Kapitel 1.
Gedankenverloren starrte ich die Anzeige auf meinem Laptopbildschirm an, die ich vor wenige Minuten online gestellt hatte. Wann würde sich wer darauf melden? Würde überhaupt jemand ernsthaft anrufen, um meine Tochter babysitten zu wollen?
Ich klappte leise seufzend den Laptop zu und drehte mich mit meinem Schreibtischstuhl, um Emily zuzusehen, wie sie auf dem Sofa ihre Kuscheltiere bürstete. Vorsichtig streichelte sie die hellrosa Mähne von ihrem Plüscheinhorn, während sie Mr. Pieksi von den Enten im Park erzählte.
Ich erhob mich etwas steif und streckte mich, bevor ich meine Kaffeetasse in die Küche brachte und sie in den Geschirrspüler stellte.
»Emily, Mäuschen, was essen wir heute zum Mittag?«, rief ich, während ich das Innere unseres Kühlschranks inspizierte. Kurz darauf hörte ich schon, wie sie aufsprang und zu mir in die Küche schlitterte.
»Spaghetti!!«, schrie sie mir beinahe ins Ohr, was mich das Gesicht verziehen ließ.
»Das hatten wir die letzten drei Tage schon«, brummte ich, schloss den Kühlschrank, beugte mich zu ihr hinunter und hob sie auf die Theke. Ich drehte mich wieder und öffnete die Kühlschranktür erneut.
»Egal«, nuschelte Emily beleidigt und verschränkte die Arme vor ihrer Brust, während sie mich mit einem gruselig authentischen Blick ansah, als würde sie mich töten wollen. Ganz die Mama.
»Emily, hör auf mit diesen Blick, der macht dir nur Falten zwischen die Augen.« Ich richtete meine Aufmerksamkeit kurz auf sie, um belustigt festzustellen, dass sie sich erschrocken an die Stirn fasste, um meine Aussage zu überprüfen.
»Ich habe gar keine Falten!«, rief sie empört.
»Noch nicht«, entgegnete ich und lachte leise.
»Schaust du mal über dir, ob noch Suppen da sind?« Emily drehte sich vorsichtig und sah in den Schrank über sich, bevor sie die kleine Kiste mit Tütensuppen herauszog. Sie zog eine Tütensuppe mit kleinen Nudelgeistern auf der Verpackung heraus und hielt sie mir strahlend vor das Gesicht.
»Die will ich!«
Das Telefon klingelte, kurz nachdem Emily eingeschlafen war. Leise schlich ich aus ihrem Zimmer, schloss die Tür hinter mir und beeilte mich dann den Hörer abzunehmen.
»Hallo hier ist Eric«, begrüßte ich den Anrufer mit meiner freundlichen Telefonstimme. Diesen Satz benutzte ich immer, so, als würde jemand in meinem Kopf den Knopf dafür drücken, wenn ich das grüne Telefonsymbol auf meinem Handy antippte.
»Hallo, Herr Smith? Hier ist Jason Greenfield, ich rufe aufgrund Ihrer Anzeige im Internet an. Suchen Sie noch einen Babysitter?«, sagte eine tiefe Männerstimme am anderen Ende der Leitung. Das war definitiv die Stimme eines gutaussehenden CEO irgendeiner bekannten Firma. Oder ein Drogenboss. Polizeichef. Aber nicht die Stimme eines durchschnittlichen, Jugendlichen Kerls, den ich mir eigentlich für diese Aufgabe vorgestellt hatte.
»Ja«, stotterte ich, kurz aus dem Konzept geworfen. Ich räusperte mich und setzte mich kerzengerade auf meinen Schreibtischstuhl. Wirke völlig professionell, Eric.
»Ja, ich suche noch einen Babysitter. Bisher sind Sie der erste, der sich auf meiner Anzeige hin gemeldet hat.«
Ein leises Lachen ertönte durchs Telefon, wobei ich mir glänzend weiße Zähne im Mund meines Gesprächspartners vorstellen musste.
»Das freut mich zu hören, denn ich bin wirklich interessiert. Ich habe auch einige Referenzen vorzuweisen! Außerdem bin ich wirklich flexibel und kann mich Ihnen vollständig anpassen. Das Geld spielt eine weniger große Rolle, ich würde mich einfach freuen, wenn ich Ihnen damit einen Gefallen tun kann.«
»Wo ist der Haken?«, entgegnete ich scharf, woraufhin ich mir sofort auf die Lippe biss.
»Es gibt keinen Haken.« Jetzt konnte ich Mr. Echt Suspekt förmlich grinsen hören.
»Das klingt ja wirklich zu schön um wahr zu sein«, sagte ich etwas freundlicher, ich wollte wirklich nicht unhöflich wirken. Aber was hat der Typ verbrochen, dass er freiwillig auf ein fremdes Kind aufpassen will? »Ich würde mich gern erst einmal mit Ihnen verabreden, bevor ich eine Entscheidung treffe. Wir reden schließlich über ein Kind, nicht meinen Zwergpinscher.«
»Sie haben einen Hund?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Gott sei Dank, Zwergpinscher sind schrecklich hässliche Tiere.« Ich kam nicht um ein Schmunzeln herum. »Aber ja, ich würde ein persönliches Gespräch ebenso bevorzugen. Vielleicht haben Sie ja Angst vor mir, weshalb ich ihre Tochter nicht betreuen darf.«
»Machen Sie sich über mich lustig, Herr Greenfield?« Er lachte belustigt, konnte jedoch nicht sofort antworten, denn jemand musste zu ihm gestoßen sein. Ich hörte nur eine leise Stimme, konnte jedoch nicht den Inhalt des Gespräches ausmachen. Er bedankte sich, dann wandte er sich wieder an mich.
»Entschuldigen Sie die Störung Herr Smith. Also, wann hätten Sie Zeit für mich?« Ich war ein wenig enttäuscht, dass er meine Frage nicht beantwortete, aber ich wollte das Thema nicht wieder aufleben lassen. Ich lehnte mich zurück und griff nach dem Kalender auf der Kommode hinter mir. Eilig blätterte ich zu dieser Woche und überflog die Termine, die noch bevor standen.
»Am liebsten wäre es mir morgen ab 15 Uhr. Vielleicht können wir uns im neuen Café in der Altstadt treffen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Nein, das Café ist hervorragend, ich freue mich. Dann möchte ich Sie nicht weiter belästigen, wir sehen uns morgen um 15 Uhr im Café. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!« Und bevor ich etwas entgegnen konnte, tutete auch schon mein Handy als Signal, dass der Herr das Gespräch beendet hatte. Ich legte mein Handy auf den Tisch und starrte einige Augenblicke auf die Telefonnummer von Jason Greenfield. Dann schüttelte ich leicht meinen Kopf, bevor ich seinen Namen, die Telefonnummer und den Termin in meinem Kalender notierte.
Irgendwas in mir ließ mich hoffen, dass er mit mir und Emily auskommen würde. Dass wir ihn mögen würden. Warum, konnte ich nicht sagen.
Ich konnte auch nicht sagen, warum ich die anderen Anfragen, die mich im Laufe des Tages erreichten, dankend ablehnte.