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3 - Lorcan

Die Teller werden vorgesetzt. Laurent flirtet wieder geschmacklos mit einer Kellnerin. Es ist ihm egal, dass wir sie gefangen halten. Ihm ist so ziemlich alles egal. Sie lacht über seine vulgären Worte und fühlt sich über seine Komplimente geschmeichelt, dabei kann man ihr ansehen, dass er lügt und sie weder erhaben noch hübsch ist. Um so zu wirken hätten wir sie richtig ankleiden müssen. Sie trägt einfache Leine in ausgewaschenem grau. Hat weder Schuhe noch Socken an. Ihre Haare sind kurzgeschoren wie es sich für Diener gehört und ihre Augenringe bitteres blau. Sie sieht halb tot aus, aber das stört Laurent nicht. Es macht ihn zufrieden mit ihr zu spielen.

Ich konzentriere mich auf meinen Teller, weil ich so schneller wieder hier weg kann, aber leider lassen sie mir meine Ruhe nicht. „Du wirst heiraten Brüderchen." Ich sehe zögerlich von meinem lebenden Bluttintenfisch auf. Sehe zu meiner anderen Schwester ‚Verena'. Sie sitzt zwischen zwei meiner Brüder und ist der ganze Stolz meiner Mutter. Sie ist die zweit stärkste und am stolzesten Teil dieser Familie zu sein. Es ist schon erstaunlich wie man stolz darauf sein kann hier zu diesem Affenstall zu gehören. Verena bedeutet ‚zu fürchten, zu respektieren' und sie macht ihrem Namen alle Ehre. Verena hat langes schwarzes Haar, welches sie in ihrem Leben noch nie hochgebunden hat. Wie ein Tepich überdeckt es ihren gekurvten Körper. Legt nur ihre unbedeckten tätowierten Arme frei.

Sie verbringt den ganzen Tag in ihrem Zimmer und lernt neue weisen sich anzumalen. Ihre Haut ist weiß wie meine und hebt die schwarzen Linien hervor. Soweit ich weiß, kann man sie nur mit Nicoli Blut erzeugen. Blut, dass nicht dein eigenes ist. Es muss ein toter Nicoli sein und er muss in deinen Händen gestorben sein. Sie ist also eine stolze Mörderin und trägt die Auszeichnungen in dicken tropfen und feinen Linien für immer auf ihrer Haut. Manche Linien bilden Muster, andere sind frische Spritzer, die nur von einem Dolch aus nächster Nähe erzeugt werden können.

Als ich mich wegen ihren Worten umsehe, teilen viele meiner Geschwister den gleichen Gesichtsausdruck. Ein wissendes, ungemütliches Grinsen. Fragend sehe ich zu Deianira. Wenn jemand dies bestätigen kann, dann ist es meine Erzeugierin. Natürlich glaube ich nicht was sie sagen, doch als ich in das Gesicht dieser Frau sehe und sie nicht schmunzelt als wäre es ein Witz, da lege ich meine Gabel hin. Der Tintenfisch kriecht blutend über meinen Tellerrand also steche ich einmal mit dem Messer feste durch sein Herz. Nicht, dass er hier alles vollsaut. „Awww, hat dir das deinen Hunger genommen?" Spottet Laurent weiter. Man könnte glauben, dass er der schlimmste von ihnen ist, aber das stimmt nicht unbedingt. Sie sind alle schlimm, nur dass er gerne spricht um mir zu zeigen was ich nicht kann. Keiner von ihnen weiß, dass ich die ersten vier Tage meines Lebens gesprochen habe. Es war meine Entscheidung kein Wort an sie zu verschwenden. Schade, dass sie davon keine Ahnung haben.

Fragend sehe ich zu meinem Erzeuger. Xerxes wird es mir erklären. Er blickt ernst zurück, legt dann auch sein Besteck ab und durchfährt mit seiner Hand seinen langen grauen Bart. Jeden Tag trägt er seine Kampfuniform. Sie ist schwer und schwarz. Hat viele Taschen und noch mehr Lederlappen. Wenn er aufsteht liegen sie übereinander wie Dachziegel. Der ältere Mann nickt langsam. Sie haben also wirklich jemanden gefunden?

