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Prolog

In der düsteren Stille einer verlassenen Lagerhalle am Stadtrand flackerten die letzten Flammen eines geschwärzten Ölofens unruhig. Die Luft war dick vom Rauch und dem Geruch vergilbter Holzlatten, die einst die Kulisse eines unauffälligen Geschäfts gebildet hatten. Jetzt lag die Halle verlassen, ein Ort voller geisterhafter Stille, unterbrochen nur vom gelegentlichen Knarren des Windes, der durch die Ritzen des maroden Gebäudes pfiff.

Ein Mann stand im Zentrum des Raumes. Sein schwerer Mantel hing wie eine Rüstung über seinen breiten Schultern, doch der Stoff schien die Kälte nicht abhalten zu können. Sie kroch ihm in die Glieder, biss sich an seinem Nacken fest und ließ die Schatten seines Gesichts noch härter wirken. Doch es war nicht die Kälte, die ihn zermürbte. Es war die Last des Lebens, das er gewählt hatte – oder vielmehr das Leben, das ihn gewählt hatte.

Sein Name war Vittorio “Don Vito” Manzoni, eine lebende Legende in den Reihen der organisierten Kriminalität. Er war der Boss der Manzoni-Familie, einem der letzten großen Namen in einer Welt, die sich rasend schnell veränderte. Seine Macht erstreckte sich von den schmutzigen Hafenvierteln bis zu den gläsernen Fassaden der Banken und Unternehmenszentralen. Mit einem Wort konnte er Existenzen schaffen oder zerstören. Doch diese Macht hatte ihren Preis.

Heute war einer dieser Tage, an denen das Gewicht seiner Entscheidungen ihn niederzudrücken schien. Vor ihm lag ein einzelnes, unscheinbares Blatt Papier, zusammengefaltet und mit einem roten Wachssiegel versehen. Ein Auftrag. Ein entscheidender, alles verändernder Auftrag, dessen Erfolg oder Scheitern die Zukunft seiner Familie besiegeln würde.

Er wusste, dass er nicht ablehnen konnte. Nicht diesmal. Doch im tiefsten Inneren spürte Vittorio, dass dieser Auftrag anders war. Etwas Dunkles hing in der Luft, wie eine Vorahnung, die er nicht benennen konnte. Ein Gedanke, den er nicht zu Ende denken wollte.

Mit einem leisen Seufzen nahm er das Blatt Papier in die Hand, löste das Siegel und las die Worte, die sein Schicksal besiegelten.

Die Worte auf dem Papier waren kurz und präzise, wie ein Urteil, das keinen Spielraum für Interpretationen ließ:

“Gregory Falcone. Eliminieren. Keine Fehler.”

Kein Absender, keine Unterschrift. Es war unnötig. Vittorio wusste, wer die Nachricht geschickt hatte. Nur wenige hatten die Macht und die Dreistigkeit, ihm einen solchen Auftrag zu erteilen.

Gregory Falcone – ein Name, der ihm nicht fremd war. Ein Mann mit Einfluss, sowohl in der legalen als auch in der dunklen Seite der Gesellschaft. Ein Finanzier, der in den vergangenen Jahren still und effizient ein Imperium aufgebaut hatte, das selbst für die Mafia bedrohlich geworden war. Falcone hatte nicht nur die Aufmerksamkeit der Manzoni-Familie erregt, sondern auch die vieler anderer Gruppen. Doch im Gegensatz zu seinen Rivalen hatte er sich nie für die Spielregeln der Straße interessiert. Er spielte sein eigenes Spiel – und jetzt hatte er zu viele Mächtige gegen sich aufgebracht.

Vittorio faltete das Papier sorgfältig zusammen und steckte es in die Tasche seines Mantels. Für einen Moment stand er einfach nur da, während die Kälte der Halle sich wie ein dichter Nebel um ihn legte. Er dachte an seine Familie – nicht nur an seine Frau und seine Kinder, sondern an die Männer und Frauen, die seit Jahrzehnten an seiner Seite standen. Sie alle würden für den Erfolg dieses Auftrags bezahlen, wenn er scheiterte.

Er wandte sich zur Tür, seine schweren Schritte hallten durch die Halle. Draußen wartete Antonio, sein Consigliere, treu und wachsam wie immer. Als Vittorio die Halle verließ, begegnete ihm Antonios forschender Blick.

“Ein Problem, Don Vito?” fragte Antonio, die Hände tief in die Taschen seines langen Mantels vergraben.

“Nein”, antwortete Vittorio ruhig. “Nur eine Aufgabe. Eine, die wir nicht vermasseln können.”

Antonio nickte stumm. Er wusste, dass Fragen überflüssig waren, wenn Vittorio diesen Ton anschlug. Er würde alles erfahren, wenn die Zeit gekommen war. Gemeinsam stiegen sie in den Wagen, ein dunkler, unauffälliger Mercedes, der vor der Halle parkte. Der Motor sprang an, und sie fuhren schweigend in die Nacht hinaus.

Während die Straßenlichter an ihnen vorbeizogen, dachte Vittorio darüber nach, wie er diesen Auftrag angehen würde. Falcone war kein gewöhnliches Ziel. Er war gut geschützt, hatte mächtige Verbündete und schien immer einen Schritt voraus zu sein. Vittorio würde nicht nur Präzision brauchen, sondern auch absolutes Vertrauen in seine Männer.

Doch Vertrauen war in letzter Zeit eine seltene Ware geworden. Zu viele Risse hatten sich in den Reihen seiner Organisation gebildet. Verräterische Flüstereien, die er noch nicht zuordnen konnte, und Spannungen zwischen seinen Capos ließen ihn wachsam bleiben.

Der Wagen hielt vor Vittorios Anwesen, einer großen Villa, die auf einem Hügel über der Stadt thronte. Die hohen Tore öffneten sich langsam, und der Wagen rollte auf das Kopfsteinpflaster der Einfahrt. Vittorio stieg aus, während Antonio ihm folgte.

“Ruf Marco zu mir,” sagte Vittorio knapp. “Und bring mir die Akten über Falcone. Wir haben Arbeit zu erledigen.”

Antonio nickte und verschwand im Schatten des Hauses. Vittorio ging in sein Arbeitszimmer, ein prächtiger Raum mit hohen Bücherregalen, schweren Vorhängen und einem massiven Schreibtisch aus dunklem Holz. Er setzte sich, zündete sich eine Zigarette an und starrte auf die leere Tischplatte vor sich.

In diesem Moment wusste er, dass der Weg, den er einschlug, ihn an einen Punkt führen würde, von dem es kein Zurück mehr gab. Der Auftrag war klar – doch der Preis für den Erfolg würde erst später enthüllt werden.

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