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Der Mörder in meinem Bett

77.0K · Laufend
Natalie Pietzka
42
Kapitel
763
Lesevolumen
9.0
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Zusammenfassung

Die hoch angesehene Hexenfamilie Matoni zieht, aufgrund einiger Verfehlungen des Sohnes, aus der Großstadt in das kleine verschlafene Dorf Grandwood. Dort will der Vater sich mit der Führerin des dortigen Hexenzirkels vermählen und zur Überraschung seiner zwei Kinder, sollen diese gleich mit vermählt werden. Nick, der Sohn der Matonis besitzt die seltene Fähigkeit der Gedankenmanipulation. Durch diese Fähigkeit ist er in der Lage alles zu bekommen, was er möchte. Den Bezug zum normalen Leben hat er dadurch schon längst verloren. Doch es herrschen strikte Gesetze in der Welt der Hexen. Schon bald rufen Nicks Eskapaden die, eigens zur Kontrolle der Hexen herangezüchteten, Jäger auf den Plan.

Vertragliche EheverführtkriegErbeHexenmeisterBad boymagische WeltSpannungJungfraudominant

Kapitel 1 Laras Welt: In der Hölle

Laras Welt

Ich saß in meiner Schulklasse und starrte traurig vor mich hin. Kein Wunder, immerhin war heute der Letzte Tag vom Rest meines Lebens und das alles nur, weil ich als Hexe geboren wurde. Mein Blick schweifte über die Köpfe meiner normalen menschlichen Mitschüler hinweg. „Die Glücklichen“, dachte ich seufzend. Wäre ich ein Mensch, hätte ich irgendwann einen netten Jungen kennengelernt und ihn irgendwann, so mit fünfundzwanzig geheiratet. Ich wäre Ärztin geworden und hätte es mir zur Aufgabe gemacht Menschenleben zu retten.

Doch bei uns Hexen lief das alles ein klein wenig anders. Wir Hexen blieben stets unter uns und lebten inmitten der Menschen, ohne dass diese etwas davon wussten. Dabei hatte jede Hexe immer eine bestimmte Fähigkeit, welche von Generation zu Generation weitergereicht wurde. Hexenkinder wurden deshalb, nach ihrem achtzehnten Geburtstag, mit dem Kind einer anderen Hexenfamilie vermählt. Die Hexenkraft der Mutter wurde später an die weiblichen Nachkommen weitervererbt. Meine Mutter und ich besaßen die Fähigkeit der Heilung, während mein älterer Bruder Kevin frei von jeglicher Kraft war. Eine Ausnahme sollte dabei jedoch die Matoni-Familie bilden, eine der mächtigsten Hexenfamilien überhaupt. Nick, der Sohn der Matonis, hatte eine sehr mächtige und gefürchtete Fähigkeit vererbt bekommen, die Kraft der Gedankenmanipulation. Und wie es das Schicksal so wollte, hatte meine Mutter geplant ausgerechnet dessen Vater zu heiraten. Als Hexe oder Hexer hattest du kein gutes Leben, wenn du nicht verheiratet warst. Alle netten Annehmlichkeiten, die wir besaßen würden auf eine andere Familie übergehen. Man hatte dann lediglich drei Jahre Zeit einen Partner zu finden. Meine Mutter und Herold Matoni hatten ein Geschäft abgeschlossen, in dem sie meinen Bruder und mich regelrecht verschacherten. Wir sollten mit den Matoni-Kindern Nick und Sina vermählt werden. Es hieß Nick hätte einen ziemlich aufbrausenden Charakter und war sogar schon einmal aufgrund eines Kontrollverlustes zur Disziplinierung bei der ersten Hexenordnung gelandet. Ein Kontrollverlust bei zu großen Fähigkeiten war nicht gerade selten bei Hexen. Die Hexenordnung war dabei die vorletzte Station bevor die Hexenjäger einschritten. Die, meist männlichen Hexenjäger, blieben ebenfalls gerne unter sich. Sie wurden gezielt herangezüchtet um im Ernstfall eine, der zur Gefahr gewordenen Hexen, aufhalten zu können. Die Züchtung übernahm dabei die äußerst mysteriöse Organisation namens „Venator“. Und dort wurden im Ernstfall auch die zur Gefahr gewordenen und undisziplinierbaren Hexen hingebracht. Was dann mit ihnen geschah wusste niemand, nicht einmal die Hexenjäger selbst. Noch nie war eine Hexe wieder aus dem Venator-Gefängnis heraus gekommen, wenn sie einmal drin war. Und mein Zukünftiger sollte zu genau diesen schrecklichen Subjekten gehören, für die dieses Gefängnis geschaffen wurde. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich daran dachte, dass ich mit einem potentiellen Mörder verheiratet werden sollte. Eigentlich hätte ich wütend auf meine Mutter sein müssen, doch ich verstand sie. Warst du alleinstehend, bekamst du nichts. Meine Mutter und mein Vater waren die Führer unseres städtischen Hexenzirkels. Ohne einen würdigen Ersatz für meinen Vater hätte meine Mutter einfach alles verloren, ihre Führungsrolle, unser Haus, absolut jede Annehmlichkeit.