„Es steht noch nicht fest, wir sind aber im Gespräch mit ihnen und werden sie bald zu uns einladen." Sagt er mit tiefer, rauer  Stimme. Ich frage mich manchmal ob meine inzwischen auch so wäre, weil ich doch im Vergleich zu meinen Geschwistern am meisten von ihm geerbt habe.

Das ich heiraten soll steht schon lange fest, deswegen bin ich nicht besonders aufgewühlt. Anders als die Ilaria heiraten wir nicht aus Emotionen wie Liebe und Zuneigung. Ich versuche bei diesen Worten nicht mein Gesicht zu verziehen. Wir heiraten aus Status. Deswegen ist auch alles was ich gerade wissen will, wie reich und angesehen sie sind. Etwas von niedrigem Rang, würde meiner Ehre schaden. Wer fürchtet schon jemanden, der niedrig eingeheiratet hat.

Abwartend sehe ich wieder zu meiner Erzeugerin. Sie sucht seit 4 Jahren für mich. Es ist nicht leicht jemanden zu finden, der bereit ist einen stummen zu heiraten, selbst wenn ich so viel Macht besitze. Dazu interessieren mich diese ganzen Turniere nicht bei denen ich sie zu Beweis stellen könnte, also glaubt auch nicht jeder sofort, dass ich so viel Kraft habe. Fragend sieht sie mich an. Sie versteht nicht was ich will und ich habe in diesen 21 Jahren nicht herausgefunden wie ich es ihr sagen kann.

Du glaubst, ich könnte ihr einfach etwas aufschreiben, nicht? Sowas ist bei ihr nicht möglich. Bei niemandem von ihnen. Wenn wir Nicoli für eins bekannt sind, dann ist es unsere Grausamkeit. Einem stummen zu helfen sich auszudrücken ist nichts was wir tun wollen. Ist dir das noch nicht aufgefallen? Wir Nicoli sagen öfter ‚ich will' als ‚ich möchte'. Wir verwenden Worte wie ‚gut und böse' nicht wie du es tust. Wir haben keine ‚Familie' und wir haben keine ‚Hoffnung', ‚Vertrauen' oder ‚Sorgen'. Das ist das was die Ilaris haben. Die schwachen und glücklichen. Nichts was wir brauchen.

„Sie ist ne Naida." Mit zitternder linker Hand sehe ich wieder zu meiner Schwester hoch. Verena hat nicht gerade gesagt, dass ich eine Naida heiraten soll! Fragend sehe ich zu Xerxes. Er würde sowas niemals zulassen. Das wäre beschämend! „Es stimmt, Lorcan." Es stimmt? Es gibt vielleicht keine Worte um auszudrücken was ich fühle, keine Stimme um zu sagen, dass ich sie nicht heiraten werde, aber es gibt andere Wege! Der Tintenfisch auf meinem Teller geht in hohen, warnenden Flammen auf. Sag das noch mal! Xerxes rutscht ein Stück mit dem Stuhl zurück, weil die Flammen nach ihm ausschlagen. „Ich weiß, dass es dich stört. Mich stört es auch." ‚Stören'? Das beschreibt noch nicht wie idiotisch dieser Plan ist. Das beschreibt nicht wie sehr ich die Blitze des gesamten Himmels auf sie runter regnen lassen will. Die Flamme läuft plötzlich über den Teller hinaus und bringt den Tisch bis kurz vor Ashiras Teller zum brennen. Wäre es jemand anderes als sie, hätte ich den Teller auch angezündet.

