emil und dann Xiphos an. «Nun gut.» Sie ließ das Tablett los und es verschwand, dann verschränkte sie die Arme und sah ihn erwartungsvoll an. «Was ist los?» Xiphos tippte Emil auf die Schulter. «Darf ich auch wissen, was hier los ist?» Emil hatte ganz vergessen, dass Xiphos, im Gegensatz zu Euterpe und Emil, keine Gedanken hören konnte, da er nicht mit ihnen verbunden war.
Xiphos soll auch mithören.
Sie runzelte ihre Augenbrauen, als hätte sie gerade etwas falsch verstanden, dann rollte sie die Augen «Gut» Sie lief rüber zum kleinen Ritter und nahm sein Gesicht in ihren Hände. Xiphos zuckte zusammen «Hey Lady, so nahe stehen wir uns auch wieder nicht» Sie ignorierte ihn und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Xiphos wurde rot wie eine Tomate und stieß Euterpe leicht von sich. Er lief rüber zu Emil und flüsterte ihm ins Ohr «Was sollte das?!» Der antwortete mit einem Lächeln. Du wirst es bald erfahren. Sobald er diese Worte fertig gedacht hatte, gab Xiphos einen Schrei von sich.
«Was war das?!» Emil grinste breit, Euterpe hingegen sah recht irritiert aus. «Hört mal Kinder.» fing sie mit einem ernsten Ton an «Wenn ihr etwas fragen möchtet, dann macht es. Ich bin nicht eine, die gerne wartet.» Dann sah sie Emil direkt in die Augen «Oder Befehle erteilt bekommt» Jetzt sah sie mehr als nur irritiert aus, aber er ließ sich nicht unterkriegen.
Ich habe Erato getroffen.
Er wartete kurz, um zu sehen, wie sie darauf reagieren würde, doch sie bewegte sich kaum. Dann fuhr er fort: und sie hat mir komische Sachen gesagt. Euterpe nickte langsam: «Und weiter», sie musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.
Xiphos spürte, wie die Luft zwischen den beiden dünner wurde und entschied, kein Wort zu sagen. Emil fuhr fort: dass ich kein Zeichen hätte oder so.
Es war lange still im Zimmer, als plötzlich Euterpe einen Schrei von sich stieß, der das ganze Zimmer erzittern ließ: «Wie wagt sie es?!» Sie lief stampfend zu Emil und wollte ihn bei den Armen packen, doch Xiphos stellte sich dazwischen.
«Zur Seite!» Hisste sie, doch der kleine Ritter antwortete mit einem harten: «Nein.» Er meinte es ernst.
«Ich wiederhole mich nicht gerne»
«Du scheinst nicht viel gerne zu machen, stehen Manieren auch auf der Liste?» spottete Xiphos.
«Gut, dann auf die harte Weise», Das Zimmer bebte und aus ihren Händen sprühten kleine Blitze. Sie näherte sich langsam am Gesicht des kleinen Ritters und, auch wenn Xiphos ein hervorragender Schwertkämpfer war, ist es recht unwahrscheinlich, dass er in einem Kampf mit einer Göttin gewinnen kann. Emil musste etwas tun, und zwar schnell. Er sah sich um und suchte etwas, was er nutzen konnte, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Er raste zum Bett, packte sich ein Kissen und schmetterte es auf Euterpe's Hinterkopf. Sie stolperte nach vorne und alles hörte auf sich zu bewegen. Sie blinzelte ein paar Mal und drehte sich dann langsam zu Emil um, der da stand, von sich selbst verblüfft.
Xiphos versuchte krampfhaft, nicht zu lachen und wich den wütenden Blick von Euterpe aus. Emil schmiss das Kissen zu Boden, zog Xiphos zur Seite und stand vor Euterpe.
Beruhige dich!
Sie richtete ihr zerzaustes Haar und lief zur Tür. Ohne die Jungs anzusehen, sagte sie: «Ich werde euch jetzt zurückschicken, ich werde dich dann rufen, wenn ich mich wieder beruhigt habe.» Sie gab ihnen keine Zeit zu reagieren, schon verschwand sie und das ganze Zimmer wurde wieder zu Wasser. Eine starke Strömung schleuderte sie aus dem Teich und sie landeten unsanft auf dem Rasen. Xiphos rieb sich sein Hinterteil, während Emil sich langsam aufrichtete.
Das war unerwartet und etwas seltsam. Wieso hatte sie so reagiert? Was hatte sie so in Rage gebracht? Und wieso stand Emils Vater vor ihnen, mit verschränkten Armen und bösen Blick? Xiphos salutierte. Emil lächelte. Der König seufzte.