3. Der Weg in die Dunkelheit
Die Reise begann im Morgengrauen. Der Nebel, der sich in der Nacht über Sylvandor gelegt hatte, löste sich langsam auf, während Danny, Kira und Kael'thar die ersten Schritte in Richtung Süden machten. Der Weg vor ihnen führte durch dichte Wälder, endlose Ebenen und schließlich in die dunklen Ruinen, von denen Kira gesprochen hatte.
Kael'thar flog dicht über ihnen, seine mächtigen Schwingen schnitten durch die kühle Morgenluft. Danny fühlte die vertraute Präsenz des Drachen über sich, doch sie war nicht beruhigend. In letzter Zeit spürte er ein seltsames Zögern in Kael'thar – als ob der Drache Zweifel an dieser Reise hatte.
„Du bist still," sagte Danny und sah zu Kira, die neben ihm ging.
Sie hob den Kopf leicht, ohne ihn anzusehen. „Manchmal sagt die Stille mehr als Worte." Danny schnaubte. „Das klingt wie etwas, das jemand sagt, der zu viel weiß, aber nichts preisgeben will."
Kira lächelte schwach. „Vielleicht. Aber ich weiß, dass du Fragen hast. Warum stellst du sie nicht?" „Vielleicht, weil ich nicht sicher bin, ob ich die Antworten hören will," erwiderte Danny.
Das brachte Kira zum Schweigen. Sie lief weiter, ihre Augen auf den Pfad gerichtet, als ob sie etwas suchte, das nur sie sehen konnte.
Als die Sonne höher stieg, erreichten sie eine Lichtung, die von einer alten Eiche dominiert wurde. Kael'thar landete sanft neben ihnen, seine großen Schuppen glitzernd wie Edelsteine.
„Wir sollten hier rasten," sagte er und ließ seinen Blick auf Kira ruhen. „Du siehst müde aus."
Kira ignorierte die spitze Bemerkung und setzte sich auf einen der verwitterten Steine am Rand der Lichtung. Danny ließ sich neben ihr nieder, während Kael'thar den Wald musterte, seine Augen wachsam.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, was genau uns erwartet," sagte Danny schließlich und sah zu Kira.
Sie zögerte einen Moment, dann zog sie eine kleine Karte aus ihrem Umhang hervor und legte sie vor sich aus. Die Linien darauf waren verblasst, doch die Konturen der Drachenreiche waren erkennbar.
„Hier," sagte sie und deutete auf eine Stelle tief im Süden, wo die Berge aufhörten und ein weites Ödland begann. „Das ist unser Ziel. Die Schatten haben sich in den Ruinen von Karath'Zul gesammelt."
Kael'thar knurrte leise. „Karath'Zul. Der Ort, an dem die ersten Drachen lebten – und starben." Danny runzelte die Stirn. „Ich dachte, die Ruinen wären unbewohnbar. Verflucht, sagte man."
„Das sind sie auch," sagte Kira. „Aber die Schatten kümmern sich nicht um Flüche. Sie suchen Macht. Und Karath'Zul ist voller alter, vergessener Magie."
Danny betrachtete die Karte mit gerunzelter Stirn. Er spürte, wie sich etwas in ihm regte – ein unheimliches, vertrautes Gefühl. Die Schatten riefen nach ihm, das wusste er. Sie waren dort, wo sie am stärksten waren, und er wusste, dass sie auf ihn warteten.
„Und was ist mit dir?" fragte er schließlich und sah Kira direkt an. „Was genau willst du in Karath'Zul? Du sagst, dass du hier bist, um mir zu helfen. Aber was suchst du wirklich?"
Kira hielt seinem Blick stand, ihre Augen kalt wie Stahl. „Ich suche Antworten," sagte sie. „Die Schatten haben mir alles genommen, Danny. Meine Familie, mein Leben, meine Seele. Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, vor ihnen davonzulaufen. Aber jetzt laufe ich nicht mehr. Jetzt jage ich sie."
Danny konnte nicht sagen, ob sie die Wahrheit sprach. Aber er spürte die Leidenschaft in ihrer Stimme, die brennende Wut, die nur jemand empfinden konnte, der wirklich alles verloren hatte.
Die Rast dauerte nicht lange, und bald setzten sie ihre Reise fort. Der Wald lichtete sich, und vor ihnen lag eine weite, windgepeitschte Ebene. Das Gras war trocken und brüchig, und die Luft hatte einen seltsamen, metallischen Geschmack.
„Das Land verändert sich," murmelte Kael'thar, der neben ihnen flog. „Es ist, als ob die Schatten die Erde selbst vergiften."
Danny nickte. Er konnte es auch fühlen – eine Schwere, die auf ihm lastete, je näher sie ihrem Ziel kamen.
„Karath'Zul ist nicht mehr weit," sagte Kira, ihre Stimme leiser als zuvor. Danny spürte die Spannung in ihren Worten. Sie war angespannt, vielleicht sogar ängstlich, doch sie verbarg es gut.
Am Abend erreichten sie eine Anhöhe, von der aus sie einen Blick auf das Land vor ihnen hatten. Im Licht der untergehenden Sonne sahen sie die Ruinen von Karath'Zul zum ersten Mal.
Es war ein düsterer Anblick. Zerbrochene Türme ragten wie gebrochene Knochen in den Himmel, und die Mauern der alten Festung waren von einem unheimlichen, schwarzen Nebel umgeben, der sich wie lebendig bewegte. Die Luft war still, doch ein seltsames Summen erfüllte die Umgebung, als ob die Ruinen selbst atmeten. „Das ist es," sagte Kira leise.
Kael'thar landete neben ihnen, seine Augen auf die Ruinen gerichtet. „Wir sollten vorsichtig sein," sagte er. „Das hier ist ein Ort des Todes."
Danny zog den Umhang enger um sich und spürte, wie das Flüstern der Schatten in seinem Kopf lauter wurde. „Ich habe das Gefühl, dass wir erwartet werden," murmelte er.
Kira sah ihn an, und zum ersten Mal schien sie wirklich besorgt. „Das sind wir," sagte sie leise. „Die Schatten wissen, dass du kommst, Danny. Und sie werden alles tun, um dich für sich zu gewinnen."
Danny starrte auf die Ruinen von Karath'Zul, das unheimliche Summen in seinen Ohren. Er wusste, dass Kira recht hatte. Die Schatten warteten. Und sie würden nicht kampflos aufgeben.