Seufzend rutscht sie vom Tisch weg. Es ist nicht so als könnte ich Ashira leiden. Ich kann niemanden außer meinen Kater leiden, aber ich hasse sie nicht so sehr wie die anderen. Sie ist zu dumm um sie zu hassen. Sie versteht die Witze, die die anderen über mich machen nicht mal. Alles woran sie denkt ist Geld und Schmuck. Das macht sie im Vergleich zu meinen Macht hungrigen Geschwistern erträglicher. „Lorcan." Sagt Deianira. Sie hat mich erschaffen und soll die sein, die Männer zu ihrem Grab bringt, aber vor mir hat sie Angst. Deswegen ist ihre Stimme so gefüllt von Vorsicht und ich kann ihre Angst bis hier hin riechen.

Wisst ihr wie Angst riecht? Sie riecht wie ein Wald direkt nach dem Regen. Erdig und frisch. Es ist das wovon die Naida sich ernähren. Würde ich so eine heiraten würde sie versuchen in allem was um mich herum ist Angst zu erwecken. Ich will diesen Gestank nicht durchgehend um mich haben. Versteh mich nicht falsch. Es ist ungeheuerlich befriedigend, wenn Deianira Angst vor mir hat. Es nervt nur, wenn ich mich dauerhaft mit solch lachhaften Kreaturen umgeben muss.

„Beruhig dich. Der Tisch ist neu." Jetzt nicht mehr. Das ist alles was ich denke als ich ihn in zwei Teile und alle ihre Teller über den Tisch in das Feuer in der Mitte des Saales rutschen. Drei meiner Brüder heben ihre Teller rechtzeitig hoch. Laurent ist leider einer von ihnen. Sitzt grinsend da während der Teller vor ihm schwebt. Zu gerne würde ich seinen Tintenfisch auch in Flammen setzen und seinen Wein einfrieren, aber ich wage es heute nicht. Das ist das blöde an dieser Familie. Sie alle helfen gerne Laurent, wenn es darum geht mich zu quälen und wenn sie nicht bereit sind zu helfen, dann manipuliert er sie so, dass sie es am Ende unbewusst doch tun. Es ist besser ihn nicht zu provozieren.

„Sie gehören zu den Naoki." Ich lache lautlos. Zu den Naoki sagt sie also. Ihr versteht nicht wieso das lustig ist oder? Naoki bedeutet ehrlich. Einen Klan, der nur aus lügenden, manipulativen Naida gehört ‚ehrlich' zu nennen ist etwas, was wieder nur die Naida zustande bringen. Sie lieben solche Wortspiele. Tuen gerne so als wären sie jemand, der sie nicht sind. Die Naoki sind sehr berühmt für ihre Macht und wir handeln mit ihnen schon lange, trotzdem sind die Naida uns untergestellt! Sie will das ich niedriger einheirate und dann nicht mal eine Nicoli! Nicht mal eine von uns!

Ich lasse das Feuer langsam zu ihr rüber über den Tisch kriechen. In einer wunderschönen perfekten Linie. Wisst ihr wie lange es meine Brüder gebraucht hat das zu lernen? Drei Jahre. Feuer lässt sich schwer in einem Raum halten. Will sich zu allen Seiten ausbreiten und den Stoff der Tischdecke fressen. Drei Jahre hat es sie gebraucht bis sie es in einer Linie halten konnten. Viele von ihnen schaffen diese Kunst nur zwei Meter weit, dann frisseln die Enden auf. Ich habe das Ganze in drei Tagen gelernt. Da war ich vier! Direkt vor ihr kommt meine Feuerschlange zum stehen. Zittert abwartend und ungeduldig. Ich kann die Flammen hören wie sie flüstern: „Lass uns weiter, lass und fressen, lass und töten, lass sie nie vergessen!" Es ist schön, aber nach einiger Zeit wird es langweilig.