Ein hübscher Junge mit schwarzen hoch gegelten Haaren betrat das Klassenzimmer. Seine leuchtend blauen Augen rissen mich sogleich aus meinen Gedanken. Irgendwie wirkte er fehl an Platz, und das nicht nur, weil er im Hochsommer ganz in schwarz, mit langer Hose und langärmligem Hemd herum lief. Irgendwie strahlte er so etwas wie Überlegenheit aus. Mit durchdringendem Blick kam er auf mich zu. Interessiert strahlte ich ihn an und säuselte: „Hallo.“

„Wer ist der größte Streber dieser Klasse?“, fragte der Junge sofort in roboterartigem Ton. In dem Moment fiel mein Lächeln in sich zusammen. Kritisch musterte ich ihn. „Wie wäre es, wenn du dich erst einmal vorstellst.“ Schockiert machte der Junge einen Satz nach Hinten. „Was?“ Er wunderte sich anscheinend, dass ich seine Frage nicht beantwortet hatte. Einen Moment betrachtete er mich forschend, bis er mir schließlich in herablassendem Ton „Das geht dich nen Scheiß an, Pummelfee!“, entgegen feuerte. Erbost funkelte ich ihn an. „Was hast du gesagt?“ Ich war vielleicht nicht so knochig wie manche andere Mädchen, hatte einen Po und Brüste, die man wenigstens als solche bezeichnen konnte. Aber mich deshalb Pummelfee zu nennen war einfach nur gemein.

Doch der Junge reagierte überhaupt nicht auf meine Empörung und ging einfach zwei Tische weiter, an Normans Tisch. Norman war eine eher unscheinbare Erscheinung mit einer Brille, was für den rüpelhaften Jungen offenbar ein untrügliches Zeichen darstellte, dass er der Klassenstreber war. Zufrieden setzte er sich neben ihn. Was für ein Arsch, na zum Glück würde ich den Neuen nur noch ein Jahr ertragen müssen.

Die Lehrerin kam herein und flötete sogleich los: „Guten Tag liebe Schüler. Ich würde euch sehr gerne euren neuen Klassenkameraden vorstellen: Nick Matoni.“ Bei ihren Worten blieb mir die Luft weg. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Das war doch der Typ mit dem ich vermählt werden sollte. Deshalb hatte er eben so merkwürdig reagiert, als ich nicht das getan hatte, was er wollte. Er hatte versucht mich zu manipulieren. Es war ganz offensichtlich alles noch sehr viel schrecklicher, als ich zunächst geglaubt hatte. Er war nicht nur ein potentieller Mörder, sondern auch noch unverschämt. Wie sollte ich das nur überleben? All meiner wenigen Hoffnung beraubt, knorkelte ich mich hinter meinem Tisch zusammen. Ich musste das unbedingt verhindern.

Es herrschte Hochbetrieb im Konferenzraum des Hexenzirkels, denn immerhin würde der zukünftige Ehemann meiner Mutter Heute sein neues Amt antreten. Aufgeregt zupfte meine Mutter neben der Bühne ihr langes rotes Haar zu Recht. Die gesamte Specht-Familie hatte rotes Haar, auch mein Bruder, der ziemlich eingeschüchtert von dem ganzen Trubel, neben meiner Mutter kauerte. Herold Matoni, ein Vollbartträger mit lichtem braunen Haar und Bierbauch, kam in diesem Moment auf meine Mutter zu und umarmte sie steif.

Und hinter ihm kam auch schon der Kerl, den ich von allen Kerlen auf dieser Welt gerade am wenigsten sehen wollte. Mit skeptischem Blick schaute Nick sich in dem großen Saal um. Das hübsche blonde Mädchen mit den blauen Augen zu seiner rechten musste seine ein Jahr ältere Schwester sein. Beide hatten sie die gleichen blauen, durchdringenden Augen. Mit hocherhobenem Haupt ging ich auf die Matoni-Geschwister zu. Als ich schon fast neben ihnen stand, hörte ich Nicks abfällige Stimme: „Hoffentlich ist es bald vorbei. Ich will endlich erfahren in was für eine Villa wir einquartiert werden. Das Zimmer im Hexenzirkel ist mehr als schäbig.“