Xerxes haut auf den schrägen Tisch. „Das reicht!" Abwartend sehe ich ihn an. Ich bin auch der einzige von ihnen, der so ein großes Feuer kontrollieren kann ohne hinzusehen. Das habe ich mit 5 geschafft. Ich lasse es einfach weiter brennen. „Sie sind mächtig genug und wenn du geheiratet hast, werden wir sie noch mächtiger machen. Wir müssen akzeptieren, dass es niemanden auf unserem Niveau gibt, die dich heiraten wollen. Niemand will jemanden, der nicht sprechen kann, Lorcan!" Dass er meinen Namen ans Ende dieses Satzes packt ist doppelt beleidigend. Er sagt: ‚Niemand will jemanden, der nicht sprechen kann und du kannst nicht sprechen!'. Er betont es als wäre es nicht meine Entscheidung gewesen! Wüsste er das nur!

Genervt packe ich mir an den Nasenrücken zwischen meinen Augen und schließe sie kurz. Lasse die Flammen ohne hinzusehen erlöschen. Kurz füllt etwas rauch den Raum, aber weil wir aus Stein entstanden sind, aus Vulkanstein die Meisten, bewegt sich der Rauch nicht nach oben, sondern zu uns hin, direkt in unsere Körper hinein. Interessant oder? Das wir Unterwasser nicht atmen können, aber uns ein bisschen Rauch in der Lunge nichts ausmacht. Das liegt daran. Dass sie Naida die Ozeane besiedelt haben. Ihre Haare sind gefüllt mit ihrem Gift. Sie sondern es unabsichtlich ab sobald sie ins Wasser kommen und verätzen so unsere Lungen. Nur Niada und Ilaris können im offenen Wasser schwimmen gehen. Ilaris können es nur, weil ihre Lungen sich durchgehend selbst heilen während sie das ätzende Gift schlucken. Ihr habt richtig gehört. Schlucken.

Anders als ihr benötigen wir keinen Sauerstoff. Wir müssen auch nicht essen. Unsere Herzen schlagen mit Magie. Das erhält sie am Leben und solange wir Magie besitzen sterben wir auch nicht. Deswegen ist es so leicht für Nicoli andere zu töten. Es gibt immer noch genug Nachschub. Du fragst dich jetzt sicher wie man jemanden dann umbringt oder nicht? Wenn man ihn nicht einfach erwürgen kann? Stichst du jemanden mitten ins Herz, dann stirbt er trotzdem. Wenn du ihm das Genick brichst ist da auch eine erhöhte Chance, dass er nicht wieder einfach aufsteht. Uns umzubringen ist nicht leicht, wenn du schwächer bist, doch wenn du es wirklich schaffst, dann sind wir wirklich tot. Das gleiche gilt für die Niada. Ilaris sind da etwas anders, aber dazu kommen wir jetzt nicht.

Xerxes unterbricht meinen Gedankenstrom nämlich: „Wir werden sie einladen und du wirst sie treffen. Dann gucken wir wie schwierig es wird." Es ist peinlich sie zu treffen! Das muss er wissen. Es scheint ihm nicht wichtig genug zu sein! Alter Kauz! Wenigstens halten meine Geschwister jetzt die Klappe. Es ist recht selten, dass ich meine Kräfte benutze. Die Kräfte der Nicoli müssen wachsen. Das ist immer noch besser als bei den Naida, die sie von anderen klauen müssen, weil sie in ihnen nicht wachsen können. Deswegen gehen sie auch an Land. Deswegen haben sie so viele Sklaven. Sie ziehen mehr und mehr Kraft aus anderen und sind ständig hungrig. Traurig oder nicht?

Ich stehe vom gefallenen Tisch auf und verlasse einfach den Raum. Gegessen habe ich recht wenig, aber das ist ja egal. Reine Tradition. In meinem Gemach angekommen setze ich mich einfach in der Mitte des größten Saales auf den Boden. Das Treffen konnte ich nicht verhindern. Vielleicht bin ich zu sorglos. Es scheint keine besonders vorteilhafte Situation zu sein, wenn ich sie wirklich heiraten muss, aber Nicoli sind nicht in der Lage sich Sorgen zu machen.

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