Oh toll, er plant bereits die Besetzung meines Hauses. Wütend stellte ich mich vor ihm auf und schnaubte verächtlich. Seine Schwester fing an zu kichern und buffte ihn in die Seite. „Du hast dir bereits Freunde gemacht, wie ich sehe.“

„Hab ich mir doch gedacht, dass du es bist“, log ich Nick an. Ich hatte natürlich keine Ahnung. Hätte die Lehrerin seinen Namen nicht gesagt, hätte ich noch immer keinen Schimmer. „Hat man dir nicht beigebracht, dass wir mit unseren Kräften vorsichtig umgehen sollen?“ Mit einem Was-hast-du-nun-schon-wieder-angestellt-Blick starrte seine Schwester ihn an. Nick rollte mit den Augen und erwiderte: „Ist mir scheiß egal.“ Auf der Bühne trat sein Vater bereits an das Rednerpult und ging noch einmal in Gedanken seinen Text durch. Mit zu Schlitzen verengten Augen entgegnete ich: „Aber mir nicht. In meiner Stellung habe ich eine gewisse Verantwortung.“ Auf der Bühne fing Herold Matoni bereits zu sprechen an. Die Hexengemeinde jubelte. „Was für eine Stellung kann das schon sein. Meine Schwester und ich sind die Kinder eures neuen Führers“, feuerte Nick mir verächtlich entgegen.

Augenblicklich fiel meine Kinnlade nach unten. Das konnte doch nicht sein. Er wusste es gar nicht. Hatte sein Vater ihm nicht erzählt mit wem er vermählt werden sollte? „Ich bin froh Ihnen mitteilen zu können, dass wir an diesem Tage eine Verbindung mit der Familie Specht und Familie Matoni besiegeln werden“, sprach Herold Matoni weiter. Nick wurde von seiner entgeistert dreinschauenden Schwester gegen den Arm gestupst, da er die ganze Zeit offenbar nur mit halbem Ohr hingehört hatte. „Was hat er da gerade gesagt?“

Nun war Nick ganz Ohr und ließ mich erst einmal links liegen. „Ich und meine zwei Kinder Nick und Sina werden in die Familie Specht einheiraten.“ Mit großen Augen betrachtete Nick meine Mutter, die neben seinem Vater stand und dann mich. Man konnte die Ähnlichkeit nicht mal übersehen, wenn man es versuchen würde.

„Nein, nein, nein, das darf nicht wahr sein. Ist das deine Mutter?" Ich nickte zögerlich. Nick rang sichtlich um Fassung und starrte seine Schwester an, die auch nicht glücklicher wirkte. „Äh ich bin übrigens Sina Matoni“, erklärte sie mit rauer Stimme und streckte ihren Arm in meine Richtung aus. Ich wollte gerade etwas erwidern, doch Nick war scheinbar aus seiner Starre erwacht und schrie völlig außer sich drauf los: „Das kann er vergessen. Niemals heirate ich so eine fette Schnalle.“ Als ich begriffen hatte, was für eine Beleidigung er mir da gerade an den Kopf geworfen hatte, schoss ich sofort wie vom Teufel besessen auf Nick zu und verpasste ihm eine Ohrfeige. „Du dämlicher Idiot. Ich bin auch nicht gerade scharf darauf dich zu heiraten." Nick zuckte nicht einmal mit der Wimper, griff meine beiden Arme und schubste mich vor sich auf den Fliesenboden. Dann machte er sich, ohne mich weiter zu beachten, auf zu seinem Vater.

Völlig perplex darüber, dass er scheinbar keinerlei Skrupel davor hatte, gegenüber einem Mädchen handgreiflich zu werden, saß ich da und schaute ihm hinterher. Schnell wischte ich mir über die Augen, um die langsam aufkommenden Tränen sofort im Keim zu ersticken. Was hatte ich eigentlich erwartet? Sollte ich jetzt heulen, weil sich meine schlimmsten Befürchtungen gerade bestätigt hatten? Nein! Ich würde kämpfen! Sina nahm meine Hand und zog mich nach Oben. „Es tut mir so leid, ehrlich.“ Langsam kam ich wieder zu mir und wetterte ihr hasserfüllt entgegen: „Sicher willst du mir jetzt erzählen, dass er eigentlich ein ganz netter ist, stimmt's?“

Mit einem unschuldigen Lächeln erwiderte Sina: „Eigentlich wollte ich nur sagen, dass es mich freut dich kennen zu lernen.“ Mein Gesicht wurde nun wieder etwas weicher. Okay, vielleicht sind ja nicht alle Matonis bösartig. Nicks Schwester schien tatsächlich sehr nett zu sein. Vielleicht würde ich ja wenigstens eine Freundin hinzugewinnen, wenn ich schon ein Scheusal heiraten musste. Ich entschied mich ihr eine Chance zu geben. „Ich bin Lara.“ Ich zeigte auf meinen schlaksigen Bruder, der noch immer etwas verloren wirkend, neben der Bühne stand. „Und das ist mein Bruder Kevin.“

Sina schluckte. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie das Erscheinungsbild meines Bruders nicht glücklich machte. Eigentlich müsste ich jetzt sauer auf sie sein, doch ich verstand sie. Es war schrecklich, wenn man dazu gezwungen wurde Jemanden zu heiraten, den man nicht kannte. „Mei ... Mein Bruder heißt Nick“, erklärte Sina, fast wie in Trance, die Augen noch immer auf meinen Bruder gerichtet. „Ist er eigentlich immer so ein Arsch?“, fragte ich sie scherzhaft.

Sina nickte nur, mit den Gedanken ganz wo Anders. Ich verfolgte ihren erschrockenen Blick, der nun nicht mehr auf meinem Bruder ruhte. Der führende Jäger dieses Dorfes, Jimmy, betrat den Raum. Woher kannte sie ihn? Die Matonis sind doch gerade erst hier her gezogen. Oder hatte sie ein Auge auf ihn geworfen? Es wäre durchaus verständlich. Er war groß und muskulös, alles andere als Durchschnitt. „Ich muss dich enttäuschen. Jimmy ist ein Jäger, also absolut tabu für uns Hexen.“ Bestürzt fuhr Sina zu mir herum. „Was?“ Oh nein, war es vielleicht schon zu spät? Hatten die Beiden womöglich schon etwas am Laufen? Selbst wenn Sina keine Hexe wäre, Jägern ist es untersagt Beziehungen einzugehen. Sie wurden nur aus einem einzigen Grund gezüchtet, und zwar für die Jagd. Aber was machte Jimmy überhaupt hier? Das war ungewöhnlich. Jäger waren zu solchen Feierlichkeiten nicht eingeladen.

Sichtlich erregt, lief Jimmy durch den Saal auf Herr Matoni zu. Er wechselte ein paar Worte mit ihm und trat dann an das Mikrofon. Ängstlich stotterte Sina drauf los: „Oh nein, ich wollte doch nur ein wenig Spaß haben, bevor mein Leben vorbei ist." Beschützend griff ich ihre Hand. Ich konnte sie so gut verstehen. Beruhigend sprach ich auf sie ein: „Ich glaube nicht, dass es hier um dich geht. Jimmy ist sehr nett. Ich kenne ihn. Er würde dich nicht an den Pranger stellen.“ Währenddessen sprach Jimmy aufgebracht in das Mikrofon: „Einer meiner Jäger wurde gestern eine Treppe herunter gestoßen und dabei schwer verletzt. Wir gehen sehr stark davon aus, dass es eine Hexe aus diesem Zirkel war.“ Herr Matoni hatte sich nun ebenfalls an das Mikrofon begeben und hielt eisern dagegen: „Das sind ja harte Anschuldigungen. Haben sie denn Beweise dafür? Er kann genauso gut gestolpert sein.“ Jimmy machte eine nachdenkliche Miene. „Karl ist einer meiner besten und stärksten Männer. Er würde nicht stolpern. Außerdem wurde sein Gedächtnis gelöscht.“ „Sie meinen, er hat einen Gedächtnisverlust von dem Sturz erlitten?“, konterte Herold in herablassendem Ton. Irritiert schaute Jimmy ihn an. „Nein, das ...“ „Ich glaube wir sind hier fertig", schnitt Herold ihm das Wort ab. Doch so leicht machte Jimmy es ihm nicht. Er wendete sich an die Hexen im Saal: „Wenn ihr eine Hexe mit Kontrollverlust versteckt, macht ihr euch mit schuldig und provoziert einen Krieg.“

Plötzlich viel mir Sinas kreidebleiches Gesicht auf. Ängstlich fixierte sie ihren Bruder, der mit verschränkten Armen vor dem Podium stand und das Geschehen verfolgte. Stimmt, Nick hatte die Fähigkeit der Gedankenmanipulation. Er könnte das Gedächtnis des Jägers gelöscht haben. Misstrauisch schaute ich Sina von der Seite an und fragte frei heraus: „War er es? War es dein Bruder?“ Schockiert riss Sina die Augen auf und fuhr zu mir herum. „Oh Gott, nein, natürlich nicht“, rief sie und fuchtelte abwehrend mit den Armen herum. Was sie mit Worten sagte war die eine Sache, doch ihre ganze Mimik schrie geradezu: „Natürlich war er es! Er tut so etwas ständig!“ Ich sollte tatsächlich einen Typen heiraten, der so etwas tat? Nein, ich musste unbedingt mit meiner Mutter sprechen. Kein Wohlstand dieser Welt konnte das wert sein.